Kürzlich wurde ich auf eine Organisation aufmerksam, die sich „Polarstern“ nennt. Sie beschäftigt sich mit der Generation Z, konkreter – oder wie sie es selbst ausdrücken – mit Gen Z Labs und Studien.
Meine Frage: was erwartet sich die Generation Z, welche Auswirkungen hat das auf den Arbeitsmarkt und muss die Generation Z nicht doch auch einen gewaltigen Schritt auf die gegebene Wirtschaft zugehen anstatt zu erwarten, dass der Arbeitsmarkt sich an sie anpasst?
Interview-Partner
Raphael Huber ist Geschäftsführer von Polarstern (hermann gemeinnützige GmbH). Seine größten Stärken sind Neugier und Liebe zum Lernen. Er selbst gehört noch zur Generation Z. Er liebt das Klettern und Bergsteigen und istwahnsinnig davon begeistert, mit Polarstern junge Menschen zu inspirieren.
Interview
Ich bitte Raphael Huber – Geschäftsführer von Polarstern (hermann gemeinnützige GmbH, Foto rechts) – zum Interview.
Welchen Fokus hat Ihre Generation-Z-Studie?
Unser größtes Anliegen ist es, die Generation Z zu unterstützen, indem wir das Wissen über ihre Generation an ihre zukünftigen arbeitgebenden Unternehmen und Führungskräfte weitergeben. So kann diese Generation ihr Potential voll entfalten und ein glückliches und sinnvolles Leben führen. Und natürlich haben auch Unternehmen was von den Erkenntnissen – Win Win Win!
Die Zielgruppe ist die Generation Z und umfasst alle Geburtsjahrgänge ab 1995 bis ca. 2012. Sie sind die jungen Menschen, die gerade frisch auf den Arbeitsmarkt kommen und ihre Karrieren vor kurzem gestartet haben.
Die Fragestellungen sind unterschiedlich, denn wir betrachten die Generation Z aus unterschiedlichen Perspektiven. Einmal haben wir die Generation Z als Kunden und einmal als Arbeitnehmer. Jedes Unternehmen will Mitarbeiter, die von ihrem Job begeistert sind und die sich kreativ einbringen, aber wie schafft man das? Wie begeistert man die Generation Z? Was wünschen sich die jungen Menschen von ihren Arbeitgebern und welche Produkte braucht diese Generation? Wie verstehen sie hierarchische Strukturen und Arbeitskulturen? Und wie kann man diese ansprechend für die Gen Z gestalten?
Auch der weitreichenden Individualität der Gen Z wollen wir näher auf den Grund gehen und diese in Kontrast zu früheren Generationen stellen.
Welche Erwartungen haben Sie an die Studie, die für den Arbeitsmarkt relevant sind?
Wir erwarten ein genaueres Bild von der Generation Z als Kunden und Mitarbeiter. Wir wollen, dass sie als Generation genauer beschrieben werden – dadurch können sich Unternehmen auch besser an sie anpassen.
Vor allem wollen wir genau wissen, was die Generation Z als Herausforderungen empfindet, welche Verhaltensmuster typisch sind, und was sie sich für ihr eigenes Leben wünschen.
Alle diese Ergebnisse sind letztendlich arbeitsmarktrelevant, denn mit diesem Wissen können wir sicherstellen, dass junge Arbeitnehmer ihr volles Potential entfalten können. Klar ist natürlich auch, dass jedes Unternehmen nochmal individuell hinschauen und sich fragen muss – wer sitzt da eigentlich vor mir?
Welche Erwartungen hat die Generation Z konkret?
Eine der überraschendsten Erwartungen ist die langfristige Sicherheit des Arbeitsplatzes. Wir reden hier über eine Generation die die Finanzkrise als Kinder und Jugendliche erlebt haben. Mehr als die Hälfte findet, dass sinnvolles Arbeiten wichtig ist und eine angenehme Atmosphäre im Büro ist wichtiger als ein höheres Gehalt. Wertschätzung und Feedback sind entscheidender als je zuvor wenn es darum geht, ob jemand aus der Gen Z weiter bei der Firma bleibt oder nicht.
Auch wenn es diese typischen Verhaltensmuster und einige essentielle Gemeinsamkeiten gibt: junge Menschen heute sind so individuell wie nie zuvor. Und das authentisch, nicht nur für einen Instagram-Post geheuchelt individuell.
Was ist der größte Unterschied zwischen der Generation Z und ihren Vorgängern, den Millennials?
Der für mich überraschendste Unterschied – aber auch gleichzeitig aus eigener Erfahrung sehr nachvollziehbar – ist der wiederkehrende Wunsch nach einer klassischen Karriere und nach finanzieller Sicherheit und Stabilität. Die Millennials waren da noch risikofreudiger und antiautoritärer ausgeprägt.
Der Umgang mit Vorgesetzten ist auch sehr unterschiedlich. Die Millennials wollen noch einen Visionär als Chef, die Gen Z legt mehr Wert auf Transparenz und Ehrlichkeit. Daher kommt auch ein höherer Bedarf an Feedback, aber auch eine höhere Lernbereitschaft. Extrem wichtig für Unternehmen ist auch mit diesem Feedback richtig umzugehen und einen passenden Raum dafür zu schaffen. Statt jährlichen Mitarbeitergesprächen haben wir zum Beispiel wöchentliche und drei-wöchentliche Meetings etabliert, in denen wir unsere Zusammenarbeit reflektieren.
Auf einer abstrakten Ebene verlieren sich die Millennials, auch Generation Y oder Why genannt, in einem Kampf um Individualität in einer Welt, die nicht auf Individualität ausgerichtet ist. Die Gen Z hat das schon kapiert.
Sind die Unternehmen darauf richtig vorbereitet?
Wenn die Digitalisierung immer noch Teil von strategischen Plänen bis 2025 ist, dann wird es wohl auch noch dauern, bis Unternehmen den Generationenwandel erkennen und nutzen.
Wir haben mit unterschiedliche Firmen und Organisationen gesprochen und sind darauf gekommen, dass einzelne Mitarbeiter die direkt mit der jungen Menschen arbeiten, haben diese Unterschiede gemerkt. Das waren zum Beispiel Recruiting-Chefinnen, Leiter von Programmen für Jugendliche und Angestellten im Marketing.
Das Problem ist, dass der Wandel nicht als wichtig genug wahrgenommen wird und nicht bis in die Führungsebenen vordringt. Langfristig können aber kleine Veränderung, wie zum Beispiel ein neues Auftreten im Employer Branding, die Produktivität in der Firma schnell steigern und damit auch verschiedene Prozesse effizienter gestalten. Auch in Zeiten von agilem Management, Holakratie und Sprint/Scrum bin ich mir nicht sicher, ob die meisten Unternehmen früh genug reagieren können, um diese riesigen Chancen, die die Gen Z bietet, zu nutzen.
Wie kann / soll die Wirtschaft mit der Generation Z umgehen?
Wie bereits beschrieben schätzt die Gen Z Authentizität und Transparenz. Deswegen ist es lebensnotwendig, den Fehler zu vermeiden, den die meisten Unternehmen machen, um junge Menschen zu begeistern: auf Trends aufspringen. Ignorieren Sie Trends, erarbeiten Sie, was Ihr Unternehmen ausmacht und wie man das dann auch noch schön erzählen kann. Mit diesem Kern, für den Sie dann auch hoffentlich brennen, begeistern Sie junge Menschen.
Einer der sichersten Wege, wirklich das Meiste aus der Gen Z herauszuholen und wirklich tolle Sachen zu erreichen, ist junge Menschen zu involvieren. Holen Sie sich junge Menschen ins Boot, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Fragen Sie einen 14-Jährigen, wie er den Job beschreiben würde, den Sie inserieren müssen. Oder laden Sie eine Gruppe von jungen Trendsetterinnen zu einem ihrer Sprint-Meetings ein um wertvolles Feedback zu erhalten. Bei Polarstern involvieren wir junge Menschen in alle Entscheidungsprozesse, von der strategischen Ebene bis hin zur Produktentwicklung. Das wollen wir auch Unternehmen ermöglichen
In wie fern muss sich die Generation Z besser an die Wirtschaft anpassen anstatt zu erwarten, dass die Wirtschaft sich an sie anpasst?
Viele der Charakteristiken der Gen Z sind noch nicht allen bekannt. Nicht jedes Unternehmen wird früh genug begriffen haben, dass man nicht alle jungen Menschen, ob Gen Z oder Y, gleich behandeln sollte. Und genau das muss auch der Gen Z bewusst werden, damit sie auch dort einen Beitrag leisten, wo noch analoge Uhren schlagen. Ältere und jüngere Generationen müssen auf jeden Fall einen Schritt zueinander machen – die Älteren aufgeschlossen und neugierig, die Jüngeren aufklärend und geduldig.
Was hat Polarstern mit dem SOS-Kinderdorf zu tun?
Um junge Menschen außerhalb der klassischen SOS-Zielgruppe zu erreichen, hat SOS-Kinderdorf 2017 einen mutigen Schritt gewagt und ein Tochterunternehmen gegründet, das nicht nur Kinder und Jugendliche maßgeblich an Entscheidungen beteiligen sollte, sondern grundsätzlich einen anderen Weg einschlagen sollte. Deswegen wurden als Gründungsmitglieder auch gezielt Menschen ausgesucht, die keinen Bezug zu SOS hatten. Das waren dann Marlene Zehetner und ich. Bis heute bauen wir auf die Grundlagenfinanzierung und den organisatorischen Support von SOS-Kinderdorf. Aber wir sind in unseren Programmen, Ideen und Gedanken komplett frei.
Dadurch können wir mit Polarstern wirklich diesem Grundgedanken treu bleiben, aber komplett neue Ideen entwickeln. Gezeigt hat sich das schon in unserem ersten offiziellen Meeting mit der Projektbetreuung seitens SOS-Kinderdorf.
Die vorgeschlagenen Ideen und Konzepte haben wir komplett abgelehnt und lieber nochmal genauer bei jungen Menschen direkt nachgefragt: Was fehlt euch? Was braucht ihr? Mit was können wir euch inspirieren? Dadurch sind wir zu dem geworden, was wir heute sind. Ein Social Start-Up, das jungen Menschen ermöglicht stark zu sein, und dabei auch noch die Generationen verbindet.
Weshalb sind diese Unterschiede überhaupt relevant?
Das müssen Sie als Lesende selbst entscheiden. Wollen Sie in 10 Jahren behaupten können, Sie haben den Generationenwandel als Chance genutzt und das Beste für Ihr Unternehmen rausgeholt? Oder wollen Sie mal schauen, was passiert, wenn Sie weitermachen wie bisher?
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