Emotionale Intelligenz soll bei künftigen Coaches ja durchaus hilfreich sein. Sie sollen empathisch sein, emotional stabil, etc etc. Was bitte ist emotionale Intelligenz konkret … wenn man es aus der Sicht von Business-Coaches sieht?
Ein Experten-Interview mit Vertretern von Coaching-Ausbildungen. Sie sollen die Grundlage für künftige Business Coaches schaffen. Ich bin gespannt, wie sie emotionale Intelligenz und Kompetenz fördern.
Experten-Interview
Was verstehen Sie unter emotionaler Intelligenz bei künftigen Coaches?
Michaela Baumgartner (Group Austria): Bachkirova und Cox (2007) haben sich mit der Relevanz einer bewussten und reflektierten Haltung des Coachs bezüglich seiner eigenen Emotionen und den Emotionen des Klienten gegenüber befasst. Sie gehen davon aus, dass emotionsgeladene Coaching-Gespräche die Beziehung zwischen Coach und Klient stärken, aber eben auch schwächen können. Die Emotionale Intelligenz beschreibt die Wahrnehmung, den Ausdruck, die Bedeutungsinterpretation sowie das Management von Emotionen. Die Fähigkeit dieser entsprechenden psychischen Voraussetzungen gilt als entscheidende Ressource eines Coachs.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Die Fähigkeit sich in andere Menschen hinein versetzen zu können, aber auch die Fähigkeit die eigene „Landkarte“ von der Landkarte des Coachees unterscheiden zu können. Im Coaching geht es darum, dass der Coachee seine Lösung findet und diese nicht vom Coach „aufgezwungen“ wird. Also zähle ich auch die Fähigkeit gute Fragen zu stellen zur emotionalen Intelligenz, ebenso wie die Fähigkeit zur Selbstreflexion.
Wie kann diese Emotionale Intelligenz ausgebaut werden?
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult): Unter anderem durch eine systematische Selbstreflexion, warum löst z.B. eine bestimmte Person oder Konstellation gewisse Gefühle und Reaktionen bei mir aus. Zudem durch das gezielte Einholen und Annehmen von Feedback – zum Beispiel durch (Ausbildungs-)Kollegen.
Hilfreich ist es auch, sich ab und an bewusst und gezielt in Milieus mit einem anderen Wertesystem, Lebensstil usw. zu begeben und die dabei gemachten Erfahrungen zu reflektieren. Das erweitert sozusagen den „Horizont“.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO): Aus meiner Sicht ist es am wichtigsten, mit sich selbst zu beginnen und sich dabei bewusst zu werden, was einen ausmacht und wer man sein möchte. Wenn man Sensibilität zu sich selbst entwickelt, kann man das auch nach außen hin nutzen. Die Achtsamkeit als selbstreflexives Wahrnehmen mit dem Ziel der unvoreingenommenen Selbsterfahrung ist ein sehr guter Start. Denn die Achtsamkeit erfordert die Aktivierung des Neurokortex und insbesondere des Sprachzentrums, was das Erkennen und die Benennung auftretender Emotionen ermöglicht.
Wie noch?
Mag. Dagmar Grafeneder (KICK OFF): Neben einer gewissen angeborenen Begabung kann emotionale Intelligenz unserer Meinung nach nur durch intensive Selbstreflexion ausgebaut werden. Nur wenn man sich mit seinen eigenen Schatten auseinandersetzt, mit seinem eigenen Scheitern, erhält man ein Gefühl für die eigene Wirksamkeit und ein Gefühl dafür, was der andere jetzt bräuchte. Um in die passende Haltung zu kommen, sollte man sich intensiv mit den eigenen Werten auseinandersetzen und darüber reflektieren, woher diese kommen, wodurch sie geprägt worden sind und was sie im eigenen Leben bewirken.
Ein emotional intelligenter Coach weiß auch, dass alle Gefühle gut sind.
Obwohl es bei den sechs Grundgefühlen nur ein vermeintlich gutes gibt – nämlich die Freude – sind auch alle anderen Grundgefühle wie Wut, Angst, Trauer, Scham und Ekel gut. Der Coach wird diese als Ressourcen betrachten, die dem Coachee die Kraft geben, Dinge im Leben zu verändern. Emotionale Intelligenz bedeutet für uns letztendlich auch zu erkennen, wann der Coachee im Primärgefühl ist und wann nicht. Primärgefühle nämlich helfen, etwas zu verändern, Sekundärgefühle hingegen stehen der positiven Themenbewältigung im Wege. Emotionale Intelligenz bedeutet letztendlich, diesen wichtigen Unterschied erkennen zu können.
Noch weitere Erfahrungen?
Veronika Aumaier, MSc (Aumaier & Partner Coaching): Übungen, die ins Fühlen führen, steigern die emotionale Intelligenz und Selbstwahrnehmung. Barfuß gehen über verschiedenen Untergrund (Sand, Steine) und ein bewusstes Wahrnehmen und Fühlen, können das Spüren des eigenen Körpers genauso verbessern wie Achtsamkeitsübungen. Fremde Gefühle nehmen wir durch Lesen der Körpersprache wahr. Ein diesbezügliches Training ist herausfordernd und anspruchsvoll, weil gute Empathen viele einzelne Körpersignale – unbewusst – in wenigen Sekunden zu einem Gesamtbild vereinen können. Empathie wird in der frühen Kindheit ausgebildet und ein späteres Nachholen ist nicht ganz einfach, weil jeder individuelle Färbungen in der Körpersprache zeigt. Kulturunterschiede können selbst gute Empathen zu fehlerhaften Annahmen über die Emotionen des Anderen verleiten. Menschen mit mangelhafter Empathie können diese am besten im engen Kreis trainieren, indem sie mit Bezugspersonen vereinbaren, ihnen immer wieder die Frage nach wahrgenommenen Gefühlen zu stellen. Durch wiederholte Versuch-Irrtums-Schleifen kann man Empathie somit zumindest in Bezug auf ausgewählte Personen steigern.
Die Gesprächspartner
Michaela Baumgartner GROUP AUSTRIA – besser leben mit Bildung Miglena Doneva-Doncheff ITO Individuum Team Organisation GmbH Mag. Dagmar Grafeneder KICK OFF Management Consulting GmbH Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER & Partner Coaching GmbH Mag. Sabine Prohaska seminar consult prohaska Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG |
Ich danke sowohl für Ihre Expertise als auch für Ihre Geduld im Interview über Emotionale Intelligenz!
Mein persönlicher Luxus ist es, mitunter auch kontroverse Aussagen im Interview präsentieren zu können. Über den Tellerrand sehen und letztendlich dadurch den Mehrwert generieren. Besonderen Spaß macht es mir, darüber hinaus freche, unerwartete, provokante Blickwinkel dabei zu haben.