Welche Faktoren machen Repatriation so wichtig für den Erfolg des gesamten Expatriation-Prozesses? In einem Experten-Interview hinterfragen wir die Zeit der Rückkehr.
Konkretes Beispiel: Ein multikulturelles und internationales Team besteht aus 10 Personen, die in Österreich sitzen plus weiteren 10 Personen, die in Asien, Nord-Amerika und Südafrika tätig sind. Sie sollen 2 Jahre an einem gemeinsamen Projekt arbeiten.
Die Arbeitssprache ist Englisch, der Großteil des Teams ist fachlich sattelfest in dieser Sprache, andere beherrschen Englisch sehr gut als Alltagssprache, nicht jedoch in der fachlich relevanten Richtung. Deutsch ist bei den internationalen Mitarbeitern keine gemeinsame Basis.
Experten-Interview
Wird Repatriation mittlerweile standardisiert als Teil des strukturierten Expat-Prozesses umgesetzt?
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Repatriation als Teil des strukturierten Expat-Prozesses ist heute noch kein Standard. Bei sehr großen globalen Unternehmen wird Repatriation immer häufiger miteinbezogen, vor allem da diese mit globalen Anbietern für Relocation und Expatriate-Betreuung zusammenarbeiten und Repatriation dann im Package enthalten ist. Mittelständische und kleinere international tätige Unternehmen beginnen langsam, ein strategisches Expatriate Management aufzubauen, der Schwerpunkt liegt jedoch meistens auf der Entsende-Vorbereitung. Repatriation wird in den meisten Fällen nicht bedacht.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Internationale Unternehmen mussten oft erst schmerzvolle Erfahrungen machen, wenn bei Projekten das interkulturelle Kno-how fehlte. Dies spiegelte sich in den (negativen) Zahlen wider, aber auch im Verlust von langjährigen, erfahrenen und gut ausgebildeten Mitarbeitern, die das Handtuch warfen, wenn sie unvorbereitet ins Ausland entsandt wurden. Dies hat sich mittlerweile geändert und die Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter vermehrt mit Relocation Trainings bzw. interkulturellen Seminaren, bevor sie internationale Aufgaben übernehmen müssen. Das Bewusstsein über die Problematik bei der Rückkehr dieser Mitarbeiter ist allerdings in den Unternehmen noch nicht so gut entwickelt und daher sind Repatriation Trainings noch nicht durchgehend als Teil des strukturierten Expat-Prozesses standardisiert.
Weshalb ist Repatriation so wichtig?
Matthias Würth (ICUnet Austria): In einem Satz: qualifizierte Mitarbeiter sind, in einer immer globaler werdenden Welt, eine unheimlich wertvolle Wissensquelle im Unternehmen. Das Potenzial der Mitarbeiter ist nochmals höher, wenn sie zusätzliche Erfahrungen im Ausland sammeln. Die Statistiken zeigen eine sehr hohe Quote für Talente, die nach einem Auslandsaufenthalt das Unternehmen verlassen: Der Expat bringt einen Koffer mit wertvollen Kenntnissen und Erfahrungen mit, die den Unternehmen zugutekommen.
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Eine Entsendung ist ein Kreislauf, zu dem Entsendung, Aufenthalt und Rückkehr gehört. Die Rückkehr als Herausforderung für alle Betroffenen wird meistens nicht bedacht, da es schwer fällt sich vorzustellen, dass die Rückkehr in die Heimat schwierig sein könnte. Heimat ist häufig positiv emotional besetzt. Die Vorbereitung auf die Repatriation ist wichtig, da ohne Kenntnis des Entsendeprozesses nicht bekannt ist, dass auch die Rückkehr ein „umgekehrter“ Anpassungsprozess ist, der mehrere Wochen bis Monate dauert und währenddessen die Person häufig eine emotionale Berg- und Talfahrt durchmacht. Eine Vorbereitung darauf kann bewirken, dass diese Phase positiver und aktiver durchlaufen werden kann.
Wer ist verantwortlich für eine erfolgreiche Repatriation?
Matthias Würth (ICUnet Austria). Die zentrale Verantwortung hierzu liegt sicherlich im HR Bereich, die involvierten Führungskräfte sind natürlich für das Gelingen mitentscheidend. Die Grundsätze dazu sollten in der HR Strategie verankert sein (zB Entsendungsrichtlinie), und entsprechend in den Prozessen (zB auch Talent-Development) abgebildet sein. Dies inkludiert die Vorbereitung für die Entsendung selbst und auch ein Programm für die Expats um eine reibungslose (Wieder)Eingliederung im Unternehmen zu gewährleisten. Zusätzlich sollte das Thema Wissenstransfer im Unternehmen stark im Fokus stehen, um genau diese Erfahrungen, die im Ausland gewonnen wurden, bei Kollegen bzw. der gesamten Organisation nutzbar zu machen.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Wie immer sind beide Seiten für den Erfolg verantwortlich: der Mitarbeiter, der seine Erwartungen auf ein realistisches Maß bringen und offen für eine Neuausrichtung sein sollte und der Arbeitgeber, der den Mitarbeiter mit unterstützendem Know-how von Profis die Rückkehr erleichtern sollte.
Ist Repatriation für / aus allen internationalen Regionen gleich wichtig? Bei welchen Regionen ist besonderes Augenmerk darauf zu legen?
Matthias Würth (ICUnet Austria): Kulturen sind verschieden, jedes Land bzw. Region ist einzigartig. Dasselbe gilt auch für jeden Mitarbeiter. Ich würde grundsätzlich sagen, dass in beziehungsorientierten Kulturräumen (vs sachorientiert) dem Thema eine höhere Bedeutung zukommt, da eben Netzwerke und Beziehungen eine zentralere Bedeutung haben. An dieser Stelle wird jedenfalls die Führungskraft eine zentrale Rolle spielen, um einen guten Wiedereinstieg bzw. eine gute Rückkehr zu gewährleisten.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Einen umgekehrten „Kulturschock“ kann man bei der Rückkehr aus jedem/in jedes Land erleiden. Daher ist Repatriation in jedem Fall wichtig. Es geht darum, den Prozess der Rückkehr mit allen Chancen und Herausforderungen zu verstehen und die neugewonnenen internationalen Erfahrungen gewinnbringend einzusetzen, sich dabei aber treu zu bleiben und eine realistische Erwartungshaltung aufzubauen. Natürlich sollte man besonderes Augenmerk auf außereuropäische Kulturen wie z.B. China, Indien, Arabien legen, da die interkulturellen Hürden hier besonders groß sind.
In welchen Regionen noch?
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Natürlich ist es so, dass eine Rückkehr aus einem Land mit großer Kulturdistanz zu Österreich/Deutschland möglicherweise schwieriger ist als eine Rückkehr aus einem europäischen Land. Eine große Kulturdistanz betrifft kulturelle Unterschiede in Wertehaltungen, sozialen Rollen, Zeitverständnis usw., aber auch Aspekte wie Klima, Lebensstandard, Lebensumstände, Lebenshaltungskosten.
Andere Aspekte sind ebenfalls tragend: Die Dauer der Entsendung spielt eine große Rolle. Je länger man weg war, desto schwieriger kann der Wieder-Eingewöhnungsprozess in der Heimat sein, weil man sich sehr an andere Lebensumstände in einem anderen Land und in einem internationalen Umfeld gewöhnt hat. Auch die Motivation beeinflusst diesen Prozess: Hat man die Rückkehr selbst initiiert oder wird sie vom Unternehmen vorgeschrieben? Andere Hintergründe wie die berufliche Weiterentwicklung mitausgereister Partner, schulpflichtige Kinder oder Kinder, die vor Matura oder Abitur stehen, beeinflussen, wie der Rückkehrprozess verläuft. Letztlich auch die persönliche Disposition, wie bewusst man auf den Rückkehrprozess aktiv Einfluss nimmt – durch Inanspruchnahme von Coaching etwa. Daher meine ich, dass es weniger auf die Region ankommt, wo man war, als auf die Gesamtsituation und die Disposition der Betroffenen, in der eine Repatriation stattfindet.
Die Gesprächspartner
Dr. Sabine Weiß Berlitz Austria GmbH Dr. Karin Schreiner Intercultural Know How – Training & Consulting Matthias Würth, MSc ICUnet.AG |