Experten-Interview mit Headhuntern und Personalberatern: Recruiting von Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges Thema. Ich möchte es aus unterschiedlichen Blickwinkeln angehen: aus der Sicht der Unternehmen, der Personalberater und der Bewerber.
Experten-Interview
Ich freue mich sehr über dieses Interview & das Thema. V.a. weil ich bereits vergangenes Jahr versuchte, dieses Interview durchzuführen, doch die Rückmeldung war oft „Sorry, ich habe auf diesem Gebiet zu wenig / keine Erfahrung“. Daher ein großes DANKE an die heutigen Interview-Partner und die Einblicke!
UNTERNEHMENSseitig:
Wann kommt ein Unternehmen auf Sie mit dem Wunsch zu, Menschen mit Behinderung einzustellen? Worauf muss der Kunde bei der Einstellung dieser Menschen achten? Worin liegen die Vorteile für das Unternehmen? Worin die Nachteile?
Daniela Schlick (strategit): Wir sind schon seit vielen Jahren Recruitingpartner von KMUs. Handicaps werden erst in der jüngeren Vergangenheit thematisiert. Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial von Offenheit und Vielfalt – nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht.
Beachtenswert bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderung sind beispielsweise der erhöhte Kündigungsschutz und die erforderliche Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung. Außerdem sehen manche Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen Mehrurlaub für Menschen mit Behinderung vor. Das Sozialministerium unterstützt Unternehmen, mit Förderungen und Zuschüssen bis hin zu speziellen Trainings.
Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Wir haben selten die Anfrage oder die Option bei einer Personalsuche Menschen mit Behinderung zu suchen. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen wenig Wissen haben über die Möglichkeit wie Sie Menschen mit Behinderung einsetzen und welche Vorteile sie genießen. Hinzu kommt, dass es mittlerweile auch eigene Beratungen gibt, die speziell Menschen mit Behinderungen vermitteln, somit erreichen uns die Anfragen in diese Richtung weniger und es gibt bei uns auch wenig Bewerber mit Behinderung.
PERSONALBERATERseitig:
Wann tragen Sie diese Möglichkeit aktiv an den Kunden heran wenn er diese Option noch nicht in Betracht zog? Wie gehen Sie im Recruiting vor? Wie gehen Sie mit Bewerbungen um, die von Menschen mit Behinderung kommen?
Mag. Barbara Kriegbaum (Schulmeister Management Consulting): Offen gestanden sind Bewerbungen von Menschen mit Behinderung bei uns eine große Ausnahme und kommen selten vor. Wir behandeln eine solche Bewerbung dann genauso wie jede andere Bewerbung und kommunizieren selbstverständlich auch ganz offen mit unseren Kunden über entsprechende Einschränkungen einer Person. Im Laufe der letzten Jahre konnte auch einmal ein Kandidat im Rollstuhl vermittelt werden.
Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Menschen mit Behinderungen sind in der Personalberatung noch immer ein Tabu-Thema. Man spricht nicht davon und die meisten Unternehmen sind nicht ausreichend informiert. Das Argument der „Unkündbarkeit“ steht oftmals im Vordergrund. Wobei das wahrscheinlich den wahren Gründen vorgeschoben wird, da dieses Argument schon seit geraumer Zeit aus rechtlicher Sicht nicht unmittelbar tragend ist. Eine Art „Unkündbarkeit“ entsteht erst nach mehreren Jahren.
Es ist aber auch zu erwähnen, dass sich sehr selten Menschen mit Behinderung bei uns melden. Wenn ja, dann werden Sie wie alle Kandidaten im Auswahlprozess aufgenommen. So auch konnten wir eine herausfordernde Position als Key User im SAP CO Umfeld in einem Pharmaunternehmen erfolgreich besetzen.
Daniela Schlick (strategit): Wir gehen hier anlassbezogen vor. Grundsätzlich empfehlen wir unseren Kunden Kandidaten, die die Aufgabe aufgrund ihrer Qualifikation, ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit erfüllen. Wenn eine Person z.B. nur eine Niere hat, gilt sie als schwerbehindert und kann dennoch die bessere Wahl für den Arbeitgeber sein.
Wir stellen uns auf die Bewerber mit Behinderung ein. Beispielsweise vereinbaren wir einen Treffpunkt wo Menschen im Rollstuhl gut ankommen können oder reservieren ein größeres Zeitfenster wenn ein Mensch stottert.
BEWERBERseitig:
Wodurch unterscheidet sich das Auftreten von Bewerbern mit Behinderung (schriftlich & persönlich) im Vergleich zu nicht-behinderten Bewerbern? Wodurch unterscheidet sich die Zielsetzung? Welche besonderen Herausforderungen begegnen ihnen in der Arbeitswelt (über „es ist schwer für sie, einen Job zu bekommen“ hinausgehend)?
Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Dazu fehlen uns offen gestanden die Erfahrungswerte – wir haben vereinzelt Bewerber mit Behinderung. Bei diesen haben wir keinen Unterschied zur Professionalität in ihren Unterlagen festgestellt. Eher im Gegenteil, diese waren besser aufbereitet als andere Unterlagen. Im persönlichen Gespräch haben wir geschätzt, dass zu den klassischen Inhalten eines Bewerberinterviews offen über mögliche Einschränkungen einer Behinderung gesprochen wurde. Hier ist sicherlich von Vorteil auch gleich zu erwähnen, wie mit Einschränkungen umgegangen werden soll und was diese für den Job bedeuten. Wir besetzen Jobs in der IT, im kaufmännischen und anderen Bereichen, wo Menschen mit Behinderung arbeiten können – nur bekommen wir keine Bewerbungen.
Daniela Schlick (strategit): Ist die Behinderung nicht sichtbar, erwähnen manche Betroffene sie im Bewerbungsschreiben erst einmal nicht. Andere wiederum machen Ihre Behinderung zum Hauptthema der Bewerbung. In den Gesprächen präsentieren sich viele dieser Talente selbstbewusst und offen. Sie sind nicht darauf aus einen „Quotenjob“ zu bekommen, sondern möchten aufgrund ihrer tatsächlichen Qualifikation eingestellt werden.
Die Gesprächspartner
Daniela Schlick strategit Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk Pavelka-Denk Personalberatung Mag. Barbara Kriegbaum Schulmeister Management Consulting GmbH |