Freizeit ist die neue Währung
Wer sich die besten Köpfe am Arbeitsmarkt angeln möchte, muss seine Köder überdenken: Die anstehende Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation legt das entstehende Loch im Arbeitskräftepool erstmals richtig offen. Und der Tiefpunkt ist noch lange nicht sichtbar. Abgelöst wird die „alte“ Generation von jungen Menschen, die völlig andere Zugänge zu Arbeit und ihrem außerberuflichen Leben haben:
Die neue Generation ist nicht mehr so bereit, Überstunde über Überstunde zu leisten, sondern legt wie keine andere Generation zuvor Wert auf eine ausgewogene Balance aus Arbeit und Freizeit bzw. Familie. Führungskräfte müssen verstehen lernen:
Freizeit ist die neue Währung. Einige Unternehmen haben das bereits erkannt und sichern sich mit entsprechenden Freizeit-statt-Geld-Konzepten den qualifiziertesten Nachwuchs.
Ein neuer Zugang zu Arbeit und Freizeit
Gründe für das Umdenken: Die „Generation Z“, jene nach 1995 Geborenen, haben die wirtschaftlich instabilen Bedingungen ab 2008 vollends mitbekommen. Während sich andere Generationen (vor allem jene, die nun in Pension gehen) vielfach auf ein Wirtschaftswachstum verlassen konnten und sich eine laufende Verbesserung ihres Lebensstandards erarbeiten konnten, ist dies für die Generation Z deutlich unwahrscheinlicher geworden. Entlassungen, Fusionen, Bankenkrise und Co. befeuern die Frage vieler jungen Menschen: Wofür Überstunden machen, wenn damit keine höhere Jobsicherheit und keine bessere Lebensqualität zu erwarten sind?
Dazu lockt heutzutage ein großer Pool an attraktiven Freizeitangeboten, die gar nicht viel kosten müssen und zugleich hervorragend von der wirtschaftlichen Lage ablenken. So kommt es, dass die neue Generationen ihren Selbstwert nicht mehr so stark aus beruflichen Erfolgen generiert, sondern ein Mehr an Freizeit heute zum Statussymbol avanciert.
Für die Möglichkeit über mehr freie Zeit zu verfügen und diese nach eigenem Belieben zu gestalten sind Menschen daher immer häufiger bereit, sich mit weniger Geld zufrieden zu geben. Auch der unbezahlbare Wert einmaliger Erlebnisse wie etwa das Aufwachsen eines Kindes aktiv begleiten zu können, ist der neuen Generation angesichts der unsicheren Karriereperspektiven deutlich bewusster.
Erste Ansätze und Erfolge – Freizeit statt Geld als Modell
Dass der Wunsch nach mehr Freizeit von Arbeitgebern bereits erkannt wird, zeigt sich laufend in Kollektivvertragsverhandlungen, in denen immer öfters solche Modelle zumindest diskutiert werden. Einzelne Kollektivverträge haben tatsächlich Raum geschaffen, per Betriebsvereinbarung jährliche Valorisierungen unter bestimmten Umständen in zusätzliche Freizeit umzuwandeln. Beispiele sind hier etwa der KV der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) oder jener für Bergbau/Stahl oder die Fahrzeugindustrie. Aber auch im Handel gibt es beim 10- und 15-jährigen Dienstjubiläum nun einen freien Tag dazu.
Auch auf Unternehmensebene setzen sich erste Modelle durch: Die Oberösterreichische Online-Marketing-Agentur emagnetix hat bereits per Oktober 2018 die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt. Die Raiffeisen-Leasing etwa bietet seit einiger Zeit das „RL4U Monat“ an, ein einmonatiges Kurz-Sabbatical, das zuletzt sogar die Geschäftsführer in Anspruch genommen haben. Der Baustoffhändler HORNBACH hat eine zusätzliche Urlaubswoche für alle Beschäftigten ab dem zweiten Dienstjahr eingeführt und damit die Anzahl der interessierten Bewerbenden deutlich steigern können. GMS GOURMET bietet eine Umwandlung von Prämien in freie Tage an.
Alternative Konzepte für Freizeit statt Geld
Auch 30- bis 32-Stunden-Wochen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Aber nicht nur unter jungen Menschen sind diese 4-Tage-Wochen beliebt. Auch ältere Beschäftigte finden vielfach in diesen Zeitmodellen große Zufriedenheit. Dazu werden zunehmend auch Lösungen auf kollektivvertraglicher Ebene geschaffen. Im Handel etwa gibt es seit 2019 einen de facto Anspruch, die Arbeitszeit auf 4 Tage zu verteilen sowie auf kontinuierliche Altersteilzeit.
Die demografische Entwicklung im Arbeitskräfte-Pool macht ein Umdenken unumgänglich: Die Kohorten der 60er-Jahre hatten teils eine Größe von etwa 130.000 Geborenen pro Jahr. Ersetzt werden diese derzeit von Kohorten der frühen 2000er-Jahre, welche allesamt unter 80.000 betragen haben. Im Wettbewerb um die wenigen verfügbaren Kräfte sind also neue Attraktionen gefragt. Eine regelmäßige 4-Tage-Woche, zusätzliche Urlaubswochen, das Einarbeiten von Feiertagen oder die Möglichkeit, sich ein paar zusätzliche freie Tage zu „verdienen“ kommen besonders bei den Jungen gut an. Freizeit-statt-Geld-Modelle sollten auch von jenen, die mit anderer Haltung zu Leistung groß geworden sind, als Chance gesehen werden.
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