Experten-Interview: Im letzten Interview hinterfragte ich den Zusammenhang zwischen BGF-Maßnahmen und Produktivität & Engagement der Mitarbeiter. Heute möchte ich diesem praktischen Blickwinkel theoretische Studien und Untersuchungen hinzufügen.
Interview
Gibt es dazu Studien / Untersuchungen zum Zusammenhang BGF & Mitarbeitermotivation?
Mag. Gernot Kampl, MA (IEPB): Die im letzten Interview beispielhaft genannten Studien des Corporate Leadership Council und von Gallup basieren nicht auf Mutmaßungen, sondern auf harten Fakten, nämlich den Daten zehntausender Beschäftigter aus zahlreichen Betrieben. Doch genauso können wir in unserer täglichen Arbeit klare Zusammenhänge messen und dokumentieren. Ich muss nur auf die soeben abgeschlossene Wirksamkeitskontrolle zu einer Evaluierung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zurückgreifen, die wir vor knapp zwei Jahren durchgeführt haben. In diesem Betrieb wurden Maßnahmen umgesetzt, die die Arbeitsabläufe bzw. die Arbeitsorganisation betrafen. Die Zufriedenheit in diesen Bereichen stieg nach Umsetzung der Maßnahmen erwartungsgemäß. Noch wesentlich deutlicher jedoch stieg die Zufriedenheit mit dem Organisationsklima von einem ohnehin schon „guten“ auf einen „sehr guten“ Wert. In diesem Zeitraum hatte es keinerlei Änderungen im Management, in den Sozialleistungen oder bei anderen relevanten, das Organisationsklima beeinflussenden Faktoren gegeben. Hier hat offenbar die Schaffung eines verbesserten Wohlbefindens bei der täglichen Arbeit durch die Reduktion unnötiger Belastungen gleichzeitig die Wertschätzung für das eigene Unternehmen massiv erhöht.
Michael Leitner (Virgin Pulse): Ja, Virgin Pulse hat 2018 im Zusammenhang mit der Global Challenge, unserem ganzheitlichen-BGM Programm, eine Teilnehmerumfrage gemacht und dazu Daten von über 80.000 Personen erhoben. Dieses Volumen lieferte statistisch sehr relevante Resultate. Die Auswertung hat einen klaren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gesundheitskomponenten gezeigt – hat eine Person höhere Werte in mehreren Komponenten, so ist die Person insgesamt motivierter und engagierter.
Mag. Ina Lukl (IBG): Viele Unternehmen setzen nachhaltiges betriebliches Gesundheitsmanagement bereits um. Die Erfolge zeigen sich in wirtschaftlichen Kennzahlen, Produktivität und Key Performance Indicators (KPIs) sowie in der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und in Bewerbungen hoch qualifizierter Fachkräfte. Unter anderem konnten wir bei 19 Unternehmen nach 1-3 Jahren die psychischen Belastungen um durchschnittlich 9% reduzieren und zusätzlich im Zuge der von uns begleiteten BGF Projekte Verbesserungen in Arbeitsbewältigung, Sinnfindung und Zusammenarbeit von 4-12% erzielen. Ebenso konnten Krankenstände und Fluktuation deutlich verringert werden.
Mag. Michaela Hoefer (research team Graz): Speziell in der Arbeits- und Organisationspsychologie gibt es hierzu eigene Forschungsschwerpunkte. So zeigt unsere neueste Studie zur Arbeitswelt Deutschland, Österreich & Schweiz, die wir 2018 in diesen drei Ländern an Berufstätigen verschiedenen Alters sowie unterschiedlicher Branchen, Tätigkeitsbereiche und Unternehmensgrößen durchgeführt haben, dass zwischen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, der Erholungs-Beanspruchungs-Balance, der Arbeitszufriedenheit sowie dem Commitment und Engagement von Mitarbeitern mitunter hohe Zusammenhänge bestehen! Auch das Gesundheitsbewusstsein bei der Arbeit spielt eine wichtige Rolle und wirkt sich positiv auf die genannten Variablen aus. Risiken für die Arbeitszufriedenheit und das Commitment der Mitarbeiter stellen dagegen Krankenstände und auch Präsentismus – der Umstand, krank zur Arbeit zu gehen – dar.
Was Zusammenhänge mit Unternehmenskennzahlen betrifft, konnte die Wissenschaft zudem aufzeigen, dass eine Reduktion psychischer Belastungen am Arbeitsplatz positive Auswirkungen auf Krankenstände sowie die Produktivität haben kann. Zudem führt die Schaffung gesunder Arbeitsbedingungen – beispielsweise durch die Einführung von BGF-Maßnahmen – zu weniger Fehlzeiten, weniger Folgekosten durch psychische und physische Erkrankungen sowie mehr Produktivität, Motivation, Zufriedenheit und Arbeitsfähigkeit im Unternehmen. Investitionen in diesem Feld besitzen also durchaus einen Return on Investment bzw. Return on Prevention!
Die Gesprächspartner
Mag. Ina Lukl IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Michael Leitner Virgin Pulse Mag. Gernot Kampl, MA IEPB – Institut zur Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz GmbH Mag. Michaela Hoefer research team Graz |