Was können Führungskräfte, Personalverantwortliche und auch Konflikt-Coaches tun, um im Unternehmen dem Konflikt über Impfpflicht, 2-3 G-Regeln etc. gegenzusteuern?
Dialog ist gefordert: Ein weiteres Krisenjahr neigt sich seinem Ende zu. 2021 war für viele vermutlich noch herausfordernder als das Vorjahr. Und trotz mittlerweile verfügbarer Impfstoffe sind auch die Aussichten für das kommende Jahr nicht besonders rosig.
Anstelle des versprochenen Lichts am Ende des Tunnels, blicken wir mit Omikron bereits der nächsten COVID-Mutation entgegen. Kein Wunder, dass bei vielen Menschen kein rechter Weihnachtsfriede aufkommt. Zwei Jahre voller Einschränkungen, Sorgen und Ängste haben vielfach tiefe Spuren hinterlassen. Und leider auch zu einer noch nie dagewesenen Spaltung in unserer Gesellschaft geführt.
Für die Unternehmen und deren Führungskräfte sind das keine guten Vorzeichen. Sind doch Belegschaften immer auch ein Abbild der Gesellschaft. Es ist daher zu befürchten, dass sich die eskalierenden Konflikte über Impfpflicht und 2 bzw. 3 G-Regel zunehmend auf die Arbeitsbeziehungen und damit die Produktivität in den Teams auswirken wird.
Durch Dialog die Abwertungen zu stoppen
„Es ist leicht zu verachten, Sohn, aber verstehen ist viel besser.“ Dieses Zitat des deutschen Dichters Matthias Claudius zeigt den Lösungsweg. Leider hängen wir aktuell im ersten Teil dieses Zitates fest. Frustriert durch die monatelangen Mühen im COVID-Alltag und gepusht durch ein medial aufgeheiztes Umfeld, haben sich die Konfliktparteien mit Ihren Sichtweisen einbetoniert. Und sehen im Gegenüber nur mehr einen passenden Sündenbock.
Längst sind die Kontrahenten überzeugt davon „Recht zu haben“. Es wird selektiv nur mehr wahrgenommen, was der eigenen Sichtweise entspricht. Jede Information, jedes Argument, welches nicht ins eigene Überzeugungssystem passt, wird als Störung erlebt. Gleichzeitig wird das Gegenüber mit wenig schmeichelhaften Bezeichnungen abgewertet. Impffanatiker oder Schwurbler – durch solche Abwertungen werden Andersdenkende entmenschlicht, die eigene Position moralisch erhöht und der Spaltungsprozess im Team unerbittlich vorangetrieben.
Um eine weitere Eskalation zu verhindern, muss spätestens jetzt die „Stopp-Taste“ gedrückt werden. In der Regel braucht es dazu eine übergeordnete Instanz oder eine neutrale Person von außen. Es geht nun vor allem darum, allen Beteiligten bewusst zu machen, was passiert, wenn an der Eskalationsschraube weitergedreht wird. In der gemeinsamen Einsicht, dass dann alle zu Schaden kommen, liegt die Chance, dieser destruktiven Dynamik Einhalt zu gebieten.
Es gilt also zuerst die Konfliktparteien aus ihren Tunnelblick zu befreien und dadurch deren Achtsamkeit wieder auf den Menschen im Gegenüber zu lenken. Erst wenn diese Zuwendung gelingt, ist die Basis für den notwendigen Dialog als nächsten Schritt geschaffen.
Ohne Dialog keine Beziehung
Eine Redensart aus meiner Gegend: „Durch’s Reden kommen die Leute zusammen“. Gerade in unserer konfliktbehafteten Gegenwart kann die Gelassenheit, die in diesen Spruch steckt, als brauchbarer Wegweiser im Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen dienen. Was sich hier so einfach liest, ist allerdings in einer hitzigen, emotionsgeladenen Konfliktsituation eine Herkules-Aufgabe.
Zerstrittene Teams brauchen deshalb Unterstützung. Und zwar von jemanden, der ihnen eine entsprechende Gesprächsplattform bietet. Und der den Dialog auch konstruktiv steuert. Denn geredet haben die Kontrahenten vermutlich bereits sehr viel, allerdings meistens aneinander vorbei. „Um jeden Preis Recht haben“ – mit dieser Haltung kommt man im Konfliktfall nicht weit. Und ist ein Thema einmal emotional aufgeladen, dann hört man dem Gegenüber auch gar nicht mehr zu.
Daher müssen zerstrittene Teams erst wieder lernen, dem Gegenüber zuzuhören. Nur dieses Zuhören bietet die Chance, die Beweggründe und Bedürfnisse der Gegenpartei zu verstehen. Die Botschaft, die dabei auf der Beziehungsebene vermittelt wird: „Wir stimmen zwar nicht überein, aber es ist mir wichtig zu verstehen, warum du anders denkst“. Und wenn wir wieder Bedürfnisse wahrnehmen, dann nehmen wir auch wieder den Menschen dahinter wahr.
Daher: Wenn wir in Dialog treten, dann treten wir auch wieder in Beziehung.
Fazit
Je emotionaler und verbissener Konflikte geführt werden, desto schwieriger ist es, diese in eine konstruktive Richtung zu steuern. Je mehr Kränkungen und Wunden verursacht wurden, desto länger dauert deren Heilung. Dessen müssen sich Führungskräfte bewusst sein, sollten sich in den kommenden Monaten Gesellschaftskonflikte zunehmend in die Teams verlagern.
Wenn die großen Brückenbauer in Politik und Gesellschaft versagen, sind die Unternehmen gefordert, sich mit den Gräben in ihren Belegschaften auseinander zu setzen. Einfach wird das nicht. Aber auch viele kleine Stege können wieder Verbindungen zwischen den Menschen schaffen. Der achtsame Dialog als heilendes Pflaster ist dabei ein erster, unverzichtbarer Schritt.
„Es ist besser, nicht auf seinen persönlichen Ansichten zu beharren,
sondern mit dem Gegenüber in einen Dialog zu treten.“
(Dalai Lama)
Achtsamkeit & Dialog | Die heilenden Pflaster für zerrissene Teams