Durch die jüngsten Maßnahmen, die steigenden Infektionszahlen und den zweiten Lockdown ist Home Office wieder ein Top Thema. Home Office hat verschiedene Gesichter. Eines davon ist das Phänomen „Working From Anywhere“. Es ist mobiles Arbeiten bzw remotes Arbeiten in einer der extremsten Formen, nämlich ohne Ortsgebundenheit.
Remotes Arbeiten als rechtlicher Graubereich
Immer mehr Arbeitgeber überlegen, ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, ortsungebunden zu arbeiten. Während die klassische Form des Home Office meint, dass ein Mitarbeiter seine Tätigkeit von zu Hause aus, also von einem speziellen bzw. vereinbarten Ort aus ausübt, geht geht mobiles Arbeiten – also „Working From Anywhere“ – viel weiter. Mobiles Arbeiten in der Form von „Working From Anywhere“ bedeutet, dass der Mitarbeiter von jedem beliebigen Ort aus seine Arbeitsleistung erbringen kann. Es ist also kein Home Office, sondern ein Remote Office. Eine gesetzliche Definition oder Umschreibung fehlt für diese spezielle Form des mobilen Arbeitens genauso wie für das klassische Home Office.
Diese neue und weitergehende Form des Home Office bzw. des mobilen Arbeitens stellt alle Beteiligten vor zahlreiche Fragen. Das mobile Arbeiten in einer von jeglichen Ortbezogenheit abgekoppelten Form ist rechtlich nicht geregelt. Es stellt insbesondere aus arbeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht einen Graubereich dar. Der Mitarbeiter als „digital nomad“ ist dem österreichischen Recht fremd.
Remotes Arbeiten: die Einführung von mobilem Arbeiten
Die Einführung und Umsetzung eines remoten Arbeitens bzw. ortsungebundener Telearbeit bedarf sorgfältiger Planung, schriftlicher Vereinbarung(en) und der Einhaltung der (und zwar aller) rechtlichen Rahmenbedingungen. Es gibt mit Ausnahme kleiner Erleichterungen bei der Arbeitszeitaufzeichnung keine Ausnahmebestimmungen für Home Office in der extremen Form von „Working From Anywhere“.
Abseits zahlreicher rechtlicher Themen braucht remotes Arbeiten selbstverständlich auch die Beachtung von organisatorischen und kulturellen Themen zu beachten. Wichtig sind beispielsweise der Kontakt der einzelnen Mitarbeiter untereinander, Regeln für das Abhalten virtueller Meetings etc.
„Working From Anywhere“ bzw Mobiles Arbeiten – Betriebsvereinbarung und/oder Einzelvereinbarung?
Unabhängig davon, ob es sich um Arbeiten im „klassischen“ Home-Office oder um Arbeiten gänzlich losgelöst von einem im Vorab konkretisierten Arbeitsort handelt, ist eine Vereinbarung zu treffen. Sowohl Home Office als auch „Working From Anywhere“ sind grundsätzlich nur im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber möglich. Das gilt für alle Formen des mobilen Arbeitens. Daher bedarf es nach derzeitiger Ansicht jedenfalls einer Einzelvereinbarung.
Weniger klar ist derzeit, ob in Betrieben mit Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zusätzlich abgeschlossen werden muss. Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen.
Jedenfalls muss aber ein Blick in den anwendbaren Kollektivvertrag geworfen werden. Einige Kollektivverträge, wie beispielsweise der IT-KV oder der Metallgewerbe-KV sehen hierzu (auslegungsbedürftige) Regelungen vor. Die extreme Form des „Working From Anywhere“ im Sinne eines völlig ortsungebundenen Arbeitens ist soweit ersichtlich in keinem Kollektivvertrag geregelt (derzeit). Ob daher die Bestimmungen des jeweils anwendbaren Kollektivvertrages zur Telearbeit auch für „Working From Anywhere“ anzuwenden ist, ist noch unklar. Dazu kommt, dass viele Kollektivverträge, wie beispielsweise der Handels-KV, gar keine Sonderbestimmungen zum mobilen Arbeiten enthalten.
Die Entscheidung, ob zusätzlich zur Einzelvereinbarung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden muss, ist daher derzeit auf Einzelfallbasis zu überlegen. Dies hängt auch stark von der konkreten Ausgestaltung von Home Office oder einer anderen Form des mobilen Arbeitens ab.
„Working From Anywhere“ bzw Remotes Arbeiten – Arbeitszeitregelungen gelten
Für die Mitarbeiter mag es verlockend klingen, an egal welchem Ort auf der Welt zu egal welcher Zeit zu arbeiten. Vielleicht im „Quasi-Urlaub“, vielleicht wenn das Wetter schlecht ist, vielleicht wenn die Kinder gerade schlafen und Ruhe ist. So einfach ist diese mobile und „unkontrollierte“ Form des Arbeitens nicht mit derzeitigem österreichischen Arbeitsrecht vereinbar. Die österreichischen Bestimmungen zur Arbeitszeit gelten auch hier. Bei Verstoß kommt es vor allem für Arbeitgeber zu sehr unangenehmen Folgen wie Nachzahlungen, Gerichtsprozessen und/oder Verwaltungsstrafen.
Die konkrete Ausgestaltung, wie diese Arbeitszeitenlisten zu führen und einzureichen sind, sollten bei „Working From Anywhere“ im Vorfeld festgelegt werden.
Vertrauensarbeitszeit ist, wie hinreichend bekannt sein sollte, kein gesetzlich geregeltes bzw. gesetzlich zulässiges Arbeitszeitmodell.
Es empfiehlt sich, den Mitarbeitern beim mobilen Arbeiten, sei es im Home Office oder bei „Working From Anywhere“, einen Leitfaden zur Verfügung zu stellen. Und die Mitarbeiter zu dessen Einhaltung zu verpflichten. Darin sollten die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes sowie arbeitszeitrechtliche Regelungen des Kollektivvertrages beschrieben und erklärt sein.
„Working From Anywhere“ bzw Remotes Arbeiten – „Anwesenheiten“
In der Praxis hat sich bei allem Streben nach Flexibilität gezeigt, dass gewisse Rahmenzeiten, in denen die Mitarbeiter jedenfalls erreichbar bzw. virtuell anwesend sein müssen, sinnvoll sind und festgelegt werden sollten. Dies dient insbesondere dazu, den betrieblichen Ablauf auch trotz Aufenthaltes in gegebenenfalls anderen Zeitzonen aufrecht und reibungslos auszugestalten.
„Working From Anywhere“ bzw mobiles Arbeiten – gesetzliche Anforderungen und Datensicherheit
Auch bei ortungebundenem Arbeiten müssen gewisse Anforderungen an den Arbeitsort des Mitarbeiters gestellt werden. Alleine aus Überlegungen des Arbeitnehmerschutzes und der Datensicherheit. Dazu zählen beispielsweise:
- Der Mitarbeiter bestätigt, dass sich der von ihm jeweils gewählte Arbeitsort bzw. das Home Office in Räumlichkeiten befindet, die nach den geltenden Bauvorschriften und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen für den ständigen Aufenthalt von Personen zugelassen sind, und dass er berechtigt ist, diese Räumlichkeiten zu nutzen.
- Der Mitarbeiter bestätigt, dass sein Arbeitsplatz jederzeit abschließbar ist und dass Dritte keinen unberechtigten Zugriff auf die Arbeitsmittel haben.
- Vertrauliche Informationen, Passwörter und personenbezogene Daten sind so zu schützen, dass Familienangehörige und Dritte keine Einsicht nehmen, diese kopieren oder irgendeiner Nutzung zuführen können.
- Der Mitarbeiter ist selbst dafür verantwortlich, den Arbeitsplatz und die vom Mitarbeiter selbst zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel zu versichern.
- Ein Mitarbeiter hat für das Vorhandensein einer geeigneten Ausstattung wie Tisch, ergonomische Sessel, Ablage und Schrank zu sorgen.
- Der Mitarbeiter muss eine private, sichere Internetverbindung verwenden, deren Übertragungsrate ein effizientes und schnelles Arbeiten ermöglicht.
Home Office und noch viel mehr „Working From Anywhere“ bergen naturgemäß hohe Sicherheitsrisiken für Geschäfts-/Betriebsgeheimnisse und personenbezogene Daten. Der Schutz dieser Informationen muss bestmöglich gewährleistet sein. Empfehlenswert ist daher die Erteilung von konkreten Verhaltensanweisungen zum Schutz der Geschäfts-/Betriebsgeheimnisse und der Datensicherheit sowie technische Maßnahmen.
„Working From Anywhere“ bzw Remotes Arbeiten – Arbeitsmittel und Kostenersatz
In Bezug auf die für mobiles Arbeiten bereitzustellenden Arbeitsmittel bzw. die Tragung der Kosten, die dem Mitarbeiter durch diese Arbeitsform entstehen, gelangen häufig kollektivvertragliche Bestimmungen zur Anwendung. So sehen beispielsweise die Bestimmungen des IT-KV vor, dass der Arbeitgeber die „erforderlichen Arbeitsmittel der Computer- und Kommunikationstechnologie“ für das mobile Arbeiten zur Verfügung stellen muss. Stellt der Arbeitnehmer diese im Einzelfall jedoch selbst zur Verfügung („Bring your own device“), so ist der Aufwand, d.h. die Kosten, zu vergüten. Zudem sind „alle übrigen Auslagen“, die im Zusammenhang mit der Arbeit im Home Office bzw „Anywhere“ entstehen, gegen Belegnachweis zu erstatten. Alternativ kann auch ein Pauschalbetrag vereinbart werden. Es ist auch denkbar, Überzahlungen gegenüber dem Mindestlohn gemäß Kollektivvertrag u.a. als Entschädigung für die Arbeit von überall her anfallende Kosten zu widmen.
„Working From Anywhere“ bzw Remotes Arbeiten – Definition Dienstort und Reisezeiten bzw. Reisekosten
Eine weitere wichtige Thematik im Zusammenhang mit Home Office und „Working From Anywhere“ ist die genaue Definition eines oder mehrere Dienstorte sowie Reisezeiten und Reisekosten, wenn der Mitarbeiter doch hin und wieder zum Betriebsstandort oder einem anderen Standort kommen soll oder muss. Die Definition des Dienstortes (mehrere Dienstorte können vereinbart werden) ist einer der Knackpunkte beim Modell „„Working From Anywhere“.
Zusammenfassung – Vorsicht vor unüberlegten Handlungen ohne Agenda und Vereinbarung
Birgt das klassige Home Office schon zahlreiche rechtliche Fallstricke und Herausforderungen, die bereits im Vorfeld durch Vereinbarungen möglichst geklärt werden sollten, so ist das ortsungebundene mobile Arbeiten, das „Working From Anywhere“ rechtlich und organisatorisch nochmals komplexer. Den Mitarbeitern daher „einfach so zwischendurch“ zu ermöglichen, den Urlaub zu verlängern oder egal von wo und egal wann zu arbeiten, ist daher, wenn gut gemeint, nicht empfehlenswert und kann sich teuer bezahlt machen. Die oben genannten und viele weitere Aspekte müssen vorher überlegt, geklärt und geregelt werden.
Remotes Arbeiten & Arbeitsrecht | Mobiles Arbeiten als Arbeitsmodell der Zukunft?