Wo immer Menschen zusammen kommen, mischt die Gruppendynamik mit. Wer sie kennt und deuten kann, macht sie sich zum Freund. Wir sehen uns an, wie es auf der Ebene der Führungskräfte und Mitarbeiter abläuft und auf der Ebene von Organisationen / Unternehmen.
Heute: das Unternehmen. Den Fokus auf die Mitarbeiter-Führungskräfte-Ebene lenken wir in Kürze.
Experten-Interview
Was bringt es dem Unternehmen, sich mit Gruppendynamik auseinander zu setzen?
Simon Michael Schelkshorn (Teamimpuls): In diesem Zusammenhang ist es interessant, sich mit der umfassenden Studie der Firma KPMG aus dem Jahr 2009 zum Thema Konfliktkosten in Unternehmen auseinander zu setzten. Dabei wurden 4.000 deutsche Industrieunternehmen aller Größen – d.h. mit einer Mitarbeiteranzahl von unter 100 bis über 50.000 – zu Ihren Konfliktkosten befragt. Das Fazit war, dass deutsche Unternehmen – je nach Größe – oft mehrere hunderttausende Euro pro Jahr für Konfliktkosten aufwenden müssen. Die Gründe sind vielseitig und reichen von erhöhter Arbeitszeit für Konfliktbewältigung und Konfliktfolgen, sowie erhöhten Fehlzeiten, bis hin zu steigenden Kosten aufgrund von Krankenständen, Fluktuationen, Abfindungen, etc. Dies würde bei der Durchführung einer solchen Studie in Österreich wohl nicht viel anders aussehen.
Es ist aus meiner Sicht ist es eine ganz wichtige Aufgabe, Gruppendynamik zu erkennen und aktiv mit zu gestalten. Für das Wohl des ganzen Unternehmens, aber auch der Einzelpersonen. Konflikte und damit verbundene Konfliktkosten, wie zuvor beschrieben, können dadurch maßgeblich reduziert werden. Ein starkes Zugehörigkeitsgefühl und eine hohe Identifikation mit dem Team – ein sogenanntes WIR – führen letztendlich auch zu höheren Leistungen. D.h. Gruppendynamik rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren kann dem Unternehmen nicht nur hohe Kosten ersparen, sondern auch zu mehr Erfolg führen.
Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Gruppendynamische Prozesse zu erkennen ist für Führungskräfte interessant: im Topmanagement, um Transformationen von Unternehmenskulturen steuern zu können. Im operativen Führungsumfeld, um teamdynamische Prozesse zu erkennen und auf sie einwirken zu können. Je agiler die Arbeitswelt, umso mehr wirken systemische und teamdynamische Phänomene. In einschlägigen Ausbildungen kann man sich dazu als Führungskraft genügend Wissen aneignen, um rechtzeitig und adäquat Impulse zur Steuerung setzen zu können.
Was noch?
Mag. (FH) Michaela Kreitmayer (Hernstein): Um die Performance im Unternehmen zu verbessern, kann man an unterschiedlichen Stellen ansetzen: beispielsweise bei den Arbeitsprozessen, den individuellen Skills der Mitarbeitenden und den Reibungsverlusten im Zwischenmenschlichen. Dabei geht es nicht darum, dass alle im Unternehmen gleich ticken – nicht um harmonischen Gleichklang. Vielmehr gilt es die Unterschiedlichkeit aller zu erkennen und zu nutzen. Solange das Bild oder der Wunsch nach einem „einheitlichen“ Team vorherrscht, können weder bremsende Konflikte bearbeitet noch beschleunigende, individuelle Potenziale gehoben werden. Beides bleibt nahezu unsichtbar. Wenn Unternehmen diese Dynamiken und Unterschiede sichtbar machen und benennen, können diese auch gemeinsam bearbeitet werden. In der Hernstein Gruppendynamik sagen wir dazu: „Eine Gruppe entwickelt sich an der Bearbeitung ihrer relevanten Unterschiede.“
Mag. Katharina Heger (next level consulting): „Wenn wir Freude am Arbeiten haben, kommt der Erfolg von selber!“ (nach Ernst Ferstl). Erfolgreiche Teams sind kein Zufall. Es bedarf einer wertschätzenden Haltung um gut miteinander zu arbeiten und einer gemeinsamen Vision, die in Ziele herunter gebrochen uns ihr ein Stück näher bringt.
Wir unterstützen dabei die Team & Work Energiebilanz zu maximieren und entwickeln mit Menschen neue Wege der Energiegewinnung.
Woran denken Sie?
Mag. Paul Bischofberger (Team|Manufaktur): Aus meiner Sicht müssen sich Organisationen weniger mit der Dynamik innerhalb einzelner Gruppen bzw. Teams auseinander setzen, das ist dann Aufgabe der jeweiligen Teamleitung. Sehr wohl aber sollten sie sich mit der Dynamik zwischen verschiedenen Gruppen oder Teams innerhalb der Organisation beschäftigen. Hier denke ich zuallererst an den Faktor Zugehörigkeit.
Teams, insbesondere wirklich gut funktionierende Teams, entwickeln ja eine hohe Kohäsionskraft. Das heißt, das einzelne Teammitglied fühlt sich diesem Team stark verbunden und dadurch auch verpflichtet. Entsprechend wird alles (oder zumindest vieles) vermieden, was diese Zughörigkeit gefährden könnte. Beispielsweise einen Standpunkt entgegen der allgemeinen Teammeinung zu vertreten. Das ist per se natürlich auch gar nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil.
Für die Organisation nachteilig kann es an der Stelle werden, wenn Gruppen auf Grund einer hohen Kohäsion so etwas wie Cliquen- oder Inseldenken entwickeln. Das große Ganze gerät dann aus dem Fokus, die Partikularinteressen (auf die ganze Gruppe bezogen) treten in den Vordergrund. Das führt dann mitunter zu einer „Wir gegen die anderen“ Haltung. Auf Abteilungsebene (und damit auf Ebene größerer Gruppen) kennt man das ja ganz gut. In der Gastronomie: Küche gegen Service. In Industrieunternehmen: Entwicklung gegen Sales. Und so gut wie überall: IT gegen alle anderen J Hier wird mitunter enorm viel Zeit, Energie, Aufmerksamkeit und letztlich auch Geld „verbraten“.
Hohe Kohäsion führt oftmals auch zu höherer Leistung (und wenn schon nicht zu höherer Leistung, dann zumindest zu geringerer Fluktuation, die ja auch enorm viel Geld kostet), und Organisationen nutzen diesen Umstand, indem sie durch allerlei Maßnahmen starkes Zugehörigkeitsgefühl fördern. Sie wären aber auch gut beraten, die Kehrseite der Medaille, das Inseldenken zu beachten und zu minimieren. Und das kann nicht dadurch geschehen, dass ich die Kohäsion an sich zu reduzieren versuche, vielmehr muss es gelingen, so etwas wie ein übergeordnetes WIR zu etablieren, das das Gruppen-Wir integrieren kann.
Noch etwas?
Mag. Peter Wiltsche (il Aus- und Weiterbildung): Meiner Meinung nach gibt es sehr viele unterschiedliche Argumente dafür – das hängt auch etwas vom Format und der Zielgruppe ab, mit der gearbeitet wird. Bei Trainings kommt es immer darauf an, mit wem ich arbeite (Führungskräfte, Auszubildende, Mitarbeiter, …). Was hier aber mit jedem trainiert werden kann ist, wie ich aus meiner Rolle heraus den effektivsten Beitrag zur Gruppe leisten kann, in der ich unterwegs bin. Außerdem ist es ein spannender Blick „hinter die Kulissen“ wo man erkennen kann, wieso manche Dinge so ablaufen wie sie es eben tun. Durch gestärktes Verständnis für Prozesse werden unter anderem auch unnötige Reibungspunkte im Team vermindert, die sonst viel Zeit und Energie kosten.
Abseits vom Training – also beispielsweise im Teambuilding oder der Teamentwicklung – liegt der Nutzen an anderer Stelle. Unter anderem drin, dass man sich durch Reflexion aus dem gemeinsamen Erleben auf formelle Regeln des Miteinanders einigen und informelle Regeln und Abläufe (die vielleicht schon länger hier waren) bewusst bekommen kann. Diese Zeit hat man im „Tagesgeschäft“ oft nicht. Das nimmt Konfliktpotenzial heraus und macht die Zusammenarbeit deutlich produktiver. Außerdem ist es meistens eine super lustige Angelegenheit, gemeinsam unterschiedliche Aufgaben gemeinsam zu meistern. Da kommt Spaß zusammen mit der Möglichkeit, gemeinsam Erfolge zu feiern.
Noch mehr Insights?
Mag. David Kupfer, MSc (Wildniszone.at): Aus den Dynamiken entstehen sehr häufig Konflikte, die letzten Endes im Alltag viel Energie kosten. Es wird häufig versucht, die Probleme zu verdecken, was aber nur über eine beschränkte Zeit funktioniert und daher keine sinnvolle Lösung ist. Wird einem Team die Möglichkeit gegeben, die Dynamiken zu erkennen und zu erleben, erfolgt dadurch eine gemeinsame Entwicklung, die einerseits zu besseren Ergebnissen und andererseits zu mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz führt. Nur wenn ich mich in meinem sozialen Umfeld wohlfühle, kann ich auch produktiv Leistung erbringen.
Ganz bewusst habe ich dieses Interview länger werden lassen, denn so hatten wir die Möglichkeit, in die Tiefe zu gehen. Ich danke meinen Interview-Partnern herzlich und freue mich auf die nächste runde wenn es um folgendes Thema geht: „Gruppendynamik | Zwischen Nutzen und Herausforderung„
Die Gesprächspartner
Veronika Aumaier MAS, MSc Aumaier Consulting Training GmbH Mag. (FH) Michaela Kreitmayer Hernstein Institut für Management und Leadership Mag. Katharina Heger next level consulting Paul Bischofberger TEAM|Manufaktur GmbH Simon Michael Schelkshorn Teamimpuls Mag. Peter Wiltsche il Aus- und Weiterbildung GmbH David Kupfer Wildniszone.at |
Ich danke den Interviewpartnern sowohl für ihre Geduld als auch ihre Expertise.