Kaum jemand, der derzeit nicht klagt, müde, antriebslos, unkonzentriert zu sein oder sogar „alles Leid zu haben!“ Woher kommt diese Sehnsucht nach Erholung und Entspannung, wo wir doch schon ein ganzes Jahr von einem Lockdown in den anderen fallen?
Warum stehen wir nicht engagiert in den Startlöchern, warten angespannt auf das Startzeichen, um wie ein Pfitschipfeil nach vorne ins (Arbeits)leben zu schießen? Vielleicht, weil wir wiederholt uns aufgerafft haben und bevor wir richtig los starten konnten wieder erneut runter gefahren wurden? Vielleicht weil wir uns seit einem Jahr mehr oder weniger gegängelt fühlen, persönliche Freiheitsgrade eingebüßt haben und uns stark eingeschränkt fühlen? Weil wir uns schwer mit den Auswirkungen und Vorkehrungen abfinden können?
In diesem Artikel:
Lebensenergie wird genährt von emotionalen Momenten
Wir vermissen die vielen, zahlreichen genussvollen Momente, in denen wir uns unbeschwert und glücklich fühlen können. Sei es im Alltag im Biergarten mit Freunden oder in der heißgeliebten Urlaubsdestination am Meer oder in der Bergen. Sei es beim romantischen Feiern zu zweit im Spitzenrestaurant oder beim Picknick im Park. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Festivitäten, die den Jahreszyklus mit Ostern, Muttertag, Weihnachten etc bestimmen und besondere Ereignisse wie runde Geburtstage und Hochzeiten mit sich bringen. Selbst das Abschiednehmen von lieben Freunden, Verwandten und Familienangehörigen fällt uns im Kreis der Lieben, bei der gemeinsamen Begräbnisfeier, erträglicher.
Wann waren wir zuletzt ausgelassen bei einem Festival oder gerührt vom stimmungsvollen Konzertereignis? Lang ist es her, dass wir über Theater oder Kinoveranstaltungen mit Freunden und Lebenspartner ins Staunen, Weinen oder aufgeregt Debattieren kamen. Auch das Arbeitsleben ist reich an emotionalen Momenten: Kundenetats, die an Land gezogen werden, schwierige Projekte, die erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Pitches, die gewonnen wurden, Karrieresprünge, die gelungen sind, Gehaltserhöhungen, die erzielt werden konnten.
Viele dieser kleinen und großen emotionalen Momente konnten nicht stattfinden oder ausreichend genug erlebt und ausgekostet werden. Stattdessen erfuhren und erfahren wir in einem nie gekannten Ausmaß Ängste, Sorgen, Unsicherheit und Bedrohung. Kein Wunder, dass wir die verordnete Freizeit nicht entspannt genießen können!
Sozialer, verordneter Rückzug
Dazu wurden unsere sozialen Begegnungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt. Home Office ersetzte die Begegnungen mit Arbeitskollegen in der Firma, Ausgangsbeschränkungen fesselten uns ans zu Hause im privaten Umfeld. Maskenpflicht schränkte unseren non verbalen Austausches über Mimik ein, Abstands- und Hygieneregeln haben und halten uns noch immer auf physischen Abstand. Jeder, der allein lebt läuft Gefahr, über dieses Ausmaß an Isolierung zu vereinsamen. Dabei wissen wir doch, dass wir soziale Wesen mit starkem Bedarf zum vielfältigen Austausch auf allen Ebenen haben: physisch, psychisch und mental! Zu wenig sozialer Kontakt beraubt uns Energien, die wir in Begegnungen by the way austauschen. Wir leeren unsere Energietanks, indem wir uns den riesigen Herausforderungen des Home Office, Home Schooling, Home Cooking stellen und haben nicht ausreichend Möglichkeit, sie durch Erleben und Begegnung aufzufüllen. Die Entspannungslust bleibt auf der Strecke und weicht einem Gefühl der Erschöpfung. Wir fühlen uns schlapp, verbraucht, müde, abgedreht und mühen uns ab im kleinsten Raum vom Schreibtisch zur Kaffeemaschine zum Sofa und wieder zurück zum Schreibtisch.
Wir brauchen Begegnungen, um uns lebendig zu fühlen
Wir können es spüren, wie lebendig wir uns nach einem guten Gespräch, einem innigen Austausch mit Freunden oder einer durch und durch lustigen, gemeinsamen Feier fühlen. Sich lebendig fühlen durch Zuwendung, Aufmerksamkeit und gegenseitiges Interesse passiert im non verbalen Austausch, der online nur ganz rudimentär über etwas Mimik zur Verfügung steht. Zugegeben, auch Energieräuber kommen schon lange nicht mehr auf ihre volle Kosten. Auch sie fühlen sich der Energiequellen beraubt, derer sie sich ansonsten im persönlichen Austausch ungefragt bedienen.
New Work – Unterstützung, um die leeren emotionalen Tanks zu füllen?
Grundsätzlich ist es gut darauf zu bestehen, dass sich die Arbeitsteams wieder im Büro einfinden. Die Müdigkeit oder sogar Antriebslosigkeit könnte uns in Versuchung führen, die eigenen vier Wände nicht zu verlassen. Es erscheint vordergründig einfacher und bequemer, in der bekannten Müdigkeit zu verharren, anstatt die Anstrengung auf sich zu nehmen, sich auf den Anfahrtsweg ins Büro zu machen und sich der Begegnung mit den Kollegen und Chefs zu stellen. Aber, der Aufwand lohnt sich! Der persönliche Austausch wirkt belebend! Die persönlichen Eindrücke außerhalb der verordneten physischen Gefangenschaft im privaten zu Hause wird die Wiederbelebung auf allen Ebenen unterstützen. Die Unbequemlichkeit der Arbeitsstruktur wie Aufstehen, sich zurecht machen, sich in professionelle Kleidung zwängen, sich ausgehfein zu machen, ist eine wichtige Rahmenbedingung, um sich Stück für Stück aus der Isolation zurück in den offiziellen und beruflichen Alltag zu begeben.
Rückkehrgespräche und neue Rahmenvereinbarungen
Es ist grundsätzlich eine gute Gelegenheit zu überlegen, was jetzt, wenn alle in den beruflichen Alltag zurückkehren, unverändert aufrecht bleiben soll oder was sich am Präsentierteller anbietet, geändert oder neu vereinbart zu werden. Home Office Tage sind das eine, verorteter und verordneter Arbeitsbeginn und -ende sind das andere. Weniger Schreibtische, stattdessen Lounges und Begegnungszonen sowie Silent Bereiche und Telefonzellen sind unterschiedliche Ideen, um den Bürobetrieb neu und attraktiv, aber auch zeitgemäß und herausfordernd zu gestalten. Tatsache ist, niemand möchte in ein Büro zurückkehren, dass hässlicher und unpraktischer ist, als die eigenen vier Wände zu Hause. Reine Kosteneinsparungsgründe für die Büroneugestaltung anzuführen sind genauso fehl am Platz wie die einzelne persönliche Bequemlichkeit. Führungskräfte sind gemeinsam mit Human Resources gefragt, eine maßgeschneiderte Lösung zu finden, die den unterschiedlichsten Aspekten Genüge tut. Dafür gilt es grobe Rahmenbedingungen festzulegen, innerhalb derer individuelle Lösungen noch möglich sind. Fingerspitzengefühl in der Geschwindigkeit und im Umfang der Neuerungen gehören genauso dazu wie geduldiges Zuhören und das ehrliche Bemühen, Vielfalt zu ermöglichen und abzubilden. Und auch konsequentes Nein-Sagen zu Forderungen, die den Bogen überspannen.
Rückkehr zur Arbeitsfreude
Es erinnert einen vielleicht zurück an Kindheitstage, wenn die Sommerferien bis zur letzten Sekunde ausgekostet wurden, und man sich nicht vorstellen konnte, wieder zurück in den Regelschulbetrieb kehren zu müssen. Alles hätte man dafür gegeben, wenn die Ferien unendlich ausdehnbar gewesen wären! Damals war man nur nach ca 2 Monaten aus dem Tritt gekommen. Diesmal haben die langen Home Offices (für manche bis zu 12 Monaten mit eventuell kurzen Unterbrechungen) zu neuen Gewohnheiten geführt. Ganz egal, ob es einen in Summe gutgetan hat oder nicht! Selten tauscht man das bekannte Übel gegen das wiederum Neue, das bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz in jedem Fall bevorsteht. Trotzdem ist es wichtig, sich wie damals beim Schulanfang, wieder darauf einzulassen und durchzustarten. Neue und alte Arbeitskollegen zu begrüßen. Sich wieder von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, selbst wenn man Maske trägt. Sich neuerlich in den Strom des Lebens zu stürzen und Arbeitsfreude neu zu entfachen. Nur dadurch kann man auch wieder das Gegenteil, nämlich angenehme Entspannung und Freizeit im steten Wandel wie Ein- und Ausatmen, Ebbe und Flut, genießen zu können.
Zwischen Arbeits-Müdigkeit und Entspannungs-Unfähigkeit