Langsam füllen sich die Büros wieder nach der Home-Office-Zeit. Nicht alles wird so laufen wie zuvor. Vieles wird einfach besser sein! Wenn man es richtig angeht. In einem raschen Experten-Interview kommen einige Tipps auf den Tisch:
Experten-Interview
Wie können Führungskräfte ihre Teams nach dieser langen Home-Office-Zeit wieder gemeinsam optimistisch und zielstrebig ins Laufen bringen? Bitte um konkrete Tipps:
Veronika Aumaier (Aumaier Consulting Training): Vorrangig gilt, alle inhaltlich und emotional wieder einzusammeln:
- Ein Austausch unter den Teammitgliedern ist anzuregen, der die Lessons learned hebt und gemeinsam betrachten lässt: bspw hat vielleicht der eine oder andere im Home Office eine neue, besser Arte und Weise der Bearbeitung gefunden, Prozesse adaptiert, Aufgaben abgeändert. Dieser Austausch ist essentiell, da wahrscheinlich die aufgabenbezogenen Schnittstellen zwischen den Teammitgliedern neu vereinbart und angepasst werden müssen.
- Und die Einzelnen haben sich weiterentwickelt – es sind neue Vorlieben auch im Verhalten entstanden. Dies braucht einen Abgleich im Team, um nicht von veralteten Verhaltensweisen auszugehen, die keine Gültigkeit mehr haben.
- Ziel sollte sein, gemeinsam mit dem Team alle Veränderungen zu heben und weiterzuführen, die sich aufgrund der massiven Arbeitsirritation ergeben haben. Denn nur so können tatsächlich die Chancen gehoben und die Veränderungspotentiale dauerhaft realisiert werden.
- Für Führungskräfte gilt – kein „zurück an den Start“ wie vor der Krise, im Gegenteil, Sie werden kaum jemanden Ihrer Kollegen oder Teammitglieder auf den „bisherigen Positionen“ finden. Die Krise hatte dann einen ganz besonderen Sinn, wenn sie tatsächlich zur nachhaltigen Weiterentwicklung, zum Anders sein und machen angeregt hat. Diesen Schatz gilt es zu heben und zu bewahren!
Helga Pattart-Drexler (WU Executive Academy):
- Unbedingt eine gemeinsame Rückschau auf die Home Office Zeit um zu überlegen, was wir daraus gelernt haben. Was sind Do’s and Dont’s fürs Team und was hat sich ev. in der Zeit verändert.
- Gemeinsam an den vielen Ideen, die jetzt entstehen, weiterarbeiten und strukturieren. Was soll konkret weiter umgesetzt werden und was wollen wir wieder sein lassen.
- In der Home Office Zeit sind eventuell auch ein paar Meetings ausgefallen oder Arbeitsschritte haben sich erübrigt (wie z.B: das viele Ausdrucken von Zetteln J)- überlegen ob man weiter darauf verzichten kann. Sich nun gemeinsam auf die wesentlichen Dinge konzentrieren – also die Chance nutzen aus der Zeit auch was zu lernen und auszumisten
- Klare Ziele definieren- die müssen eventuell durch die Krise angepasst und neu, transparent kommuniziert werden
- Klar und offen über die finanzielle Situation sprechen. Mitarbeiter verdienen es zu wissen wie es um die Firma steht. Besser klar sein und offen kommunizieren, auch unangenehme Botschaften, anstelle die Mitarbeiter im Dunkeln tappen lassen.
Peter Dziergas (DCA Training):
- Arbeitskräfte virtuell zu führen wird in naher Zukunft zum normalen Arbeitsalltag gehören, parallel zu den Aufgaben und Tätigkeiten in den Unternehmen. Sobald es aber möglich ist, sollte für die Anwesenden wieder auf persönliche Kommunikations- und Teambildungsmethoden zurückgekehrt werden. Dies ist nach langer Zeit ohne diese Optionen erforderlich, um wieder ein produktives Team aufzubauen. Eine Fülle neuer, benutzerfreundlicher Tools, wie Live-Online-Trainings werden dennoch im Arbeitsalltag Einzug halten. Diese sind auch in einer Zeit ohne striktes social-distancing vorteilhaft in das Arbeitsleben im Unternehmen zu integrieren.
- Wenden Sie direktes Coaching an, um inzwischen entwickelte Verhaltenslücken zu schließen. Verwenden Sie unterstützendes Coaching, um persönliches Engagement zu fördern. Stellen Sie, wenn erforderlich, eine kontinuierliche Verbesserung her und gewinnen Sie Kooperation. Nutzen Sie die individuellen Stärken, um Teams auf ein höheres Leistungsniveau zu bringen. Beobachten Sie alle Anzeichen von Unruhe und Verunsicherung und behandeln Sie diese aktiv.
Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting):
- Ein Kaltstart nach Ende der Home-Office-Zeit ist zu vermeiden. Als Führungskraft habe ich die Verantwortung, diese Umstellung vorzubereiten und zu begleiten. Es ist zu analysieren welche Strukturen während der Home-Office-Zeit Nutzen gestiftet haben und nach dieser Zeit weiter bestehen bleiben sollen.
- Die soziale Integration nach dieser Zeit benötigt ausreichend Platz. Hier empfehle ich zum Beispiel einen halbtägigen Workshop im Team zur Reflexion der Home-Office-Zeit, zum Austauschen von Lessons Learned und zum Vereinbaren neuer Spielregeln für die weitere Zusammenarbeit.
Mag. Eva Ayberk (Ayberk.co):
- Geduld und Verständnis in der Anfangszeit
Nach wochenlangem Abstandhalten und wenig persönlichen Kontakten, kann eine gewisse Entfremdung da sein. Geben Sie Ihren Mitarbeitern Zeit, sich langsam wieder an mehr Nähe zu gewöhnen. Wir werden auch beim persönlichen Zusammentreffen die Abstandsregeln einhalten müssen und wahrscheinlich auch im Büro Masken tragen.
Beides erschwert den persönlichen Austausch, weil vor allem die Mimik eingeschränkt ist. Besprechen Sie mit Ihrem Team, was es braucht, um unter diesen Umständen gut arbeiten zu können. Es gilt, einen sicheren Raum zu schaffen. Es muss besprechbar sein, was leistungshemmend und was leistungsfördernd ist unter diesen Umständen. - Vision und Rahmenbedingungen für die neue Zeit
Geben Sie Ihrem Team einen kurzen Ausblick, wie Sie sich die nahe Zukunft vorstellen. Hier geht es um ein ideal gezeichnetes Bild, in dem Sie die Stärken hervorheben, die Sie gemeinsam nutzen können. Auch wenn Herausforderungen warten und ein Zurück zu ganz Normal wohl noch länger dauert, können Sie gemeinsam das Beste daraus machen. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter dieses Bild ergänzen. So fokussiert die Energie auf das positive Machbare.
Vereinbaren Sie nun ebenfalls wieder Arbeitsprinzipien mit Ihren Mitarbeitern. Es ist eine neue Situation, die wir so noch nicht kennen. Da braucht es Rahmen und Orientierung für Ihre Mitarbeiter. Das schafft Sicherheit in einer unsicheren Situation. - Best of Remote mitnehmen
Reflektieren Sie mit Ihrem Team, was sich in der digitalen Zusammenarbeit bewährt hat und was Sie auch jetzt weiter nutzen möchten. So schaffen Sie eine neue Form der Zusammenarbeit. Das gilt auch für die anderen Punkte der Remotearbeit. Regelmäßiges Feedback und effektive Meetings bewähren sich auch in der persönlichen Zusammenarbeit. - Feiern Sie Ihre Wiedervereinigung
Um das neue Wir-Gefühl zu stärken, feiern sie ihre Wiedersehen im Büro. Das muss keine ausgelassene Party sein, sondern ein bewusst gestalteter Neubeginn. Rituale spielen gerade in der jetzigen Situation eine wichtige Rolle. - Lernen Sie mit Komplexität umzugehen
Die Pandemie hat uns gezeigt, dass Führen unter hoher Unsicherheit nicht nur ein reines Schlagwort ist. Auch wenn sich hoffentlich über kurz oder lang, die Situation beruhigt, ist klar, dass wir auch weiterhin hohe Dynamiken erleben werden. Das erfordert eine andere Art der Führung. Oft unter dem Begriff „agil“ zusammengefasst.
Es ist nichts anderes, als Lösungen für Probleme zu suchen, wenn die Ursachen des Problems vorab nicht eindeutig bestimmbar sind. Schrittweises, experimentelles Vorgehen, mehr Entscheidungsfreiheit für Teams und viel Transparenz sind nur einige der Erfolgskriterien in solchen Situationen. Nutzen Sie die jetzige Situation, Ihre Führungskompetenzen entsprechend weiterzuentwickeln. Learning by doing ist gerade jetzt ausdrücklich erlaubt!
Als Schlussworte möchte ich nochmal den Satz von Veronika Aumaier zitieren: Die Krise hatte dann einen ganz besonderen Sinn, wenn sie tatsächlich zur nachhaltigen Weiterentwicklung, zum Anders sein und machen angeregt hat. Diesen Schatz gilt es zu heben und zu bewahren!
In diesem Sinne: viel Erfolg!
Die Gesprächspartner
Helga Pattart-Drexler, MA WU Executive Academy Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER CONSULTING/TRAINING GmbH Peter Dziergas, MBA MSc Dale Carnegie Austria Mag. Eva Ayberk Ayberk.co Mag. Lorenz Gareis Roland Gareis Consulting GmbH |