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Agilität – Notwendigkeit oder Übel? 6 Schritte

08Apr2021
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Seit ein paar Jahren wird vor allem in großen und mittleren Unternehmen über ein Phänomen gesprochen, das unvermeidlich zu sein scheint. In der obersten Managementebene ist die sogenannte „Agilität“ meist nur als Gesprächsthema zu beobachten, dem man zeitweise viel Aufmerksamkeit widmet. Die große Frage ist jedoch, ob auch tatsächlich entschieden wird, diese im Unternehmen umzusetzen.

Autor: Prof. (FH) Dr. Richard Pircher

 

Ist dies der Fall, sieht man sich oftmals mit folgendem Problem konfrontiert: Führungskräfte und MitarbeiterInnen wissen nicht mehr, was und wie sie anordnen sollen bzw. umsetzen dürfen. Regeln widersprechen einander, weil sowohl das Neue bereits gilt als auch das Alte noch Bedeutung hat. Neue agile Verhaltensweisen können nicht ausreichend in ihrer Sinnhaftigkeit erarbeitet und eingeübt werden, weshalb man häufig die gewohnten, nicht-agilen Handlungsmuster weiter abspult.

Chaos oder Chance?

An sich bietet Agilität enorme Chancen für die Entwicklung von Organisationen und MitarbeiterInnen in Unternehmen jeglicher Größe und Branche. Entscheidend ist, was man unter Agilität versteht und wie man die Rolle der Menschen und Unternehmenskultur dabei einschätzt. Agilität ist keine Methode, sondern ein Mindshift. Die Art der Zusammenarbeit ändert sich grundlegend, wenn diese richtig verstanden und ernst genommen wird.

Der Hauptgrund dafür, dass agile Formen der Zusammenarbeit nicht selten zu einer Art Krankheit mutieren können, liegt darin, dass man sich nicht bewusst ist, was Agilität wirklich bedeutet. Es ist keine Methode, die man erlernt, einführt und sich danach zertifiziert und Ende. Es handelt sich um einen tiefgreifenden Transformationsprozess, durch den Entscheidungs- und Machtstrukturen substanziell verändert werden. Entscheidend ist, ob durch neue Regeln und Strukturen auch die Haltung und Kultur der Zusammenarbeit verändert werden. Es gibt auch nicht die „eine“ Agilität, sondern viele verschiedene Ausprägungen davon: Spricht man ausschließlich über agiles Vorgehen zu Projektabwicklung oder über agile Organisationsgestaltung? Welchen Ansatz beziehungsweise welches „Betriebssystem“ wählt man und warum? Entscheidend dabei sollte sein, das eigene Unternehmen in Hinblick auf Status Quo und Ziele zu analysieren. Darauf aufbauend kann man sich die Vor- und Nachteile des jeweiligen Ansatzes ansehen und eine qualifizierte Wahl und Vorgehensweise planen.

Eine weitere Ursache dafür, dass aus einem Potentialerwecker ein Problem werden kann, liegt darin, dass sowohl mittleres Management als auch MitarbeiterInnen damit alleine gelassen werden, sobald der Virus verstreut wurde. Neues wird gefordert, der notwendige Kompetenzaufbau und Unterstützung für den Shift und Kulturwandel allerdings vernachlässigt. Gleichzeitig bleiben die alten Machtstrukturen bestehen. Das daraus resultierende „Mischmasch“ löst Verwirrung und Frust anstatt zusätzlicher Produktivität und Entwicklung aus.

Schritt für Schritt zu wirklicher Agilität

Zusammenfassend sind es folgende Fragestellungen und Schlussfolgerungen, mit denen man sich auseinandersetzen sollte, um sich gegen die unerwünschten Nebenwirkungen scheinbarer „Agilität“ zu impfen und durch tatsächliche Agilität die Entwicklungs- und Wettbewerbskraft anzutreiben:

6 Schritte

Schritt 1: Will sich das Management wirklich mit grundlegend neuen Formen der Zusammenarbeit beschäftigen, eigene Erfahrungen sammeln und Verhaltensweisen erlernen, um dem Unternehmen neue Dimensionen von Kundenorientierung, Effektivität, Motivation und Innovation zugänglich zu machen?

Schritt 2: Sieht man in den MitarbeiterInnen Menschen mit unbekannten Entwicklungspotentialen, denen man Raum für Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme geben will? Erweckt man nur einige der versteckten „Intrapreneure“ zur Aktivität, mobilisiert das unglaubliche Energie für das gesamte Unternehmen.

Schritt 3: Das Management kann über Agilität nur qualifiziert entscheiden, wenn es sie selbst erlebt und gespürt hat. Auch das (oberste) Management braucht einen fundierten Überblick zu den Optionen für eine agile Transformation. Das ist nur durch persönliche Anwendung und Simulation möglich.

Schritt 4: Für Management und MitarbeiterInnen bedeutet Agilität einen grundlegenden Mindshift und tägliche Verhaltensänderung – nicht die x-te Umstrukturierung. Vor allem bringt es meist auch eine Neudefinition des Selbstverständnisses bei beiden Seiten mit sich:
Wer bin ich noch, wenn ich nicht mehr anordnen und disziplinieren kann?
Darf ich wirklich entscheiden und was ist, wenn es dann nicht klappt?
Dazu braucht es vor allem Bereitschaft, Training, und gegebenenfalls Coaching. Es erfordert die Transparenz vormals „geheimer“ Unternehmensdetails. Nicht jeder wird das (sofort) akzeptieren.

Schritt 5: Es braucht Zeit: Jahrzehntelang angewandte Verhaltensweisen und Kulturen können nicht von heute auf morgen umgestellt werden. Deshalb braucht es Klarheit und Konsequenz vor allem beim Management. Mit einer offenen Analyse des Status Quo kann eine geeignete Umsetzungsstrategie definiert werden.

Schritt 6: Jedes Unternehmen sollte sich darüber im Klaren sein, wozu es überhaupt existiert. Welche Handlungen sind dafür nützlich und auf welche kann auch verzichtet werden? Profitabilität bzw. sorgfältige Führung ist ein selbstverständliches Muss zur Selbsterhaltung, doch welche Wirkung will man hinterlassen bei KundInnen, MitarbeiterInnen, der Gesellschaft, in der Welt? Gibt es ein gemeinsames Ziel, auf das alle Handlungen ausgerichtet sind, und das für möglichst alle spürbar ist? Werden MitarbeiterInnen aufgefordert, ihren persönlichen Beitrag zur Erreichung des gemeinsamen Ziels zu definieren?

Agile Zusammenarbeit mit dezentraleren Entscheidungen und Verantwortungsübernahme bietet enorme Chancen für die Entwicklung sowohl von Unternehmen als auch von den Menschen, die in ihnen tätig sind. Entscheidend ist, sich bewusst zu sein, dass es sich dabei um eine grundlegende Veränderung der Strukturen und der Kultur der Zusammenarbeit handelt und dass man die verschiedenen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen kennen sollte, um eine qualifizierte Strategie definieren und die empfohlenen Begleitmaßnahmen durchführen zu können. Damit sind die besten Voraussetzungen für die aktive Gestaltung einer erfolgreichen Zukunft mit einem agilen Mindset geschaffen.


Gast-Autor

Prof. (FH) Dr. Richard Pircher ist Unternehmensberater, Professor an der Fachhochschule des BFI Wien und Unternehmensgründer. Er unterstützt Organisationen bei Entwicklungsprozessen und hält Workshops, Seminare und Vorträge zu den Themen Strategieentwicklung, neue agile Führungs-, Entscheidungs- und Organisationsformen, Change Management, Leadership, New Work Experience, Führen bei Dynamik, Selbstführung und Wissensmanagement. Persönliche Führungserfahrung sammelte er in seiner über 20-jährigen Managementtätigkeit im Hochschulbereich und als Geschäftsführer und Mitgründer. Neue Organisationsformen setzt er mehrfach selbst ein und begleitet auch die Einführung.
Kontakt: richard.pircher@fh-vie.ac.at, www.richardpircher.com


Tipp des Autors

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Agilität – Notwendigkeit oder Übel? 6 Schritte

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