Nun sind wir alle in der virtuellen Welt angekommen. Einige von uns gezwungenermaßen, andere richtig glücklich darüber, dass der Beweis geliefert wurde, dass mobiles Arbeiten möglich ist, obwohl von Geschäftsführung und Führungskräften vehement bestritten. Der Wunsch nach Home Office ist hoch wie nie, zeigen Studien. Und Peter Rieder beschreibt in seinem HRweb-Artikel „Home Office: jetzt! – Warum Wankelmut nun abgestraft wird“ ganz klar was es dazu zu berücksichtigen gilt.
Anm.d.Red.: dieser Artikel hatte einige Links zu den erwähnten Tools. Da die Anbieter die Links tw ändern, wäre es zu mühsam, sie laufend zu aktualisieren. Daher: bitte die Tools einfach googlen!
Nun ist es aber auch so, dass viele von uns von heute auf morgen virtuell Teams führen mussten und auch alle Meetings virtuell stattfanden. Ohne viel Hintergrundwissen über die Besonderheiten von virtueller Führung oder virtuellen Meetings. Hier geht es direkt zu den ⇒ Tipps weiter unten.
Mehr zum Thema „Führung nach Corona | Trennung von Leadership-Spreu und Leadership-Weizen“ online hier.
23 Stunden in Meetings – wöchentlich
Studien (http://orgscience.uncc.edu/sites/orgscience.uncc.edu/files/media/Rogelberg%20et%20al.%20-%202007%20-%20The%20science%20and%20fiction%20of%20meetings.pdf) zeigen, dass Meetings in den letzten 50 Jahren an Länge und Häufigkeit zugenommen haben, so dass Führungskräfte durchschnittlich fast 23 Stunden pro Woche in Meetings verbringen. Im Vergleich zu weniger als 10 Stunden in den 1960er Jahren. Und diese Zahl inkludiert nur geplante Meetings. Also nicht jene, welche spontan stattfinden und vielleicht daher nicht einmal im Kalender stehen. Bereits im Jahr 2004 hat Patrick M. Lencioni den Bestseller mit dem Titel „Death by Meeting: A Leadership Fable…About Solving the Most Painful Problem in Business” (Wiley-Verlag) publiziert.
Ganz klar: Meetings sind unerlässlich, um Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation zu ermöglichen. Wir pflegen dadurch Beziehungen mit Kollegen und sorgen für einen guten Informationsaustausch. Viele Vorteile, klar, aber mehr Meetings als wir brauchen haben einen gegenteiligen Effekt!
Zoomed out?
Gerade während den ersten Covid-Monaten hat es einen exorbitanten Anstieg an virtuellen Meetings gegeben. Einerseits versuchten wir dadurch Zusammenhalt zu gewährleisten und andererseits auch in einigen Fällen, um Kontrolle auszuüben.
Ganz klar ist: Es gibt nur eines das noch schlimmer ist als ein schlechtes Meeting: ein schlechtes Online-Meeting!
Daher gilt es jetzt umso mehr, an der Meeting-Kultur zu arbeiten denn je. Die erste wesentliche Frage ist aber immer: „Braucht es dieses Meeting wirklich?“ Oft setzen wir Meetings an, obwohl die Punkte auch einfach per Mail oder Slack diskutiert und entschieden werden könnten. Ein absolutes NO-GO für mich.
⇒ Tipps für virtuelle Meetings
Hier möchte ich einige wesentliche Punkte für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von virtuellen Meetings anführen.
Hier ist ein Entscheidungsbaum, der helfen sollte:
- Werden wir / werde ich über Themen sprechen, bei denen das Team keine andere Rolle hat, als zuzuhören? Bessere Alternative: lieber eine Mail stattdessen!
- Werden wir / werde ich über Themen sprechen, die nur für eine Teilgruppe des Teams relevant sind? Bessere Alternative: ein kleineres Meeting!
- Werden wir / werde ich über Aktualisierungen und Status-Updates sprechen, die nur für eine Person und mich relevant sind? Bessere Alternative: 1:1 Meetings oder shared documents!
Und wenn Sie am Ende wissen, dass das Meeting tatsächlich notwendig ist, nachfolgend einige wesentliche Punkte für die Vorbereitung, Durchführung und Nachverfolgung virtueller Meetings.
1. Vorbereitung
Jedes Team sollte sich auch gut überlegen, welche Grundregeln für den virtuellen Raum gelten. Sind alle meine Teamregeln online anwendbar, bzw. was brauche ich vielleicht noch zusätzlich, damit alle ein gemeinsames Verständnis über die virtuelle Zusammenarbeit haben?
Für jedes virtuelle Meeting erwarte ich mir vorab eine Kalendereinladung mit dem Link zum virtuellen Meeting Room, die Agenda-Punkte direkt in der Kalendereinladung, oder einen Link zu dem jeweiligen Dokument und Klarheit darüber wie viel Zeit jedem Agenda-Punkt gewidmet wird, wer diesen gegebenenfalls moderiert, bzw. was vorab vorzubereiten ist.
Für mich persönlich ist Video- und Audioqualität ganz besonders wichtig, dh wenn ich mit neuen Teams oder Teilnehmern arbeite schicke ich die Anforderung eines Headsets auch des Öfteren vor dem Meeting aus.
Kamera an? Ja, für das Team ist es grundsätzlich gut, weil wir das Gesicht sehen und dadurch mehr Vertrauen entsteht. Ich denke aber auch, dass wir uns bewusst sein müssen, dass einerseits die Internetbandbreite uns da einen Strich durch die Rechnung machen kann. Andererseits hat auch nicht jeder den perfekten Heimarbeitsplatz und könnte sich daher unwohl fühlen alles was so im Hintergrund ist zu teilen. Natürlich gibt es hier in den meisten Tools die Möglichkeit einen virtuellen Hintergrund zu verwenden, mit der Limitation, dass dieser zumeist nicht optimal funktioniert, wenn kein Green Screen vorhanden. Ich persönlich verwende NIE einen virtuellen Hintergrund, außer es handelt sich um Teambuildings, oder sonstige gruppendynamische Übungen.
2. Durchführung
Eine der klaren Regeln sollte auch immer sein, dass alle Teammitglieder auch „wirklich da sind“. Leider haben wir im virtuellen einen Anstieg von anderen Aktivitäten erfahren, welche so gemacht werden (Gavett 2014).
Wir senden Mails, texten mit Freunden/Familie, sind auf Social Media, arbeiten an anderen Projekten, kochen oder machen noch ganz andere Sachen, während wir eigentlich konzentriert in einem Arbeitsmeeting sein sollten. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist in den letzten Jahrzehnten auch konstant gesunken, was es unter Anbetracht der mannigfaltigen Ablenkungen auch nicht leichter macht!
Check-ins nicht vergessen
Ein Phänomen von virtuellen Meetings ist, dass entweder einige durcheinander sprechen, oder es gar eine ganz eigenartige Stille gibt, bis das Meeting eröffnet wird und der erste Agenda-Punkt besprochen wird. Desto größer das Meeting, desto schwieriger – keine Frage. Was passiert aber oft in virtuellen Teams: wir vergessen diese ersten 5 informellen Minuten, welche es zumeist in einem physischen Meeting gibt: der sogenannte Check-in. Ich rate daher zumeist, den Check-In auch als einen Agenda-Punkt mitaufzunehmen. Es gibt viele lustige Varianten, was ich fragen könnte, um ein Stimmungsbild zu erheben, wie es allen so geht. Was macht ihr da so? Was fällt euch ein – bitte nutzt gerne die Kommentarfunktion!
Moderation als Knackpunkt
Für jede Art von virtuellem Event, ob Meeting oder Konferenz: die Moderation macht den Unterschied. Dies bedeutet einerseits, dass die Moderationskompetenzen von der Führungskraft, aber auch jedes einzelnen Teammitgliedes mehr gefragt sind denn je.
Was ist wichtig? Die Zeit im Auge behalten, auch aktiv in die Runde fragen – das Wort weitergeben, zusammenfassen des Gesagten/wichtige Punkte auch im Chat nochmals schreiben, nachhaken, checken, ob auch noch alle dabei sind und der Argumentation/Diskussion folgen. Sehr hilfreich empfinde ich, wenn während einem Meeting eine Person das Protokoll schreibt und den Bildschirm zeitgleich teilt. Manchmal wird sehr schnell gesprochen und eine stichwortartige Mitschrift hat den Vorteil, dass gleich jeder mitlesen kann.
Abwechslung der Sprecher
Für die Dynamik eines virtuellen Events ist es immer gut, wenn es Abwechslung gibt. So auch für Teammeetings. Oft hilft es schon, dass es immer einen anderen Moderator gibt, der die Zeit im Auge behält, auch die Protokollführung kann wechseln. Dadurch hängt nicht immer alles bei der selben Person und auch andere Teammitglieder können sich zB in der virtuellen Moderation üben.
Lautlos, aber nicht stummgeschalten: müssen wir wirklich immer alle auf MUTE sein?
Zu oft schalten wir stumm, wenn wir es nicht sollten, und wir heben die Stummschaltung auf, wenn wir es nicht sollten. Und das saugt das Leben aus unseren virtuellen Meeting. Priva Parker (The Art of Gathering, www.priyaparker.com) hat dazu auch kürzlich geschrieben und damit eine große Diskussion ausgelöst. Ich versuche in meinen kleinen Teammeetings, Trainings, Workshops oder Events immer anzuregen, dass wir alle das Mikrofon eingeschaltet haben. Warum? Macht jemand einen Scherz, so hören wir das Lachen. Sagt jemand etwas und andere bestätigen, hören wir das „Mmhmhm, Ja …“. Das macht virtuelle Interaktionen lebendig und bringt uns wieder näher zusammen. Ich muss aber auch zugeben, dass es hierzu eines Umdenkens bedarf. Ich finde mich dann doch des Öfteren in solchen Meetings, wo ich mich gezwungen sehe jemanden stummzuschalten, weil bspw. jemand in dem Raum kommt und ein Gespräch gestartet wird, welches wiederum unser eigentliches Meeting stört.
Virtuelles Brainstorming: Tools
In den letzten Monaten haben wir uns auch vermehrt mit tools herumgespielt, welche uns Interaktion erlauben, wie bspw. mentimeter, sli.do, kahoot. Viele von uns haben aber auch bereits mehr Erfahrung mit Tools für virtuelle Zusammenarbeit wie Miro, Padlet, oder Mural. Ich muss aber zugeben, dass ich in mehr Meetings war, wo es Probleme mit diesen Tools gegeben hat, als in Meetings wo es gut eingesetzt wurde und zumeist lag das an den Moderatoren selbst. Schon klar, wir alle lernen neue Tools, ich glaube aber auch, dass wir uns jetzt auch die Zeit nehmen sollten, diese Tools von Grund auf gut zu lernen, damit ich ein energiegeladenes Brainstorming moderiere und nicht ein Brainstorming, wo ich bereits am Anfang die Hälfte meiner Teilnehmer verliere, weil der Zugriff oder ähnliches nicht klappt.
3. Nachbereitung
Ich kenne viele Organisationen, in welchen die Protokolle handschriftlich angefertigt werden (ja, auch in virtuellen Meetings), in einem weiteren Schritt digitalisiert werden, dem Vorgesetzten vorgelegt werden und durch einen Freigabeprozess gehen, der wiederum bis zu 2 Monate dauern kann. D.h. oft bekommen wir die Protokolle mit möglichen wichtigen Aufgaben, Entscheidungen erst zu einem Zeitpunkt wo es bereits zu spät sein könnte.
Daher äußerst wichtig aus meiner Sicht: Protokolle werden direkt im Meeting verfasst, am besten auch geteilt, dass man mitlesen kann und jeder hat bereits während dem Meeting auch Zugriff. Abhängig von der Technologie, welche benutzt wird, können direkt in dem Meeting-Protokoll Aufgaben an Personen zugewiesen werden, mit einer Deadline versehen und bestenfalls sogar in dem unternemens-weiten / team-übergreifen Projektmanagement Tool verknüpft werden.
Fazit
Vertrauen in virtuellen Teams ist natürlich ein ganz wesentlicher Aspekt, gut strukturierte und gut durchgeführte Teammeetings tragen dazu natürlich bei. Das Thema im Detail werde ich aber in meinem nächsten Hrweb.at Artikel aufgreifen.
Literatur
Leslie A. Perlow, Constance Noonan Hadley & Eunice Eun (2017): Stop the Meeting Madness, Harvard Business Review July–August 2017 Issue, online: https://hbr.org/2017/07/stop-the-meeting-madness
Steven G. Rogelberg, Cliff Scott and John Kello (2007): The Science and Fiction of Meetings, MIT Sloan Management Review, online: https://sloanreview.mit.edu/article/the-science-and-fiction-of-meetings/
Gretchen Gavett 82014): What People Are Really Doing When They’re on a Conference Call, Harvard Business Review, online: https://hbr.org/2014/08/what-people-are-really-doing-when-theyre-on-a-conference-call
Tipps für virtuelle Teammeetings | Wir haben genug von schlechten virtuellen Meetings!