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Führen (unfreiwillig) virtueller Teams

25Mrz2021
6 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Führungskräfte und Team-Mitglieder, die sich aktiv für Zusammenarbeiten in virtuellen Teams entschieden haben, taten es bewusst.

Führungskräfte und Team-Mitglieder, die kurzfristig ins Home Office geschickt werden (eh klar: covid-bedingt), sind oft unvorbereitet in diese Situation gestolpert. Virtuelle Teams als unfreiwillige Herausforderung für Führungskräfte und Teams.

Experten-Interview

Selbst wenn wir mittlerweile mehr als genug Zeit gehabt haben sollten, uns mit dieser Home-Office-situation abzufinden, so war die Entscheidung zur virtuellen Zusammenarbeit nicht (immer) selbstbestimmt und gewollt. Führungskräfte und Teams sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass ein erhebliches Maß an Selbstdisziplin und Eigenmotivation gefordert wird. Gepaart mit der Notwendigkeit Struktur zu finden, Prioritäten zu setzen und Themen wie Vertrauen, Kontrollverlust, Freiheiten, minimierte Sozialkontakte. Plus … viel viel viel mehr.

In einem Interview beleuchte ich unterschiedliche Aspekte und hole mir Tipps:

Was macht den grundlegenden Unterschied in der Führungsarbeit aus, wenn das gesamte Team relativ abrupt ins Home Office wechselt?

Mag. Petra Koinig (ITO): Social Distancing veränderte das Arbeitsleben 2020 abrupt. Soziale Kontakte mussten reduziert werden. Besprechungen von Angesicht zu Angesicht fanden immer weniger statt. Dennoch sollten Aufträge und Projekte von Teams im Home Office weiter verfolgt und umgesetzt werden. Damit dies mit Freude und hoher Motivation der Teammitglieder gelingen konnte, mussten sich Führungskräfte verstärkt mit dem Thema Führung und Kooperation virtueller Teams auseinandersetzen. Verglichen mit der Arbeit im herkömmlichen Office Alltag erfordern online Meetings eine sehr fokussierte Art der Kommunikation und Informationsweitergabe. Darüber hinaus ist es essenziell, auch über Distanz Vertrauen und Zusammengehörigkeit im Team zu ermöglichen und zu fördern. Dies erfordert ein Umdenken im Unternehmen, ein Umdenken der Mitarbeiter und vor allem ein Umdenken der Führungskräfte virtueller Teams.

Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting): Das Setting in den virtuellen Raum hat bei Führungskräften gefühlt mehr Irritation ausgelöst als auf der Ebene der Mitarbeiter. Hier musste durchaus intensiv an Glaubenssätzen und technischen Hürden gearbeitet werden. Das hat auch zu einem erhöhten Reflexionsbedarf geführt – das war spannend! In Bezug auf die Führungskompetenzen sehe ich wachsenden Bedarf danach Emotionen Raum zu geben und psychologische Sicherheit in Teams zu sichern, ohne ins „Esoterische“ abzudriften, wie das eine Führungskraft formuliert hat.

Worin liegen die häufigsten Fehler/Stolpersteine in der virtuellen Führung?

Mag. Petra Koinig (ITO): Da der kurze, informelle Austausch in der Kaffeeküche oder vor einem Meeting in Präsenz wegfällt, steigt der Bedarf an Information und Transparenz. Dies führt häufig zu einem subjektiv empfundenen Informationsdefizit oder -overload der Teammitglieder. Die Herausforderung an Führungskräfte ist es, die Balance zu finden und eine Struktur aufzubauen, die die Anspruchsgruppen von Informationen in ihren Bedürfnissen abholt.
Videokonferenzen sind in manchen Unternehmen kulturell nicht verankert. Dies führt bisweilen dazu, dass die technischen Möglichkeiten nicht genutzt werden. Führungskräfte müssen hier als Vorbild fungieren und neue Akzente schaffen. Gleichzeitig ersetzen ein virtueller Jour Fix oder virtuelle Kooperationstools das 4-Augen Gespräch nicht. In Phasen des verstärkten Home Office geht es auch darum, den persönlichen Kontakt zu den einzelnen Mitarbeitern zu halten, das Einzelgespräch regelmäßig zu suchen und Zeit für Austausch zu schenken.

Wie erkennt eine Führungskraft Überlastung bei Mitarbeitern die überwiegend und für längere Zeit im Home Office tätig sind?

Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc (ESBA): Je mehr sie Kontakt mit ihren Mitarbeitern über unterschiedlichste Kanäle pflegen, desto besser. Damit erhalten sie einen Eindruck, auch wenn er nur virtuell oder übers Telefon ist.
Führungskräfte sollten bei Warnsignalen hellhörig werden wie:
Konzentrationsvermögen, Fehlerhäufigkeit, Einhalten von Deadlines oder ewiges Verschieben, Gereiztheit bei Kleinigkeiten, Fokussierungslevel, Stressbelastbarkeit (ungeduldig, mürrisch, lonely decisions, keine Absprache mit anderen) Erzählungen über Schlafbedürfnis oder -qualität (nutzen sie auch informelle Räume um Freizeitaktivitäten mit Mitarbeitern auszutauschen) Wie aufmerksam ist jmd in Meetings? Absagehäufigkeit von Meetings. Gehäufte Erkältungserkrankungen, Zeitaufzeichnungen (überlanges Arbeiten), Ergebnisqualität etc.

Welche Führungskompetenz wird in Zukunft nötig sein?

Franz Dinhobl (KICK OFF): Führungskräfte müssen zukünftig eine Verbindung zwischen Innovation und Integration schaffen. Die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen brauchen sowohl die Integration der Vergangenheit als auch die Innovation für die Zukunft. Daraus ergibt sich ein neuer Managementansatz, den „innogrativen“ Leadership – eine Verbindung von Integration und Innovation. Führungskräfte müssen lernen und akzeptieren, dass es ohne Würdigung der Vergangenheit keine innovative Zukunft geben kann. Dies gilt im Besonderen während und nach einer Pandemie. Dazu braucht es systemisches Grundwissen und soziale Kompetenz.

Petra Schulte (USP-D):  Vertrauensarbeit ist im virtuellen Raum, ohne den direkten Zugriff auf die etablierten Kommunikationsräume besonders wichtig. Verstecke ich mich als Führungskraft hinter der ausgeschalteten Kamera oder vor einem virtuellen Hintergrund, mache ich mich wenig greifbar. Doch gerade die „neue“ Führung setzt auf Greifbarkeit, Individualität, Authentizität.

Wie kann eine Führungskraft wirklich Kontakt zu den Team-Mitgliedern im Home Office halten?

Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc (ESBA): Da gibt es eine ganze Menge:

  • Fragen Sie aktiv nach dem Befinden Ihrer Mitarbeiter. Scheuen Sie sich nicht, dass Sie ihnen zu nahe treten, so viel Nähe können Sie virtuell gar nicht schaffen.
  • Überlegen Sie, welche Mitarbeiterstruktur habe ich – vermehrt Singles und Alleinlebende, Familien, Paare? Je nachdem sind auch die Anforderungen der Menschen in der Pandemie im Homeoffice unterschiedlich.
  • Wer allein wohnt, fühlt sich vielleicht sozial isoliert, was auch zu einer psychischen Bedrohung führen kann. Bei Bürorochaden besonders berücksichtigen, da manche Familien oft froh sind, dass sie derzeit nicht ins Büro müssen, da das Familienmanagement sonst unerträglich wäre. Bleiben Sie im Kontakt, wie das momentane Bedürfnis sich da jeweilig gestaltet.
  • Fragen Sie nach wie der Workload ist, wie sie ihren Tag strukturieren, wieviel Pausen sie machen, ob sie genügend trinken und essen (viele vergessen das! v.a. die Pausen). Legen Sie Walk & Talks ein. Animieren Sie ihre Mitarbeiter, Besprechungen im Gehen abzuhalten. Vieles muss nicht via Telekommunikation koordiniert werden. Manchmal reicht auch das gute alte Telefon. Bei one2ones animieren Sie Ihr Gegenüber, mit ihm eine Runde um den Häuserblock zu marschieren – Sie in ihrer Wohngegend, Ihre Mitarbeiter bei sich zu Hause.
  • Leben Sie es vor. Schalten Sie bei konzentriertem Arbeiten ihre Devices, die sie nicht benötigen ab oder auf lautlos. Immerwährende Unterbrechungen blockieren fokussiertes Arbeiten. Die Folge: Menschen sind unzufrieden mit dem Outcome, weniger motiviert und fühlen sich gestresst. Erinnern Sie auch aktiv Ihre Leute daran, viele vergessen es leider immer wieder.
  • Sie sollten Coaching-like Führen. Stellen Sie mehr Fragen als Anweisungen zu geben, damit erhalten Sie einen Eindruck wie es um Ihre Leute bestellt ist. Damit schaffen Sie Vertrauen, und Ihre Mitarbeiter trauen sich dann auch bei Erschöpfungszeichen bereits frühzeitig Rückmeldung zu geben. Je früher Sie davon erfahren, desto leichter ist Entlastung zu schaffen und einem totalen Ausbrennen vorzubeugen. Sie können davon ausgehen, dass in einer Pandemie jeder in der einen oder anderen Form Belastungen erlebt. Das Resilienzniveau diesbezüglich ist jedoch sehr unterschiedlich.
Führen (unfreiwillig) virtueller Teams

Die Gesprächspartner


Franz Dinhobl, Kick OffFranz Dinhobl
Geschäftsführer

KICK OFF Management Consulting GmbH

www.kick-off.com


Lisa Tomaschek-Habrina, ESBADr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc
Ltg. Department Burnoutprävention & Mentale Stärke

E.S.B.A- European Systemic Business Academy

www.esba.eu


Petra Koinig, ITOMag. Petra Koinig
Trainerin, Consultant, Coach

ITO Individuum Team Organisation GmbH

www.ito.co.at


Lorenz GareisMag. Lorenz Gareis
Managing Director

Roland  Gareis Consulting GmbH


Petra Schulte, USP-DPetra Schulte

USP-D Consulting GmbH

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