Burnout ist etwas Anderes als eine „pure“ Überlastung. Es ist sehr konkret, doch mit unterschiedlichen Ausprägungen. Wie kann jemand – zB ein Business Coach – feststellen, ob ein Manager oder eine Managerin „nur“ überlastet ist, oder ob ein Burnout bereits an die Tür klopft? Wie äußern sich die Burnout Symptome?
Ich rufe eine Runde aus Business Coches zu einem Interview zusammen. Diese Expertinnen schöpfen aus einem reichen Erfahrungsschatz und sind – das war nicht beabsichtigt, doch offensichtlich wenn ich in die Runde blicke – ausschließlich Frauen. Weshalb das so ist? Sind Business Coaches eher weiblich als männlich? Nein, ich verzettel mich, das ist ein völlig anderes Thema. Für ein eigenes Interview möglicherweise …
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Interview: Burnout Symptome bei Führungskräften
Wie stellen Sie bei einer Führungskraft, die wegen Überforderung / Stress zu Ihnen kommt, zielsicher fest, dass es sich um Burnout handelt?
Dr. Judith Girschik (Leadership Institute | LSS Leadership Services GmbH):
Wertvolle Hinweise liefern auch psychometrische Tests. Hohe Werte in den Bereichen Neurotizismus und Harmoniebedürfnis, gepaart mit maximalem Rückzug lassen auf einen besonders intensiv erlebten inneren Kampf mit der Umwelt schließen. Die Reflexion solcher Testergebnisse mit dem Kunden rundet das Bild dann ab.
Trotzdem lassen sich in der kurzen Zeit, die man mit dem Coachee verbringt, nicht immer alle wesentlichen Komponenten sinnvoll erfassen, vor allem wenn die Klientin seine Herausforderungen in anderen Bereichen verortet. Dazu kommt: Der Weg in ein Burn-Out ist schleichend, und zieht sich meist über Jahre.
Grundsätzlich lässt sich allerdings sagen: Ist ein Klient über mehrere Sitzungen hinweg nicht in der Lage, die im Coaching vereinbarten Schritte in die Praxis umzusetzen, empfiehlt sich die Konsultation einer Ärztin.
Und: Je früher professionelles Coaching ansetzt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass der Klient in Folge beruflicher Belastung in ein Burn-Out schlittert.
Mag. Eva Laukhardt, MSc (ITO Individuum Team Organisation):
Der Einsatz von Burn-Out-Fragebögen bietet sich an, um die Führungskräfte selbst zu sensibilisieren und sich ein umfassendes Bild über Burnout Symptome und den Schweregrad des Burnouts machen zu können.
Burnout kann als seelischer und körperlicher Erschöpfungszustand beschrieben werden. Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrations- und Leistungstiefs, Schlafstörungen, Gereiztheit oder depressive Verstimmungen und Hoffnungslosigkeit sowie vielfältige körperliche Beschwerden im Bereich des Verdauungstrakts, Herz-Kreislauf-Systems, Haltungsapparats, Migräne, Tinnitus etc. können auftreten.
Seelisch steckt häufig eine Sinn- und Identitätskrise oder/und frühe Überforderungssituationen hinter einem Burnout. Viele Managerinnen, die an Burnout leiden, haben sich Zeit ihres Lebens über ‚Leisten und Funktionieren Müssen‘ definiert, weil es in der Kindheit einen starken Mangel an Anerkennung und bedingungsloser Zuneigung oder eine Überforderung durch zu starke Verantwortungsübernahme für Familienmitglieder gab. Ein enttäuschender beruflicher Misserfolg, das ‚Überholtwerden‘ durch andere, oder ein kritischer, abweisender Vorgesetzter können Auslöser sein, um solche inneren seelischen Mangelzustände wiederzubeleben.
Veronika Aumaier, MAS, MSc (Aumaier Consulting Training GmbH):
Wir unterstützen Führungskräfte dabei zu reflektieren, welche Aspekte zur gegenwärtigen Situation beitragen und welche Lösungen zur Bewältigung möglich wären. Dabei setzen wir bei Bedarf drei Coaches in vier Schwerpunktthemenfelder ein. In Fällen von Überforderung/Stress startet unsere Wirtschaftspsychologin, die auf Basis ihres Wissens und ihrer Erfahrung die nächsten Schritte setzt.
Gegebenenfalls stellt sie über ihr einschlägiges Gesundheitsnetzwerk medizinische Beratung/Betreuung sicher.
Luzia Fuchs-Jorg (KICK OFF Management Consulting):
Nur die wenigsten Führungskräfte, die vor einem Burnout stehen und die Coachingstunden buchen, sind sich bewusst, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stehen.
Im Vorgespräch klären wir, worum es beim Coaching gehen soll, doch in der ersten Coachingstunde wird eine saubere Anamnese durchgeführt. Es gibt klare Anzeichen, die darauf hinweisen, dass Burnout droht. Oft entsteht eine Lustlosigkeit zu arbeiten und dennoch völlig von der Arbeit in Anspruch genommen sein, es treten Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme auf, man ist rasch erschöpft – zeigt rasche Stress-Muster, wird reizbar und vergesslich. Es tauchen Gefühle von Inkompetenz, Schuld und Versagensangst ein, man neigt zum Grübeln, nimmt oft unregelmäßig Nahrung zu sich und leidet unter Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Manchmal kommt es zu Herzrasen und Panikattacken.
Oft kommen die Führungskräfte nur, weil sie von einer Partnerin oder von einem Kollegen zum Coaching gedrängt werden.
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult Prohaska):
Hier 5 typische Veränderungen, die einen guten Hinweis auf Überforderung geben:
- Fehler schleichen sich ein: Die Betroffenen merken das auch selber und stehen nur noch mehr unter Druck.
- Andauernde Müdigkeit, ohne Erholungsgefühle: Das Gefühl, die Arbeit nicht zu schaffen, raubt vielen den Schlaf.
- Gereizte Stimmung: Ein typisches Anzeichen von Burnout ist verändertes Sozialverhalten (sozialer Rückzug), übermäßige Gereiztheit und Ungeduld.
- Pessimistische Einstellung: „Das funktioniert niemals!“ – „Wie sollen wir das schaffen?“ Solche Äußerungen sind typisch bei Überarbeitung.
- Häufige Krankenstände: Dauerstress kann beispielsweise anfälliger für Infekte machen oder sich auf den Magen schlagen.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy):
Burnout gehört in die Hände von Medizinern und Psychotherapeuten, die eine entsprechende Ausbildung haben – hier darf man im Coaching keine Grenze überschreiten. Bei Verdacht bespreche ich das mit meinem Coachee und biete einen Test an, der die Stressbelastung und die Selbstkompetenzen zeigt. Ich empfehle auf jeden Fall auch eine ärztliche Konsultation und bleibe mit meinem Coachee so lange in Kontakt, bis er in eine gute Betreuung gekommen ist.
Manchmal schafft der Coachee auch den Turnaround, wenn das Burnout nicht zu weit fortgeschritten ist (siehe Burnout-Stadien) – dann geht es meist um Abgrenzung, Einführen von Pausen, Erlernen von Stress-Reduktionstechniken, Änderungen in der Tagesplanung und Veränderung von in eine Erschöpfung führenden Glaubenssätzen in konstruktive, stärkende Glaubenssätze.
Mag. Laura Soroldoni (bab Unternehmensberatung):
Hier ist es wichtig klar zu unterscheiden: Die Diagnose von „Burnout“ liegt bei ärztlichem Fachpersonal oder klinischen Psychologinnen und Psychologen. Selbst von Fachkräften ist diese Diagnose oft schwer zu stellen. Burnout ist zudem ein „Syndrom“, d.h. gewöhnlich von mehreren Beschwerden, psychisch und physisch begleitet – diese variieren von Person zu Person.
Trotzdem gibt es typische Anzeichen, die auf ein mögliches Burnout schließen lassen:
- Die Führungskraft ist unter Daueranspannung (sie hat das Gefühl, dass sie noch eben dies und das erledigen muss, bevor sie sich entspannen kann).
- Schmerzen aller Art treten auf (Kopf- und Schulterschmerzen, Rückenschmerzen, Tinnitus, Bandscheibenvorfall).
- Ein „Detachment“ gelingt nicht, also das gedankliche Loslassen der Arbeit. Das kann Schlafprobleme verursachen.
- Freizeitaktivitäten werden stark eingeschränkt, soziale Kontakte reduziert. Die Führungskraft hat keine Zeit mehr für Hobbys, Freundschaften, Beziehung und erholsame Aktivitäten.
- Die Energielosigkeit wird versucht durch noch mehr Leistung zu kompensieren.
- Schließlich kommt es zu einem extremen Erschöpfungszustand, dann zu einer Distanzierung gegenüber der Arbeit.
Als Beraterin ist es wichtig, im Gespräch auf die oben genannten Anzeichen zu achten und herauszufinden, wie lange dieser Zustand schon anhält. Wenn ein mögliches Burnout im Raum steht, sollte dieser Verdacht geäußert werden und der Führungskraft die Kontaktaufnahme zu ärztlichem Fachpersonal oder klinischen Psychologen empfohlen werden.
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Die Interview-Partner
Veronika Aumaier, MAS, MSc
- Geschäftsführende Gesellschafterin
- Aumaier Consulting Training GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.aumaier-coaching.com
Dr. Judith Girschik
- Geschäftsführende Gesellschafterin
- Leadership Institute | LSS Leadership Services GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.leadership-institute.at
Mag. Laura Soroldoni
- Projektleiterin und Beraterin
- bab Unternehmensberatung GmbH
Mag. Sabine Prohaska
- Geschäftsführung
- seminar consult prohaska
- Unternehmens-Profil
- www.seminarconsult.at
Luzia Fuchs-Jorg
- Geschäftsführerin
- KICK OFF Management Consulting GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.kick-off.com
Mag. Eva Laukhardt, MSc
- Coach, Consultant
- ITO Individuum Team Organisation
- Unternehmens-Profil
- www.ito.co.at
Corinna Ladinig, MBA
- Geschäftsführerin
- CTC Academy OG
- Unternehmens-Profil
- www.ctc-academy.at