Die Anforderungen an Teams änderten sich in den letzten Monaten. Das spiegelt sich hauch in den Teambuildings-Events wider – sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Wie sieht Teambuilding aktuell aus und von welchen Inhalten können wir uns ein- für allemal verabschieden?
Experten-Interview
Erleben Teambuilding-Events ein Hoch nach den Social Distancing Zeiten? Wenn ja, wie werden sie gestaltet?
Simon Michael Schelkshorn (Teamimpuls): Unser persönlicher Kontakt miteinander ist unersetzbar: Videokonferenzen und online calls sind kein Ersatz für unser persönliches Miteinander. So wird es wohl auch zukünftig sein – ebenso im Training. Allerdings wird sicherlich die Notwendigkeit und teilweise sogar Sinnhaftigkeit von Präsenzveranstaltungen wesentlich mehr hinterfragt werden, wenn die Möglichkeit besteht diese durch online Formate zu ersetzen. Je nach Zielsetzung, Anwendung und Teilnehmergruppe wird von Personalisten und Führungskräften zwischen diesen beiden Formaten entschieden werden. Face to face Seminare und Events werden einen gewissen „Belohnungscharakter“ erhalten, da sie vermehrt etwas Besonderes sein werden. Demnach gehe ich davon aus, dass auch Teambuilding-Events zukünftig ihre Nachfrage erfahren werden, doch bin ich nicht wirklich sicher, ob man hier von einem Hoch ausgehen darf.
Mag. Paul Bischofberger (TeamManufaktur): In vielen Teams gibt es ganz viel Bedürfnis nach Austausch, nach Nähe, miteinander Lachen, ein paar Gläschen heben, miteinander planen etc. Daher sehen wir mehr Teamklausuren, als das in einem „normalen“ Jahr der Fall gewesen wäre. Wobei es – und damit kommen wir zu der Frage nach der Gestaltung – nach meinem Gefühl nicht nur um klassisches Teambuilding geht, sondern durchaus auch um Fragen der strategischen und operativen (Neu-)Ausrichtung eines Teams bzw. einer Organisationseinheit – all diese Themen wurden und werden covidbedingt teilweise nur sehr stiefmütterlich behandelt. Darüber gehen wir stark in Richtung Hybridveranstaltungen. Das bedeutet, dass wir teilweise virtuell und teilweise in Präsenz arbeiten. Viele teamrelevante Themen lassen sich virtuell ganz ausgezeichnet bearbeiten, und an den Stellen, wo es physische Nähe braucht – das kann bei besonders heiklen und/oder konfliktbehafteten Themen sein oder aber auch beim Onboarding neuer Teammitglieder -, gibt es entsprechend Präsenzveranstaltungen.
Worin unterscheiden sich die Teambuilding-Events diesen Herbst / Winter von jenen vor Covid?
Karl Kaiblinger (kaiblinger+partner): Kurzinterventionen sind aktuell deutlich mehr gewünscht, beispielsweise im Rahmen einer Tagung oder eines Meetings. Konkret sind das bei uns kreative Planspiel-Szenarien, die schon in wenigen Stunden die Stärken und Schwächen eines Teams aufzeigen, unterschiedliche Persönlichkeiten sichtbar machen und vor allem Wege für die Zukunft weisen. Dabei stehen immer das lustvolle „Tun im Team“ und das Lernen daraus im Zentrum. Die klare Anforderung an unsere Events: Schon in wenigen Stunden müssen relevante Erfahrungen und ein konkreter Praxisbezug für die Teilnehmenden ermöglicht werden. Smarte Tools, wie wir sie nutzen, hat es vorher auch schon gegeben, jetzt wird aber explizit und mehr danach gefragt.
Die meist gestellte Frage ist im Moment: „Gibt’s das in Präsenz- und auch in Online-Versionen?“ Firmen möchten also flexibel sein, damit auch mit der Delta- und Lambda-Mutation noch Teambuilding Maßnahmen geplant werden können. Bevorzugt sind aber ganz klar wieder Präsenzveranstaltungen, was mich, muss ich gestehen, auch etwas überrascht hat.
Früher hatte ich immer wieder das Gefühl, Teamtrainings liefen nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich bitte nicht nass“ ab. Derzeit geht es praktisch immer ans „Eingemachte“ – an die Herausforderungen der Teams und Unternehmen. Die meisten Menschen wollen ihr Team wieder spüren, vor allem auch ihre Führungskraft. Der gemeinsame Fokus, längerfristige Perspektiven, Sicherheit und Vertrauen, aber auch einen Plan für die unberechenbare Zukunft: All das wünschen sich viele Mitarbeitende und dieses Thema wird daher bei Teambuilding-Workshops und -Coachings intensiv behandelt. Auch das Thema „Produktiver Umgang mit Konflikten“ im Team war vorher aus meiner Erfahrung deutlich weniger relevant als jetzt.
Veronika Aumaier, MAS MSc (Aumaier Consulting Training): Das Setting der Teambuilinding-Events ist in Präsenz. Dauer und Ablauf sind unverändert – die Führungsinhalte haben sich um Remote Führungsthemen und New Work Themen angereichert. Die Führungskräfte erarbeiten für diese neue Themen Regelwerke und Vorgangsweisen und stimmen diese intensiv untereinander ab, sodass eine einheitliche Vorgangsweise in Folge gewährleistet ist.
Unsere Kunden bevorzugen eindeutig Präsenzsettings, da dadurch der Beziehungsaufbau unter den Teammitgliedern gestärkt wird, was nach wie vor sehr geschätzt wird. Wir moderieren den Rückblick und Ausblick, steuern den Austausch und gewährleisten konkrete ToDo’s oder Maßnahmen, sofern dies gewünscht ist.
Was wird hinsichtlich Teambuilding-Events nie wieder gefragt sein (was bis Anfang 2020 noch Usus war)?
Karl Kaiblinger (kaiblinger+partner): Allgemeine Teamseminare mit 08/15 Wissen, Phasenmodelle ohne Praxisbezug, Teambuilding ohne substantielle Beteiligung der Führungskräfte und Workshops mit der Botschaft „Wir haben uns alle lieb“.
Menschen wollen Klarheit und die Sicherheit, auch heiklere Themen ansprechen zu können – dann sind sie bereit, an einem Ziel mitzuarbeiten, wenn schwierige Zeiten gemeinsam durchgestanden werden müssen. Vertrauen, ein Gefühl des Zusammenhalts und offene Kommunikation sind dabei die Schlüssel zum Erfolg.
Veronika Aumaier, MAS MSc (Aumaier Consulting Training): Unsere Kunden sind bei unseren Teamevents nicht mehr an social events und Teamspielen zur Optimierung der Zusammenarbeit a la Klettergarten, Drachenbootsfahren, gemeinsames Kochen etc. interessiert.
Simon Michael Schelkshorn (Teamimpuls): Für mich stellt sich nicht die Frage, was nie wieder gefragt sein wird. Das ist, denke ich, so auch kaum zu beantworten. Es stellt sich die Frage nach dem, was zukünftig besonders oder mehr gefragt sein wird – das ist für mich als Teamentwickler und Unternehmer wesentlich spannender.
Einerseits gehe ich davon aus, dass Führungskräfte, Teamleiter und ganze Teams nach der Krise ein besonderes Bedürfnis nach einem Zusammen-kommen und Zusammen-wachsen haben werden und das auch wieder in der Präsenz, wo sie sich auch spüren und erspüren können. Vor allem, da auf ihnen nun eine ganze Zeit schon große Herausforderungen lasten, die sie nicht so im Team miteinander bewältigen können, wie sie es bisher gewohnt waren.
Andererseits sehe ich auch, wie viele Teammaßnahmen wir in den letzten Monaten online durchgeführt haben, welche nicht nur sehr gut funktioniert haben, sondern auch bestens von den Teams angenommen wurden. Damit wurde ein neuer Markt auch in diesem, bisher eher online unangetasteten, Bereich geschaffen, der bestimmt auch nach COVID in Anspruch genommen wird. Dabei sind die örtliche Unabhängigkeit – vor allem, wenn man an die zahlreichen internationalen Teams denkt -, größere zeitliche Flexibilität und damit meist auch verbundene große Kostenersparnisse sicherlich die größten Vorteile, doch bei weitem nicht die Einzigen. Mich hat es weit gebracht, mich darauf zu konzentrieren, was online alles möglich und wunderbar umsetzbar ist und nicht anders herum.
Die interviewten Personen
Simon Michael Schelkshorn Teamimpuls Veronika Aumaier MAS, MSc Aumaier Consulting Training GmbH Paul Bischofberger TEAM|Manufaktur GmbH Karl Kaiblinger Kaiblinger+partner Management-Consulting |
Teambuilding | Alles anders nach Covid