Coaching bedeutet immer Arbeit für den Coachee. Er muss die Veränderung umsetzen. Selbstreflexion ist ein wichtiger Punkt. Wie wichtig dieser tatsächlich ist, möchte ich heute herausfinden.
Zum Experten-Interview lade ich Business-Coaches, die mir genau diese Frage beantworten:
Experten-Interview
Welchen Stellenwert hat Selbstreflexion in Ihrem Business Coaching für Ihre Coachees?
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Im systemischen Coaching geht Reflexion und Selbstreflexion Hand in Hand, so wie der Mensch sich in Beziehung zu etwas und jemanden verhält. Was ist außen (außerhalb von mir), was macht das in Beziehung zu mir, was macht das mit mir? Der umgekehrte Weg ist natürlich auch relevant, d.h. von innen nach außen.
Selbstreflexion im Sinne von prüfenden und vergleichenden Nachdenkens über sich und das eigene Verhalten in bestimmten Situationen/Kontexten ermöglicht ein Erkennen der Selbst- und Wechselwirksamkeit, den Einfluss- und Gestaltungsbereichen bis hin zur Erarbeitung konkreter Strategien und inhaltlicher Gestaltung von anschlussfähigen Lösungen. In einem konstruktivistisch systemischen Methodenansatz wird dies beispielsweise über Unterschiedsarbeit und Zirkularität begleitet.
Schon Einstein hat gesagt: „Ein Problem kann nicht in demselben gelöst werden, in dem es entstanden ist. Es braucht anderes.“ Im Coaching geht es um Dekonstruktion der wenig hilfreichen Problemkonstruktion des Coachee, um Raum für anderes aufzumachen, um daraus eine hilfreichere Konstruktion (als Lösung, bewältigbares Problem, Reframe, …) zu schaffen. Basis für diesen Prozess ist Reflexion und Selbstreflexion des Coachee.
Veronika Aumaier, MAS, MSc (Aumaier & Partner Coaching): Selbstreflexion ist meiner Meinung nach eine der wichtigen Sequenzen in Business Coachings, da sie auf den Anteil fokussiert, den man selbst an der Situation hat: Was denken Sie, tragen Sie dazu bei, dass es so ist, wie es ist? Und die somit erdachten Lösungen bringen den Coachee raus aus der Opferrolle – rein in den Driversitz: denn der eigene Beitrag ist zu 100 % im Zugriff und änderbar. Sei es durch eine geänderte Haltung durch eine neue Sichtweise oder ein neues Verhalten, dass man sich vorgenommen hat.
Welchen noch?
Mag. Klaus Theuretzbacher (INOVATO Unternehmensentwicklung): Reflexion im Sinne von Grübeln und besonders schlau über die eigene Situation zu räsonieren? Das hat für mich eher einen nachrangigen Stellenwert. Denn viele Coachees grübeln eh schon genug. Noch mehr Analyse, noch mehr Reflexion halte ich da eher für hinderlich. Da ist was anderes angesagt: sie durch eine zieldienliche Irritation oder gar Provokation aus ihrem üblichen Denkmuster heraus zu bugsieren. Dann hat Neues eine wirkliche Chance – dann kann auch Reflexion spannend sein, dann kann der Coachee neue Erkenntnisse über sich selbst und seine Wirksamkeit erlangen.
Mag. Ina Lukl (IBG): Da es im reinen Coaching weder um die Unterbreitung von Lösungsvorschlägen, noch um die Vermittlung von Fachwissen geht, ist die Selbstreflexion des Coachees das Um und Auf des Coaching-Prozesses. Um dem Coachee das Erkennen und Erleben neuer Perspektiven, Ideen und Handlungsoptionen zu ermöglichen, biete ich im Coaching systemische Fragetechniken und körperliche Interventionen an. Darüber hinaus ist die Selbstreflexion für das Aufdecken und Nutzbarmachen von Ressourcen unerlässlich und dem Coachee erschließt sich der persönliche Nutzen bisheriger und möglicher zukünftiger Verhaltensweisen und derer potenzieller Wirkungen im Außen.
Nadine Rass (Team golfnadine): Eigenverantwortung für meine Gesundheit lautet das Credo und im ganzheitlichen Sinne erleben die Coachees Dinge, die das Hirn dadurch besser speichert und in stressigen Situationen leichter abrufen kann. Es braucht weniger Notizen und mehr Umsetzung, um den eigenen Kopf zum Handeln zu überzeugen….
Welche Erfahrungen haben Sie noch gemacht?
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Ich glaube, dass ich die Fragen falsch verstanden habe – meine Antwort bezieht sich auf die Coachingausbildung:
Die Teilnehmer bringen stets eigene Themen in die Übungen und Demos ein – nach jeder Übung wird intensiv die Lernerfahrung in den unterschiedlichen Rollen (als Coach – Coachee – Beobachter) reflektiert. Ebenso gibt es Gruppensupervisionen in denen Erfahrungen aus den Peergroups besprochen werden.
Irgendwie verstehe ich die Frage nicht – Coaching dient ja der Selbstreflexion – also hat es höchsten Stellenwert für den Coachee – sämtliche Techniken und Methoden / Fragen dienen dazu, über sich selbst nachzudenken und eigene Lösungen zu finden.
Mag. Steffi Bärmann (FHWien der WKW): Coaching beinhaltet gewissermaßen Selbstreflexion. Viele Coachees haben, bevor sie in ein Coaching kommen, sich bereits mit den zu bearbeitenden Themen auseinandergesetzt. Auf einer kognitiven Ebene wissen sie teilweise auch, was sie tun sollten oder was die Lösung sein könnte. Jedoch scheitert es zum Beispiel an der Komplexität oder der Umsetzung. Hier setzt das Coaching und damit auch die Selbstreflexion an: Was hat das Ganze mit mir zu tun? Was macht das Thema so wichtig für mich? Was ist gut an dem wie es ist, so dass ich in bestimmten Bereichen gar keine Änderung möchte? Wie kommuniziere ich über das Thema – mit mir selbst und mit anderen? … Im Coaching können andere Fragen gestellt werden, als zum Beispiel in einem Seminar. Der Coachee erhält Raum, das Thema zu explorieren und daran nach eigens kreierten Vorgaben zu arbeiten. … Insofern hat die Selbstreflexion einen sehr hohen Stellenwert.
Bei diesem Thema möchte ich gerne noch ein wenig bleiben und schließe noch ein weiteres Interview an, das in Kürze hier erscheinen wird: „Diese Selbstreflexions-Techniken kommen beim Coachee am besten an“.
Business-Coaching | Selbstreflexion für den Coachee
Die Gesprächspartner
Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER & Partner Coaching GmbH Mag. Steffi Bärmann FHWien der WKW Mag. Ina Lukl IBG GmbH Nadine Rass Team golfnadine Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH Mag. Klaus Theuretzbacher INOVATO Unternehmensentwicklung GmbH |
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