Zuweilen erfahren oder spüren Führungskräfte, dass ein Leistungsträger erwägt, das Unternehmen zu verlassen. Dann sollten sie mit ihm ein Bleibe-Gespräch führen, denn gute Fach- und Führungskräfte sind rar.
Autoren: Klaus und Nikola Doll
Zu einem Bleibegespräch einladen
Sprechen Sie die Einladung zu einem Bleibegespräch nie beiläufig aus. Bitten Sie die Person möglichst, wenn sie alleine ist, um ein persönliches Gespräch. Nennen Sie, wenn sie danach fragt, den Anlass nicht. Sagen Sie stattdessen beispielsweise „Nichts Schlimmes, doch ich würde darüber mit Ihnen gerne in Ruhe unter vier Augen sprechen“. Vereinbaren Sie einen Termin – auch um sich vorbereiten zu können. Fragen Sie sich vor dem Gespräch zum Beispiel:
- Was könnten eventuelle Gründe für eine Wechselabsicht sein? Und:
- Was habe ich als Führungskraft eventuell beigetragen?
Denn wenn Sie zum Beispiel durch Ihr Verhalten, die Wechselabsicht (unbewusst) gefördert haben, beeinflusst es die Atmosphäre in dem Gespräch.
Führen Sie das Bleibegespräch an einem Ort, der Ruhe und Vertraulichkeit garantiert. Und nehmen Sie sich Zeit, denn solche Gespräche nehmen oft einen unerwarteten Verlauf. Zum Beispiel, wenn die Person Ihnen Dinge erzählt, die Sie nicht wussten.
Mit Ich-Botschaften ins Gespräch einsteigen
Teilen Sie zu Beginn des Gesprächs Ihre Gedanken und Befürchtungen kurz mit. Vermeiden Sie jedoch lange Vorreden. Steigen Sie mit einer Ich-Aussage in das Gespräch ein; zum Beispiel:
- „Ich hatte in jüngster Zeit den Eindruck, dass Sie sich zurückziehen. Deshalb befürchte ich, dass Sie sich mental von uns verabschieden.“ Oder:
- „Unser Unternehmen ist zurzeit im Umbruch. Deshalb befürchte ich, Sie könnten den Eindruck haben, Ihr Arbeitsplatz sei unsicher und sich nach einer Job-Alternative umschauen.“
Äußern Sie danach Ihr Bedauern, falls Ihre Befürchtungen zuträfen: „Das fände ich schade, weil ich Sie als Mensch und Mitarbeiter sehr schätze und deshalb gerne halten möchte.“ Warten Sie anschließend die Antwort ab. Hören Sie geduldig zu, stellen Sie maximal Verständnisfragen.
4 mögliche Reaktionen
Auf Ihren Vorstoß gibt es 4 mögliche Reaktionen des Mitarbeitenden.
Reaktion 1: Die Person versichert Ihnen glaubhaft, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind.
Dann hat sich das Gespräch eigentlich erledigt. Trotzdem sollten Sie die Chance nutzen, Ihre Beziehung auf eine noch solidere Basis zu stellen. Beispielsweise indem Sie sagen: „Das freut mich. Trotzdem bitte ich Sie: Suchen Sie künftig das Gespräch mit mir, wenn Sie etwas stört. Denn wie bereits gesagt: Sie sind mir als Teammitglied wichtig.“
Reaktion 2: Die Person betont, Ihre Befürchtungen seien unbegründet. Sie glauben ihr aber nicht – zum Beispiel aufgrund der Körpersprache.
Das ist oft der Fall, denn wechselwillige Personen sprechen meist ungern mit ihrem Chef über ihre Absicht, solange sie keine Jobalternative haben. Auch dann sollten Sie betonen, dass Sie sich hierüber freuen. Danach sollten Sie das Gespräch wie ein normales Mitarbeitergespräch weiterführen, etwa indem Sie sagen: „Davon unabhängig, würde mich interessieren, wie zufrieden Sie mit Ihrer Arbeit sind – schließlich ging es bei uns (zum Beispiel corona-bedingt oder bedingt durch den Ukraine-Krieg oder aufgrund der Digitalisierung oder dünnen Personaldecke) in jüngster Zeit recht turbulent zu.“ Das Ziel hierbei: Die potenziellen Gründe, warum die Person einen Arbeitgeberwechsel erwägen könnte, zu erkunden, um diese dann eventuell aufzulösen.
Reaktion 3: Die Person sagt, sie erwäge, den Arbeitsgeber zu wechseln.
Dann sollten Sie ihr zunächst für die Offenheit danken und zum Ausdruck bringen, dass Sie es als einen Vertrauensbeweis erachten und entsprechend mit der Information umgehen werden. Danach sollten Sie sich detailliert nach den Motiven für den angedachten Wechsel erkundigen, bevor Sie fragen: „Was kann ich oder das Unternehmen tun, damit Sie bleiben? Denn wie bereits gesagt: Sie sind ein wertvolles Teammitglied.“
Die Wunschliste können Sie als dessen Chefin oder Vorgesetzter aufnehmen und vorsichtig kommentieren, wenn ein Aspekt unmöglich erfüllbar ist. Die Praxis zeigt: Eine mangelnde Wertschätzung, eine schlechte Arbeitsatmosphäre und eine fehlende Befriedigung bei der Arbeit sind, wenn es um das Halten guter Mitarbeiter geht, meist größere Probleme als die Höhe des Gehalts.
Reaktion 4: Die Person sagt, sie sei fest entschlossen, den Arbeitgeber zu wechseln.
Auch dann sollten Sie zunächst für die Offenheit danken und die Motive für den Wechsel erkunden. Zuweilen gibt es persönliche Gründe: Beispielsweise ein Arbeitnehmer hat sich verliebt und möchte deshalb in eine andere Stadt ziehen. Dann können Sie ihm eigentlich nur alles Gute wünschen. Anders ist es, wenn zum Beispiel ein Familienmitglied des Mitarbeiterin ein Pflegefall wurde und sie deshalb den herausfordernden Job nicht mehr machen kann und möchte. Dann gibt es in der Regel nur die Alternative, die Person ziehen zu lassen oder mit ihr auszuloten, welche alternativen Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung oder Jobalternativen es in der eigenen Organisation gibt.
Wieder anders ist die Situation, wenn der geplante Wechsel in der aktuellen Arbeitssituation begründet ist. Zum Beispiel im schlechten Arbeitsklima, der hohen Arbeitsbelastung oder den geringen Aufstiegschancen. Dann hat sich, wenn jemand offen sagt „Ich gehe“, obwohl noch kein neuer Job vorliegt, meist schon viel Frust aufgestaut. Entsprechend schwer ist es, den Mitarbeitenden zum Bleiben zu bewegen. Trotzdem sollten Sie es bei wertvollen Mitarbeitern versuchen – selbst wenn Sie dann mit einer massiven Kritik an Ihrem Führungsverhalten rechnen müssen, denn Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten ist ein häufiger Grund für einen Arbeitgeberwechsel.
Die Kündigung liegt schon auf dem Tisch
Bleibegespräche können Sie mit Mitarbeitern auch noch führen, wenn deren Kündigung bereits auf dem Tisch liegt. Dann müssen Sie in der Regel der Person aber deutlich mehr bieten, als wenn sie noch keine neue Stelle gefunden hat, damit sie sich die Entscheidung nochmals überlegt. Zu Recht, denn dann haben Sie im Vorfeld die Wechselsignale nicht erkannt. Ansonsten läge nicht unverhofft die Kündigung auf dem Tisch.
Gast-Autoren
Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstraße (www.doll-beratung.de). Seine Frau Nikola Doll arbeitet das Business-Coach insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen. (www.doll-coaching.de). Gemeinsam führen sie regelmäßig eine sogenannte „Change-Werkstatt – to go“ durch, in der sie mit Führungskräften sowie Selbstständigen bzw. Unternehmern Lösungen für akute betriebliche Probleme erarbeiten.
Wechselwillige zum Bleiben motivieren