Wenn ein Team – so gut oder so schlecht es auch funktioniert haben mag – durch eine Pandemie geht, so kommt es am anderen Ende verändert heraus. Vielleicht besser, vielleicht komplett durch den Wind. Sicher ist: sie müssen zusammen arbeiten. Wie sieht das in der Praxis aus?
Kommt drauf an. Auf diese und jene Umstände. So weit so klar. Dennoch höre ich mich bei einigen Experten um, die tagtäglich mit Teams arbeiten. Tauchen wir ein in ein Experten-Interview:
Wie sieht Teamarbeit post-Covid aus?
Veronika Aumaier, MAS MSc (Aumaier Consulting Training): Soviel Präsenz wie möglich – so viel Home Office wie notwendig (je nach Teamklima und Büroausstattung auch genau umgekehrt J). Online Konferenzen mit „Kamera off und Mikro gemuted“ sind out. Ebenso Videobotschaften und Wikis in jeglicher Form. Kaffeeklatsch, Flurfunk und „Rauchpausen“ sind Retro aber erfreuen sich aktuell bei den Bürorückkehrern großer Beliebtheit. Möglicherweise möchte man nach 18 Monaten Abstinenz wissen, ob man darauf gerne für immer verzichten wird oder die nostalgischen Gefühlsregungen eine willkommene Abwechslung zum konzentrierten, fokussierten Arbeitsmodus darstellen.
Simon Michael Schelkshorn (Teamimpuls): Meiner Ansicht nach hat Covid lediglich Entwicklungen wesentlich beschleunigt, die ohnehin schon längst im Gange waren. Teams haben nun erkannt, dass Prozesse auch ganz anders als bisher und meist auch wesentlich einfacher und ressourcenschonender ablaufen können.
Ein ganz einfaches Beispiel sind die regelmäßigen Abstimmungen und Teammeetings. Zahlreiche Leute haben mir berichtet, wie sehr sie es lieben, diese nun auch online durchführen zu können und nicht für jedes Meeting ins Büro fahren oder eine längere Reise antreten zu müssen. Dadurch haben sie wesentlich mehr Zeit für andere, natürlich auch wichtige, Dinge zur Verfügung. Und eine notwendige kurze Abstimmung zwischendurch geht auch wesentlich rascher und einfacher von der Hand.
Mit den zahlreichen, teils auch neu aus dem Boden gestampften, Online-Tools wurden nun auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die in diesen Bereichen bisher noch nicht so gut aufgestellt waren, wie große Konzerne, eine gute Basis für eine professionelle virtuelle Teamarbeit geschaffen. Hier sind Zoom, MS Teams, Slack, Mentimeter, Sido, Doodle, Mindmeister und Trello nur ein kleiner Auszug davon. Der Markt boomt und bringt zahlreiche tolle Varianten und Möglichkeiten für Teams hervor, wodurch den Teams nun für eine effiziente Teamarbeit im virtuellen Raum fast alle Türen offen stehen.
Mag. Paul Bischofberger (TeamManufaktur): Teamarbeit wird sich an den Stellen verändern, an denen sich Führungsverständnis und entsprechend auch Führungsarbeit verändern. Dort, wo das nicht der Fall ist, werden wir wohl zum Status prä-Covid zurückkehren.
Jene Organisationen, insbesondere jene Führungskräfte, die aus der Krise gelernt haben, dass auch und vielleicht sogar gerade in Homeoffice gute und solide Arbeitsergebnisse erbracht werden, werden wohl nicht mehr zu klassischem Arbeiten-kann-nur-vom-Büro-aus-funktionieren zurückkehren. Das heißt, wir haben es in Zukunft wohl mit sehr vielen quasi virtuellen standortverteilten Teams zu tun. Quasi deshalb, weil sich die Teammitglieder ja ganz grundsätzlich praktisch jederzeit treffen könnten. Im Unterschied zu echten virtuellen Teams sollten die Teammitglieder ja nach wie vor nahe am Unternehmensstandort sein.
Was wird sich für diese Teams ändern? Austausch findet nicht mehr auf die Schnelle statt, Informationen werden nicht einfach so über den Schreibtisch weitergegeben bzw. en passant aufgeschnappt. Der Kaffeeratscher fällt weg und damit ein Gefühl dafür, was den anderen so treibt, wie er tickt und wie es ihm gerade geht. Ja und auf Grund fehlender physischer Nähe wird emotionale Verbundenheit zu einzelnen wie auch zum ganzen Team zurückgehen.
Das muss nicht unbedingt nur Nachteil sein: einerseits müssen wir zwar damit rechnen, dass sich Vertrauen in den anderen reduziert (darauf, dass der andere eh im Sinne des gemeinsamen Ganzen agiert und ggf. auch eigene Bedürfnisse zurückstellt), gleichzeitig werden aber wohl auch z.B. jene Konflikte und der damit einhergehende psychische Stress wegfallen, die einfach deshalb entstehen, weil der eine mit der Art des anderen nicht zurecht kommt. Man mag sich ja nicht automatisch, bloß weil man im selben Team tätig ist.
Entsprechend schlagen bei uns derzeit zwei große Themen laufend auf: zum einen die Frage, wie der Informations- und Wissensfluss gestaltet werden kann, sodass die Teammitglieder einerseits nicht geflutet werden, andererseits aber eben auch keine für die eigene Arbeit relevanten Informationen verloren gehen. Das Thema ist zwar absolut nicht neu, wird allerdings durch Homeoffice verschärft. Und das andere große Thema ist eben die Frage, wie ausreichend viel Team-Kohäsion hergestellt bzw. wiederhergestellt werden kann, nachdem sich die Menschen schon seit Monaten nicht mehr treffen konnten.
Letztendlich müssen sich Teams und ihre Mitglieder um all diese Fragen und noch einige andere herum neu sortieren, und je früher das geschieht, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sich dysfunktionale Routinen verfestigen. Aber wie heißt es so schön: In jeder Krise liegt auch eine Chance, und wir sehen im Augenblick tatsächlich unendlich viele Chancen.
Karl Kaiblinger (kaiblinger+partner): Viele Mitarbeitende wollen nicht mehr zurück zu ihrem alten 40-stündigen Bürojob. Das wird und ist schon eine Riesenherausforderung für Unternehmen und Führungskräfte, mit der viele noch nicht gut so umgehen können. Teamarbeit wird vermehrt auch virtuell passieren und der Job der Führungskräfte wird sich dadurch verändern, denn Coachings-Skills und Fertigkeiten für Konfliktmanagement werden auch virtuell immer wichtiger.
Viele Führungskräfte erkennen, dass sie mehr Zeit in ihre Führungsarbeit investieren müssen. Ich finde, das könnte eine positive Entwicklung in Unternehmen ergeben. Bei vielen unserer Kunden verändern sich jetzt schon die Büro- Räumlichkeiten, oder sie denken darüber nach. Reduktion der Büroflächen, flexiblere Büros mit mehr Raum zum Wohlfühlen und zum Austausch im Team. Dabei sind aber auch andere Wohnungen sind gefragt, mit besser abgestimmten Platz fürs Homeoffice. Das sind meiner Meinung nach drastische Veränderungen, die gemeistert werden müssen.
Welche neuen Herausforderungen ergeben sich daraus für Teamleiter?
Simon Michael Schelkshorn (Teamimpuls): Führungskräfte und Teamleiter erhalten durch die zahlreichen, teils völlig neuen, Tools im virtuellen Raum viele neue Möglichkeiten und Handlungsfelder. Dies ist einerseits wunderbar, doch andererseits stellt sie dies natürlich auch vor völlig neue Herausforderungen und Anforderungen an ihre technischen Kompetenzen, aber vor allem auch an ihre Führungskompetenzen. Der virtuelle Raum wird ein immer wichtigeres Werkzeug für Führungskräfte, um beispielsweise Teamworkshops, Feedbackgespräche, Konfliktgespräche oder Ähnliches auch online durchführen zu können. Somit muss der Teamleiter einerseits natürlich die technischen Kompetenzen erlernen, um solche Maßnahmen überhaupt online professionell durchführen zu können. Denken wir da bei online Workshops beispielsweise an die richtige Einstellung von Ton und Kamera, die optimale Gestaltung des Arbeitsplatzes und von Hintergründen, den Einsatz von BreakOut Rooms, Whiteboards, etc. Und dann gibt es da natürlich auch noch zahlreiche verschiedene Collaboration Tools für die virtuelle Zusammenarbeit im Team, deren Anwendung und verschiedenen Einsatzgebiete es auch noch zu erlernen gilt.
Dem gegenüber stehen dann die neuen Anforderungen an Führungskompetenzen – beispielsweise wie, wann und auch mit wem, welche Tools gut eingesetzt werden können oder sollen. Die Wirkung der Führung und Kommunikation in der Videokonferenz oder im Teamworkshop, wenn verbale und nonverbalen Kommunikationssignale anders gelebt und erlebt werden, wie beispielsweise Schweigen, Nicken, Lächeln, Wegschauen, Themen-Wechsel, etc. Das Einführen einer eigenen Teamkultur dafür, wie man im virtuellen Raum miteinander arbeitet und achtsam umgeht. Und noch Einiges mehr, doch das wird auch die Zukunft noch zeigen.
Teamarbeit post-Covid