Interkulturelle Kompetenz wird aktuell v.a. im virtuellen Raum benötigt. Durch die verstärkte Online-Zusammenarbeit ist die potenzielle Reichweite auf einen Schlag immens gewachsen. Somit haben wir nicht weniger internationale & interkulturelle Zusammenarbeit (aufgrund der eingeschränkten Reisefreiheit) sondern mehr (da jeder online erreichbar ist, egal ob in der eigenen Stadt oder auf einem anderen Kontinent).
Ich frage Anbieter von interkulturellen Trainings: was sind eure Top-Themen? Völlig unabhängig von pre-versus-post-Covid. Einfach nur: Jetzt, aktuell, was brauchen jene, die interkulturell tätig sind?
Experten-Interview
Was sind generell die Top-Inhalte, die nachgefragt werden?
Mark Heather (MHC Business Language Training): Die Top-Themen der Nachfrage sind Branding, virtuelle Kommunikation und überzeugende Präsentationen.
- Branding ist die Fähigkeit, sich selbst zu verkaufen, sei es als Berater, freier Mitarbeiter oder interner Angestellter. Alle Unternehmen sehen sich aufgrund von Covid mit Veränderungen konfrontiert, daher konzentrieren sich die Teilnehmer in den Kursen darauf, ihre Kommunikation zu verbessern, um das Unternehmen gut zu vermarkten.
- Virtuelle Kommunikation – Die Mitarbeiter achten heute mehr denn je darauf, wie sie online kommunizieren. Mimik, Gestik, sowie Wortwahl und Stimmlage sind heute wesentlichere Faktoren bei der täglichen Arbeit. Da man tagtäglich an Online-Meetings teilnimmt, muss man auch kompetent sein, diese Tools zu ihrem Vorteil zu nutzen.
- Effektive Präsentationen – Die Mitarbeiter sind es leid, ständig nur Folien beim Präsentieren zu sehen. Storytelling und die Fähigkeit, die eigene Botschaft zu vermitteln, sind jetzt im Online-Bereich entscheidend. Mit einem Home-Office, das für die meisten Menschen die neue Realität ist, suchen die Studenten nach besseren neuartigen Möglichkeiten, ihre Botschaft zu vermitteln. Die Integration von Flipcharts, Wortwolken, Umfragen und Whiteboards ist wichtig, um ein anderes Kommunikationsmedium bereitzustellen.
Matthias Würth, MSc (ICUnet Austria): 2 Haupt-Themen kristiallisieren sich für uns heraus:
- Leading Virtual Teams: Führung muss zunehmend ohne regelmäßiges persönliches Treffen erfolgen. Themen wie Vertrauensaufbau aber auch Performance Management müssen neu gedacht werden.
- Diversity&Inclusion: dieses Bild erklärt es am besten:
Chris Fuchs (KICK OFF): Ich sehe hier klare Trends:
- Interkulturelle Verhandlungstechnik – Vor allem Verhandlungen unter Nutzung von MS-Teams, Zoom, Webex etc.
- Interkulturelles Remote Management – Führung von internationalen Teams durch die Krise
- Interkulturelle Konfliktmediation – Bearbeitung von interkulturellen Konflikten unter Nutzung von Online-Tools
Margarete Friedl, MA, MAS, MSc (Spidi): Generell: konkrete Inhalte werden bei uns selten bis gar nicht angefragt, deshalb kann ich hier keine „Top-Inhalte“ angeben. Anfragen kommen immer mit den Formulierung: „wir haben ein Problem in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Kulturen……! Können Sie uns da helfen?“ Deshalb wichtig: fundierte Klärung iSv: was soll nach dem Training anders sein, danach Konzeption, während des Trainings rasche individuelle Anpassungen und hin zu einem Prozess statt einem Einzeltraining, damit können Kompetenzen noch besser entwickelt werden.
Wesentliches Thema, das wir in den Markt bringen (wollen): Kooperation in der Migrationsgesellschaft (Ansatz und Grundhaltung: wir leben ALLE in einer Migrationsgesellschaft und wenn wir uns so sehen, macht das einen Unterschied in der Zusammenarbeit).
Unsere Beobachtung ist, dass es vermehrt um Kooperation mit Menschen unterschiedlicher Herkünfte geht und weniger um: Business Kompetenz in Indien, China, Russland oä. Wie ticken Andere – das gehört der Vergangenheit an und passt nicht mehr in unsere Arbeits- und Lebenswelt. Das vertreten wir ganz stark. Stattdessen geht‘s um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen MIR und DIR, um Aushandlungsprozesse in der Kooperation und um erfolgversprechende nächste Schritte, die eine Kooperation zum Zweck des Unternehmenserfolgs ermöglichen. So sind Trainings wirkungsvoll!
Dr. Sabine Weiß (Berlitz): Da Teams in Corona Zeiten zum Großteil virtuell geleitet werden, gibt es fürs Management neue Herausforderungen. Aber auch die Mitglieder im den Teams brauchen andere Regeln zur virtuellen Kommunikation. Führungskräfte müssen Projekte aus der Ferne leiten und schneller, flexibler reagieren. Agiles Arbeiten ist gefragt.
Dies sind nur zwei Themen, die sich zu Top-Seminar-Inhalten entwickelt haben, da wir auch bei diesen Seminaren den interkulturellen Aspekt inkludieren. Auch bei interkulturellen Seminaren profitieren wir von der langjährigen Erfahrung von Online live Seminaren.
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How):
- Interkulturelle Sensibilisierung für internationale Teams, die weltweit zusammen arbeiten: es geht um eine bessere und verständnisvollere, auch effektivere Zusammenarbeit und um die Vermeidung von Missverständnissen und Konflikten.
- Interkulturelle Kompetenz aufbauen für international tätige Führungskräfte: vor allem in technischen Unternehmen wird dies verstärkt nachgefragt, da die Generation der jetzigen Führungskräfte darin in ihrer meist rein technischen Ausbildung nicht geschult wurde.
- Kulturwissen aufbauen für spezifische Länder, in denen das Unternehmen hauptsächlich agiert (mein Gebiet: Asien): dies wird am häufigsten nachgefragt, da es um konkrete Kenntnisse zu kulturellen Besonderheiten und Business Etikette des Ziellandes geht
- Expatriate Trainings von Österreich weg und nach Österreich: wird auch häufig nachgefragt, auch jetzt noch, da Entsendungen nach wie vor stattfinden, wenn auch häufig verzögert
- Im Entsende-Rahmen wurden kürzlich auch Repatriate Trainings – Rückkehr-Trainings – nachgefragt, da einige Auslandseinsätze vorzeitig abgebrochen wurden und im Rahmen der Covid-Krise die Betroffenen verstärkt verunsichert und teilweise orientierungslos waren, da eine frühe Rückkehr nicht geplant war. Bei Rückkehr-Trainings, die eher Coachings sind, geht es nicht nur darum, sich auf die neue Situation einzustellen, sondern auch, welche Ressourcen und Fähigkeiten im Ausland erworben wurden und wie diese nun in Beruf und Alltag in der Heimat eingesetzt werden können. Es geht um Coping-Strategien und insgesamt darum, mit der eigenen Veränderung und der des heimatlichen Umfelds optimal umgehen zu können.
Internationales Recruiting ist aktuell nicht ganz vom Tisch und wird künftig wieder extrem an Wichtigkeit zunehmen: Wie finde ich die ‚Global Talents‘ von morgen, wie wähle ich sie aus uns wie entwickle ich sie?
Matthias Würth, MSc (ICUnet Austria): Über das Thema der verschiedenen Generationen im Arbeitsprozess wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben und auch diskutiert. Die Anforderungen und Erwartungen der „Global Talents“ aber auch die der Unternehmen wandeln sich stetig, nicht nur – aber auch – durch die Herausforderungen des letzten und dieses Jahres. Fanden sich „traditionell“ Kompetenzen wie Planung, Kontrolle, Entscheidungsfähigkeit in den Assessments der Vergangenheit, werden diese zugunsten neuer Kompetenzfelder wie zB Innovationsfähigkeit, Selbstreflexion oder Ambiguitätstoleranz Platz machen. Unsere Annahme bzw. Erwartung ist, dass speziell die konservativ bzw. traditionell agierenden Unternehmen einen massiven Ruck und Paradigmenwechsel erleben werden.
Ist interkulturelles Training auch online möglich?
Chris Fuchs (KICK OFF): Ja, wir bieten seit mittlerweile einem halben Jahr unterschiedliche interkulturelle online Trainings und Workshops an – mit sehr guten Feedbacks und Ergebnissen mit wiederholten Beauftragungen und Bestellungen durch unsere Kunden.
Die Gesprächspartner
Dr. Karin Schreiner Intercultural Know How – Training & Consulting Chris Fuchs KICK OFF Management Consulting GmbH Matthias Würth, MSc ICUnet Austria GmbH Mark Heather MHC Business Language Training GmbH Margarete Friedl, MA, MAS, MSc SPIDI Training for glocal minds Dr. Sabine Weiß Berlitz |