Das frische Magazin
für Human Resources
Mayerhofer-Trajkovski

Die größten Pain Points für Führungskräfte der letzten Monate

15Mrz2022
6 min
Führungkräfteentwicklung

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Worin lagen in den vergangenen Monaten die Pain Points – oder positiv ausgedrückt: das meiste Verbesserungspotential – für Führungskräfte? Mit dieser Frage wende ich mich im Interview an eine Runde aus Experten und Expertinnen.

Anm.d.Red für Leser, die diesen Beitrag später lesen: Wir befinden uns im Frühjahr 2022, 2 Jahre nach Start der Corona-Pandemie – mit einem enormen Anstieg an Home-Office, Digitalisierung, veränderten Arbeitswelten, etc.

Interview-Fragen

Führungkräfteentwicklung
Links der HR-Branche Führungksräfte-Entwicklung

Worin lagen in den vergangenen Monaten die größten Pain Points der Führungsebene?

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Die Bewältigung der Corona-Krise mit all ihren Facetten, war der größte Pain Point. Die Unberechenbarkeit der Zukunft ist noch um ein Vielfaches gestiegen. Man musste total flexibel auf die unterschiedlichen Situationen reagieren. Noch dazu waren viele Mitarbeiter und Führungskräfte im Homeoffice und die Kommunikation ist dadurch als schwieriger wahrgenommen worden. Das liegt auch daran, dass viele Führungskräfte mit Online-Tools nicht vertraut waren und nicht aktiv die Remote-Kommunikation gestaltet haben. Da wurden viele Fehler gemacht, die vermeidbar gewesen wären.
Ein weiterer Painpoint, besonders für Firmen, die nicht auf Homeoffice umstellen konnten, waren die vielen Krankenstände, die die Führungskräfte ständig managen mussten, sodass sie zur eigentlichen, strategischen Arbeit gar nicht gekommen sind.

Dr. Judith Girschik (Leadership Institute | LSS Leadership Services): Was Führungskräfte aktuell plagt, ist branchenspezifisch. Während Tourismusmanagerinnen sich mit Personalmangel, Finanzierungsengpässen und Existenzängsten plagen, stehen Technologieanbieter, Bauunternehmen und Konsumgüterproduzenten vor einem noch nie dagewesenen Nachfrageboom. Dementsprechend unterscheiden sich auch die in Coachingsitzungen nachgefragten Reflexionsthemen.
Trotzdem ist es immer noch der Umgang mit anderen Menschen, Kommunikation und Konfliktbearbeitung mit Mitarbeiterinnen, Kollegen und Kundinnen, die den Großteil meiner Kunden umtreibt. Die allgegenwärtigen Online-Meetings scheinen mancherorts auch einen Rückgang an Verbindlichkeit mit sich zu bringen. Das aktuelle mehr an Kommunikation hat ein weniger an Begegnung zur Folge. Gesprächspartnerinnen lassen sich in Online-Calls schwerer lesen, wachsende Verunsicherung ist die Folge.
Das manifestiert sich im Wunsch nach einer Coaching-Kultur, die bislang nur in wenigen Unternehmen angekommen ist. Einer der Gründe dafür mag im mehr an Energie, die dieser Führungsanspruch fordert – vor allem im Vergleich mit herkömmlichen Zielvergaben, liegen. Die Leadership-Kompetenzen, die es dazu braucht, fallen allerdings nicht vom Himmel.
Insofern haben viele große internationale Unternehmen mit einer Re-Evaluierung der Führungskompetenzen ihrer Manager begonnen. Folglich werden zahlreiche Organisationen ihre Trainings- und Ausbildungsprogramme umstellen.

Mag. Eva Ayberk (Ayberk.co): Im ortsunabhängigen Führen und der Neugestaltung von Führung in einem virtuell-hybriden Setting.
Vor allem die Gestaltung einer smarten Kommunikationsarchitektur (weg vom Online-Meetingwahnsinn hin zu einem Mix aus synchroner und asynchroner Kommunikation) war für viele noch herausfordernd.
Auch Themen der Eigenmotivation und Selbstführung beschäftigten Führungskräfte. Viele fühlten sich überarbeitet und erschöpft. ‚Führen ist anstrengender geworden‘ höre ich oft.

Veronika Aumaier, MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Führen im zeitgemäßen Verständnis braucht kurzfristig stabile Rahmenbedingungen, um sich auf mittel- und langfristige Zielsetzungen und deren Umsetzung konzentrieren zu können. Denn für die Gegenwart wurden die Weichen bereits gestellt, die Zukunft gilt es zu gestalten.
Die Pain Points der Führungskräfte, ausgelöst durch die Krise, zeigen sich in zwei großen entgegengesetzten Phänomenen, die ganz unterschiedliche Unterstützung benötigen:

  • Zum einen gibt es die sehr operativen Führungskräfte, die am liebsten allein im Praxisalltag das Sagen haben. Sie sind in der Krise aufgeblüht und retten die gegenwärtige Welt mit viel Einsatz und Enthusiasmus. Sie haben sich aus diesem Krisenmodus zu lösen und sich der Gestaltung der mittleren und langfristigen Zukunftsarbeit zu widmen. Konkrete Alltagsthemen mit strategischen, abstrakten Zukunftsthemen zu tauschen – das ist hier die Devise!
  • Zum anderen gibt es die strategischen Führungskräfte, die bevorzugen, Zukunftsideen und -lösungen zu entwickeln. Sie wurden durch die Krise in den Alltag und seinen ständig operativsten, alltäglichsten Entscheidungen gestürzt. Dieses dauerhafte Klein-Klein raubt diesen Führungskräften Energie. Sie drohen zu ermüden, den Fokus zu verlieren, die Arbeitsfreude einzubüßen. Sie haben sich wieder in strategische Höhen aufzuschwingen, um Freiraum und strategische Luft zu atmen und ihrer Vorliebe, der Zukunftsarbeit im Alltag wieder Platz zu geben.

Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ): Durch die veränderten Arbeitsbedingungen waren Führungskräfte in vielen Punkten gefordert. Eine der größten Herausforderungen war sicherlich das Führen auf Distanz in einem unberechenbaren Umfeld während der Pandemie. Zusätzlich war für alle Beteiligten die Situation neu und das Spannungsfeld von beruflichen und privaten Anforderungen viel höher als sonst.

Mag. Anita Berger, MAS, MSc, eMBA (MDI): Die eigene Unsicherheit und Betroffenheit.
Das BANI Framework (Jamais Cascio) zeigt sehr gut die größten Pain Points der Führungsebene. Das Akronym BANI steht für Brittle (brüchig, porös), Anxious (ängstlich, besorgt), Non-linear (nicht-linear) und Incomprehensible (unverständlich, unbegreiflich).
Wenn etwas brüchig ist, ist es anfällig für plötzliches Versagen. Dinge, die spröde oder brüchig sind, sehen stark aus, sind vielleicht sogar stark, bis sie eine Bruchstelle erreichen, dann fällt alles auseinander. Aufgrund der starken Vernetzung und Verbundenheit kann, dass der Ausfall einer wichtigen Komponente zu einer Reihe von Ausfällen führen kann.
Angst bringt ein Gefühl der Hilflosigkeit mit sich. Es erscheint ein Warten zu sein, was als nächstes passiert. Angst kann auch Passivität antreiben.
Ursache und Wirkung werden zunehmend als nicht-linear, scheinbar unzusammenhängend und nicht verhältnismäßig erlebt.
Und wir erleben Ereignissen und Entscheidungen, die uns unlogisch oder sinnlos erscheinen.
In diesem Umfeld müssen sich die Führungskräfte nicht nur selbst zurechtfinden, sondern sollten auch eine Stütze, Richtung und Orientierung deren Mitarbeiterinnen bieten.

Welcher Rat ist der häufigste, den Sie in Ihrem Coaching & Consulting geben?

Veronika Aumaier, MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Besinnen auf die eigene Rolle, erkennen der dringendsten, persönlichen To dos und alle Kraft voraus, um diese anzugehen und umzusetzen. Die Zeiten der zögerlichen persönlichen Entwicklung sind vorbei. Nur wer auch für sich selbst als Führungskraft „ständiges Lernen und persönlichen Wachstum“ verinnerlicht hat und aktiv betreibt, kann sich dauerhaft in einer Führungsrolle halten.

Mag. Anita Berger, MAS, MSc, eMBA (MDI): Gut für sich zu sorgen (physisch, sozial, mental und spirituell), sich auf das zu fokussieren, was man beeinflussen kann und sich mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun.

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Fokus auf die Ziele (Vision) und auf die Menschen – eine Atmosphäre der Wertschätzung schaffen und auch Fehlern lernen.

Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ): never stop learning

Dr. Judith Girschik (Leadership Institute | LSS Leadership Services): Das ist eine Art Spagat: Einerseits rate ich, den Kontakt zum Team möglichst eng und persönlich zu halten, andererseits empfehle ich: Finden Sie den nötigen Abstand zur aktuellen Situation.

Mag. Eva Ayberk (Ayberk.co): Abschied nehmen vom Anspruch, als Führungskraft alles selbst unter Kontrolle zu haben und viel mehr sich damit beschäftigen, wie man effektiv und nachhaltig die Rahmenbedingungen schaffen kann, dass die Mitarbeiterinnen selbstverantwortlich und oft in cross-funktionaler Zusammensetzung am besten wirksam werden.

Ina Biechl (Institut ina biechl): Authentisch sein! Voraussetzung dazu ist: sich selbst gut kennen und mögen! Beratung heißt nicht Fragen beantworten, sondern Fragen stellen und die Person bei einem Prozess des Verstehens begleiten. Die Ergebnisse entstehen im Dialog, nachdem wir gemeinsam die jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten einer Person für die gestellte Aufgabe erarbeitet haben.

⇒ siehe auch HRweb-Interview Pain Points für Führungskräfte bis Ende 2022 & 2023

Die größten Pain Points für Führungskräfte der letzten Monate

Führungkräfteentwicklung
Links der HR-Branche Führungksräfte-Entwicklung

Die Interview-Partner

Mag. Armand Kaáli-Nagy

Armand Káali-Nagy, ÖPWZ

Corinna Ladinig, MBA

Corinna Ladinig, CTC

Mag. Anita Berger, MAS, MSc, eMBA

Anita Berger, MDI

Mag. Eva Ayberk

  • Geschäftsführerin/Gesellschafterin
  • Ayberk.co
Eva-Maria Ayberk

Judith Girschik

Judith Girschik, LSS

Veronika Aumaier, MAS, MSc

Veronika Aumaier

Ina Biechl

  • Geschäftsführerin
  • Institut ina biechl
Ina Biechl

Schlagwörter:

Teilen:

Ähnliche Beiträge