Thought Leader oder Dream Leader? – Mit Tim Leberecht betritt ein echter Romantiker die Bühne.
„Schöne neue Wirtschaft“ betitelt er seine Keynote, die er am 12. Mai im Linzer Posthof halten wird. Wer dahinter eine augenzwinkernde Anlehnung an Aldous Huxleys dystopischen Roman „Schöne neue Welt“ vermutet, irrt. Denn wenn Tim Leberecht (Co-Gründer von House of Beautiful Business) von „Schönheit“ spricht, dann meint er das im Guten. Genau genommen als Forderung. Denn dass wirtschaftliche Realität mitunter anders aussieht, das weiß der Autor und Berater aus eigener Erfahrung nur zu gut.
Gastautor: Ernst Demmel (cucocu.com GmbH)
INHALT
Über das Silicon Valley zum Hinterfragen
Nach einem mehr oder weniger gescheiterten Versuch, von Musik leben zu können, wanderte der gebürtige Deutsche in den frühen Nullerjahren ins Silicon Valley aus, um hier bei Frog, der berühmten Design-Agentur, die für Apple, Sony, Microsoft, Disney und andere gestalterische Geniestreiche schuf, anzuheuern und als CMO Karriere zu machen. Doch so sehr ihn der amerikanische Zug zum Tor zunächst ansprach, so skeptisch stand Leberecht irgendwann auch der Wachstums- und Optimierungsgläubigkeit des Valleys gegenüber. Gerade der Tech-Welt fehlt es häufig an humanistischen Qualitäten, an Einsichten, was jenseits von Marktanteilen, Effizienz- und Effektivitätsgewinnen von Bedeutung sein könnte. Das ist schon deshalb nicht unproblematisch, zumal Startups, Konzerne und ihre Finanziers zuletzt maßgebliche Paradigmen geprägt haben – etwa auch, was das „neue Arbeiten“ betrifft.
„Dabei hab’ ich in vielen Situationen durchaus gelitten, wie eben jemand der von der Kunst oder den Geisteswissenschaften kommt“, erzählte er mir in einem Interview, das wir 2021 führten: „Und ich dachte, es kann doch nicht sein, dass in der Wirtschaft alles so eng ist, so sehr auf einen kleinen Ausschnitt reduziert wird. Manche Investoren denken tatsächlich eindimensional und menschliches Wohlergehen spielt für sie kaum eine Rolle. Nach einer Zeit erkannte ich dann, dass ich mich nicht anpassen muss, dass es hier subversive Gegenstimmen braucht, die Dinge glaubwürdig in Frage stellen.“
Business-Romantiker
Mit seinem Buch „Business-Romantiker: Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben“ gelang Leberecht zu einer Zeit ein spannender Wurf, als der nackte Big Data-Optimismus erstmals zu kippen drohte: „Ich glaube, romantische Manager:innen wissen, dass es immer noch eine andere Welt gibt, eine andere Wahrheit oder Perspektive, nicht bloß eine nüchtern-finanzielle Sicht. Und sie sind in der Lage, ihrer Intuition zu folgen. Ein romantischer Chef sagt schon mal, ‚aufgrund der vorliegenden Daten müsste ich die Entscheidung so treffen, aber mein Gefühl sagt mir, nein, hier geht es nicht nur um Zahlen.‘ Und: ‚Ja, ich habe diese Freiheit!‘ – Das ist zutiefst romantisch.“
Leberecht kehrte nach Europa zurück, um gemeinsam mit Till Grusche die „Business Romantic Society“ zu gründen, heute Träger der globalen „House of Beautiful Business“-Community. Vor zwei Jahren legte er dann mit „Gegen die Diktatur der Gewinner – Wie wir verlieren können, ohne Verlierer zu sein“ ein weiteres provokantes, aber lesenswertes Buch nach.
Am Weg wandelte sich seine Hoffnung auf „Romantik“ in eine Forderung nach mehr Schönheit – dies nicht nur in ästhetischer, sondern vor allem in ethischer Hinsicht: „Angesichts der Automatisierung lernen wir zu verstehen, dass Menschen ihre Arbeit ’schön‘ machen können und dass dies vielleicht das einzige ist, was uns noch bleibt. Denn wenn es darum geht, Arbeit effizienter zu machen, werden uns Maschinen outperformen.“
Think Tank der Sehnsüchtigen
Mit „House of Beautiful Business“ vernetzt Leberecht jene, die an einem neuen Entwurf von „Wirtschaft“ arbeiten, zu einem globalen Think Tank der Sehnsüchtigen. Ziel ist eine Wirtschaft, die nachhaltiger und ökologischer ist – aber auch smarter funktioniert und mehr Spielraum fürs Menschsein lässt.
Unternehmens-Werte & die Schönheit als ethischer Imperativ
Tim Leberecht
Mehr von Tim Leberecht hören Sie beim 22butterfly Corporate Krisma Festivel:
- 12. Mai 2022, 19:40 Uhr: Keynote
- ab 20:20 Uhr in einer Talk-Runde mit Philippe Narval (SQUARE Universität St. Gallen), Heike Mensi-Klarbach (Raiffeisen International) und Ernst Demmel (22butterfly).
Tipp: 22butterfly Corporate Karisma Festival
Souly Side Up! Wie Unternehmen ihrer Kultur mehr Leben einhauchen.
- 12+13mai2022
- Linz (Posthof – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, 4020 LINZ)
- € 600
- www.22butterfly.com
Gast-Autor
Der Linzer Kulturmanager, Digitalstratege und Crossmedia Designer Ernst Demmel ist Gründer und Geschäftsführer von cucocu.com sowie Partner bei DIE FABRIKANTEN. Er ist Initiator des 22butterfly Corporate Karisma Festivals.
Foto Credit: Posthof (c) Johann Steininger, Ernst Demmel (c) Zoe Goldstein, Tim Leberecht (c) Darius Ramazani