Die Prioritäten im Berufsleben verschieben sich im Laufe der Karriere. Für die junge Generation ist das Gehalt zwar nach wie vor wichtig. Doch es rücken zunehmend andere Faktoren in den Vordergrund, wenn es darum geht, die besten Nachwuchstalente ins Unternehmen zu holen und sie an die Organisation zu binden.
Welchen Stellenwert Gehalt in der Generation Y hat und wie Mitarbeiterbindung unter jungen Mitarbeitern funktionieren kann, erforschen wir im Interview mit René Merten von der Absolventenakademie Wien.
Inhalt:
- Als Berater und Trainer im Personalbereich haben Sie Einblicke in das Thema Bindung junger Mitarbeiter von beiden Seiten. Wie erleben Sie die die gegenwärtige Situation?
- In früheren Generationen war es üblich, dass Chefs die jungen Mitarbeiter direkt anleiten. Wie wird die Generation Y am besten geführt?
- Wie reagieren junge Mitarbeiter, wenn sie rein autoritär geführt werden?
- Was empfehlen Sie jungen Kandidaten beim Karriereeinstieg?
- Welche Tipps geben Sie Personalabteilungen im Umgang mit jungen Talenten?
- Haben Sie ein besonders erfolgreiches Beispiel?
- Interview-Partner
Als Berater und Trainer im Personalbereich haben Sie Einblicke in das Thema Bindung junger Mitarbeiter von beiden Seiten. Wie erleben Sie die die gegenwärtige Situation?
Recruiter wollen auf der einen Seite intrinsisch motivierte Mitarbeiter mit einem möglichst geringen Grundgehalt und Prämien für zusätzliche Performance. High Potentials auf der anderen Seite wünschen sich finanzielle Sicherheit und eine der Aufgabenverantwortung entsprechende Vergütung. Gerade meine Kern-Zielgruppe von Akademikern am Beginn der Karriere oder beim Jobwechsel hat dabei oft hohe Erwartungen an ihre Jobs.
Vielen jungen Menschen geht es dabei nicht nur um die Höhe ihres Einstiegsgehalts, sondern auch um Fragen der Unternehmenskultur. Die Wertschätzung als Person, nicht nur als Personalressource, steht bei ihnen hoch im Kurs. Auch Gestaltungsfreiheit ist vielen ein wichtiges Thema.
In früheren Generationen war es üblich, dass Chefs die jungen Mitarbeiter direkt anleiten. Wie wird die Generation Y am besten geführt?
Autoritäres Führen über Anweisungen oder Prozesse verträgt die junge Generation nur schlecht. Emotional Leadership ist gefragt, um die beste Zusammenarbeit zu bewirken. Unter dem Stichwort „transformationales Führen“ stehen die Werte im Mittelpunkt, die gemeinsam geteilt werden. Sinn und Purpose spielen für viele junge Mitarbeiter eine ausnehmend große Rolle. Über diesen gemeinsamen Sinn kann Führung am besten vermittelt werden.
Wie reagieren junge Mitarbeiter, wenn sie rein autoritär geführt werden?
Viele passen sich zunächst an, verlieren aber dadurch ihre Eigenständigkeit und ihre innere Motivation. Aufgrund ihrer fehlenden Berufserfahrung tun sich viele schwer, die Balance zu finden, auch Anweisungen von erfahrenen Kollegen und Chefs anzunehmen und gleichzeitig eigenständige Ideen ins Unternehmen zu bringen. Wenn sie ihre eigene Meinung immer hintanstellen, fragen sie sich nach einiger Zeit, ob sie einfach nicht ins Team passen oder nicht angepasst genug sind. Besonders in internationalen und agilen Teams erleben sie jedoch auch andere Kulturen, die teilweise größere Handlungsspielräume zulassen, und beginnen, die autoritäre Führung zu hinterfragen.
Die Reaktion auf übergroße Anpassung an einen autoritären Führungsstil ist je nach Persönlichkeit unterschiedlich. Manche gehen nach einiger Zeit in den Widerstand und nehmen keine neuen Aufgaben mehr an, weil sie überfordert sind. Eine andere Reaktion ist das Job Hopping. Statt nach dem Prinzip „Love it, change it or leave it” zu leben, gibt es für sie nur noch „Love it or leave it“. Eine Änderung des Systems wird von ihnen nicht einmal mehr in Erwägung gezogen. Dabei sind viele Chefs heute für konstruktive Kritik offener als in früheren Zeiten.
Stoßen junge Mitarbeiter im neuen Job auf ähnliche Situationen wie im Unternehmen, das sie eben erst verlassen haben, kommen sie erst dann zur Erkenntnis, dass sie sich selbst ändern können und ihre Wünsche und Bedürfnisse klarer äußern sollten, statt in der Überanpassung zu leben.
Was empfehlen Sie jungen Kandidaten beim Karriereeinstieg?
In erster Linie sollten sich junge Kandidaten darüber klar werden: Welche 3 bis 5 Dinge brauche ich unbedingt in meinem Job: viel Geld, ein hohes Betriebsklima, möglichst viel Freiheit, geregelte Arbeitszeiten, etc.? Diese Bedürfnisse müssen erfüllt und von den Kandidaten gegenüber dem neuen Arbeitgeber klar benannt werden. Es geht hier oft um ganz persönliche Werte und Prioritäten. Dies erfordert Selbstvertrauen, worüber viele junge Leute noch nicht ausreichend verfügen. Jeder sollte zuerst für sich selbst überlegen, was das perfekte Setting im Job für ihn ist. Das vermeintlich gemütliche Leben in der Komfortzone hält viele jedoch davon ab, ihre Bedürfnisse klar zu äußern, und dies kann letztlich zu Frustration auf beiden Seiten führen.
Welche Tipps geben Sie Personalabteilungen im Umgang mit jungen Talenten?
Bei vielen Unternehmen zweifle ich bereits an der Gestaltung von Stellenanzeigen, insbesondere an der Darstellung von offener Position und Unternehmen in Wort und Bild nach außen. Die meisten klassischen Jobanzeigen sind langatmig, inhaltslos und sprechen vor allem junge Leute kaum noch an. Diese Zielgruppe möchte z. B. wissen, unter welchen Bedingungen sie frei gestalten kann. Es geht darum, jungen Kandidaten das Gefühl zu vermitteln: Wir wollen Euch ins Team einbinden, behandeln Euch mit individueller Wertschätzung und wollen, dass Ihr Euch bei uns weiterentwickelt.
Haben Sie ein besonders erfolgreiches Beispiel?
In einem Unternehmen habe ich eine große Absprungrate der Bewerber erlebt. Gemeinsam mit der Personalentwicklung haben wir ein Projektteam aufgestellt, in dem wir gemeinsam mit der Zielgruppe, also potenziellen Arbeitnehmern, einen neuen Recruitingprozess verbunden mit Ideen für ein ideales Onboarding gestaltet, Prototypen entwickelt und getestet haben. Es waren für alle Seiten erhellende Erkenntnisse, den Personalprozess vor allem aus dem Blickwinkel der Bewerber zu sehen.
Meine Empfehlung an die Personalabteilungen lautet daher, sich auch die Meinung der Zielgruppe einzuholen, statt alles selbst im Unternehmen zu entwickeln, auch wenn es dabei Widerstände im Management geben mag. Ich habe große Erfolge mit Prototyping und Betatesting gesehen. Dazu braucht es auch Mut zur Lücke und zum unfertigen verbesserten Prozess. Es geht nicht um ein perfektes Ergebnis, es geht um neue Prozesse, die gut genug sind und bessere Ergebnisse zur Rekrutierung und Bindung junger Mitarbeiter erzielen.
Interview-Partner
René Merten ist Geschäftsführender Inhaber und akademischer Leiter der Absolventenakademie – Privates Institut für Erwachsenenbildung e. U. Mobil +43 (0) 650 555 79 53, Email rene.merten@absolventenakademie.at
Das Gehalt allein kann junge Talente nicht ans Unternehmen binden