Fremdsprachen würde man lieber face-to-face lernen anstatt virtuell? Manchmal – wie eben 2020 – ist das nicht möglich. Wie haben die Sprach-Anbieter darauf reagiert?
Klar, sie verlegten ihre Trainings in den virtuellen Raum. Ich erfahre im Experten-Interview, wie sie tatsächlich vorgingen und auch, worauf man beim Umstieg von real auf virtuell besonders achten muss.
Experten-Interview
Wie haben Sie Ihr Fremdsprachen-Training in den letzten Monaten – während Covid – umgesetzt?
Mark Heather (MHC Business Language Training): Das Fremdsprachentraining haben wir in dieser herausfordernden Zeit natürlich virtuell umgesetzt. Da wir seit bereits fünf Jahren im Bereich virtuelles Sprachtraining tätig sind, war die Umstellung vom Präsenzunterricht auf Online Training sehr einfach und unkompliziert. Wir verwenden die Kombination aus unserer GO! Plattform, die die Lernmaterialien, Grammatikleitfäden, Aussprachebögen, Flashcards und vieles mehr enthält.
Mag. Walter Grubanovitz (Mind&more): Im Prinzip ging das face-to-face-Sprachtraining von Beginn der Corona-Pandemie an nahtlos in ein virtuelles Training über. Der Großteil unserer Kunden konnte sich sehr rasch mit dem online-Training via Zoom, Teams oder einer anderen Plattform anfreunden. Positiv wird vor allem die gesteigerte Effizienz des Sprachtrainings hervorgehoben – ein klar definierter zeitlicher Rahmen, hochkonzentrierte Teilnehmer, keine Anfahrtswege, alle Materialien sofort zur Ansicht teilbar.
Ein nicht außer Acht zu lassender Plusfaktor ist die zeitliche Flexibilität. Aufgrund fehlender Fahrtzeiten kann der Trainer ein größeres Spektrum an Tages- und Abendterminen für ein Training – auch sehr spontan – anbieten. Genauso profitieren alle von der örtlichen Flexibilität. Das kommt vielen Teilnehmerwünschen sehr entgegen.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz): So wie das Corona Virus den Alltag aller Menschen weltweit geändert hat, hat es auch das Fremdsprachen Training bei Berlitz verändert. Da wir den Unterricht im Virtuellen Klassenzimmer schon seit 20 Jahren anbieten, war der Schock im März 2020 nicht so groß und viele Unterrichtsstunden konnten sofort 1:1 von face to face auf Unterricht übers Internet umgestellt werden. Auch der Einsatz von e.Learning Programmen hat bei Berlitz eine lange Tradition. Allerdings haben wir im Laufe der Corona Pandemie und aufgrund der Nachfrage das Portfolio besonders bei Hybrid Lösungen beträchtlich erweitert. So können Kunden mit e-Learning nicht nur im Selbststudium Vokabular und Grammatik erarbeiten, sondern die Kenntnisse auch durch den Einstieg in Konversationsklassen und den Live Unterricht mit muttersprachlichen Trainern anwenden bzw. aktivieren und alles flexibel, auf Distanz und daher „ungefährlich“.
Da eine Großteil der Berufstätigen vom Home Office aus arbeitet, findet auch der firmeninterne Unterricht in Gruppen vermehrt virtuell statt und hat sich mittlerweile so eingespielt, dass viele auch nach der Krise im Distance Learning weitermachen möchten, da sie sich damit Zeit ersparen und örtlich flexibler sind.
Andere wieder möchten ihr Training im Präsenzunterricht nicht missen und können dies im Moment auch wieder vor Ort durchführen. Die Entwicklung zeigt, dass es in Zukunft ein Nebeneinander von Online- und Präsenztraining geben wird.
Mag. Alexander Koran (The Language Company): 9o% online, skype oder team. Tendenz steigend.
Mag. Kerstin Keuschnig (SPIDI): Während der Lockdown Phase sind die Trainings auf ein virtuelles Format umgestellt worden oder sie wurden pausiert. Wichtig dabei war, ob die Teilnehmenden digital in ihrem Beruf arbeiten. Deutschkurse mit so genannten „Systemerhaltenden“ zB in der Pflege mussten wir natürlich unterbrechen, da diese Kursteilnehmenden überfordert gewesen wären.
Alle anderen Teilnehmenden wurden zur Bereitschaft und Offenheit, Kurse virtuell durchzuführen, hingeführt. Hätten sie die Wahl gehabt, wäre Face-to-Face bevorzugt worden, das wurde uns rückgemeldet. Jetzt ist es gelebte Praxis und virtuelle Folgetrainings werden gerne gebucht. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, digital zu lernen und die Kompetenz diesbezüglich ist stark gestiegen.
Was ist bei virtuellem Fremdsprachen-Training zu beachten?
Dr. Sabine Weiß (Berlitz): Virtuelles Sprachtraining bietet natürlich den Vorteil der räumlichen und zeitlichen Flexibilität. Durch die fortschreitende Digitalisierung stellen die technischen Vorgaben auch keine Herausforderungen mehr dar. Allerdings findet eine andere Form der Kommunikation statt, der persönliche/soziale Austausch funktioniert digital anders.
Am Bildschirm ist noch ein Quantum mehr an Konzentration notwendig, daher kann digitaler Unterricht anstrengend werden, wenn er zu lange dauert. Intensivprogramme sind auf diese Art eine Herausforderung.
Mag. Alexander Koran (The Language Company): gutes Mikro, gute Auflösung, sauberer Hintergrund (Raum), hohe Konzentration des Trainers.
Mag. Kerstin Keuschnig (SPIDI): Wir haben gerade mit allen bei SPIDI Trainierenden eine Feedbackrunde durchgeführt. Ausschlaggebend für ein erfolgreiches virtuelles Training ist die digitale Kompetenz der Trainierenden. Mittlerweile sind alle mit allen Tools vertraut und sehr kompetent. Durch das Beherrschen unterschiedlicher Instrumente und die Sicherheit in der Anwendung ist es möglich, verstärkt auf die Beziehungsqualität zu und mit den Teilnehmenden zu achten, die in unseren Trainings einen großen Erfolgsfaktor darstellen.
Drei Säulen sind für unsere Teilnehmenden und für uns im Unternehmen immer wesentlich:
- Die Vermittlungskompetenz der Lehrenden in der jeweiligen Fremdsprache: es reicht nicht, wenn eine Sprache perfekt beherrscht wird und in der Theorie die Vermittlung gelernt wurde. Es braucht ein starkes Gespür, das die Teilnehmenden in der jeweiligen Situation brauchen und wie ich hier als Trainierende – manchmal auch sehr spontan – sofort die optimale Wirkung erzielen kann.
- Die Beherrschung von Instrumenten und Methoden und das Wissen über Wirkfaktoren in der Anwendung: dazu gehören jetzt noch mehr die digitalen Formen und Methoden.
- Die Beziehungsqualität im Training und darüber hinaus; dazu gehört im digitalen Format noch mehr: bestärken, motivieren, Freude am Lernen aktivieren, am Ball bleiben, das „wozu“ ins Zentrum rücken – für jeden einzelnen Teilnehmenden
Daher hat sich der Qualitätsunterschied zwischen virtuellem Training und einem Face-to-Face Training sehr minimiert. Wir sind überzeugt, dass sich ohne die Pandemie der Trainingsbereich nie so schnell digitalisiert hätte – das hat uns alle für die Zukunft vorbereitet.
Mark Heather (MHC Business Language Training): Beim virtuellen Fremdsprachentraining ist natürlich eine stabile Internetverbindung, eine Kamera und ein Mikrofon sowohl für den Teilnehmer als auch für den Trainer entscheidend. Die Möglichkeit, sich während des Unterrichts gegenseitig zu sehen, ist unerlässlich. So wird eine Beziehung aufgebaut und der Trainer kann besser verstehen, was der Schüler braucht. Der Trainer sollte auch Inhalte mit dem Kursteilnehmern teilen, damit dieser sie in Echtzeit über die Bildschirmfreigabe sehen kann, daher ist ein größerer Bildschirm vorzuziehen. Es wird sonst zu viel Zeit verschwendet.
Unsere Trainer teilen ihre Bildschirme und liefern Inhalte in Echtzeit, damit sich die Schüler entspannen und den Unterricht genießen können.
Die Verringerung der Ängste der Kursteilnehmer, falls sich diese online weniger wohl fühlen, ist ein weiteres wichtiges Anliegen, das man ernst nehmen sollte.
Mag. Walter Grubanovitz (Mind&more): Die Vorbereitung der im Unterricht verwendeten Materialien unterscheidet sich vom Präsenzunterricht. Klassische Lehrbücher werden durch digitalisiertes Lehrmaterial ersetzt. Die Teilnehmer müssen zeitgerecht alle Unterlagen erhalten bzw. darauf zugreifen können. Um bei größeren Gruppen Dialoge zu üben, kann man Teilnehmer praktischerweise zur Vorbereitung in die sogenannten „Break-out-Rooms“ schicken. Akustische- und Verständnisschwierigkeiten können aus unterschiedlichen Gründen (z.B. technisch bedingt) virtuell verstärkt auftreten. Auch darauf muss der Trainer konkret eingehen, Sätze öfter wiederholen und in entsprechender Geschwindigkeit kommunizieren.
Auch die Technik ist immer wieder eine Herausforderung für Teilnehmer und Trainer. Schlechte Internetverbindungen durch Überlastung kommen immer wieder vor. Das erfordert neben einem technischen Basis-Knowhow vor allem Geduld für die Beteiligten.
Die Gesprächspartner
Mag. Walter Grubanovitz mind & more Sprachtraining Mark Heather MHC Business Language Training GmbH Dr. Sabine Weiß Berlitz Austria GmbH Mag. Kerstin Keuschnig SPIDI Friedl & Partner Mag. Alexander Koran The Language Company Sprachinstitut GmbH |