Oftmals gewähren Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden zusätzliche Entgelte, bezahlte Freizeiten oder sonstige Leistungen. Dabei ist zu bedenken, dass damit unbeabsichtigt eine Betriebsübung bzw betriebliche Übung entstehen kann. Gewährt der Arbeitgeber der Belegschaft wiederholt Zusatzleistungen, ohne klare Regelungen zu treffen, kann dies einen Anspruch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen begründen, von dem Arbeitgeber nicht mehr ohne weiteres „wegkommen“.
Dieser Artikel soll einen Überblick darüber geben, wie eine Betriebsübung im österreichischen Recht entstehen, wie sie verhindert werden und ob und wie man eine betriebliche Übung wieder „loswerden“ kann.
INHALT
Beispiele für freiwillige Leistungen, die zu einer betrieblichen Übung werden können
Es muss eine bestimmte freiwillige Leistung vorliegen, damit eine betriebliche Übung entsteht. Beispiele aus der Praxis könnten sein:
- Überstundenzuschläge für bestimmte Dienstverrichtungen
- Bilanzgelder bzw. Gewinnbeteiligungen
- Bonuszahlungen bzw. Prämien
- Firmenpensionen
- Pensionszuschüsse
- Dienstwagen
- Essensgutscheine
- Erhöhtes Urlaubsausmaß
- Gewährung von Homeoffice
- Freizeitgewährung an bestimmten Tagen (z.B. Karfreitag, Allerseelen, …)
Erfasste Mitarbeitende
Damit von betrieblicher Übung gesprochen werden kann, muss eine freiwillige Leistung an die Belegschaft (zB Gesamtheit der Mitarbeitenden) oder eine Gruppe von gewisser Größe (z.B. Mehrheit) gewährt werden. Werden freiwillige Leistungen nur einzelnen oder wenigen Mitarbeitenden oder einer Minderheit gewährt, entsteht keine betriebliche Übung, sondern eine „Individualübung“.
Von einer betrieblichen Übung sind auch zukünftige Mitarbeitende erfasst, da die betriebliche Übung grundsätzlich auch Bestandteil der Arbeitsverträge von zukünftigen Mitarbeitenden wird.
ENTSTEHEN einer betrieblichen Übung
Das Entstehen einer betrieblichen Übung beruht nicht auf gesetzlichen Grundlagen. Vielmehr wird der einzelne Arbeitsvertrag, ohne dass dies schriftlich im Arbeitsvertrag dokumentiert ist/sein muss, durch eine Betriebsübung geändert.
Damit eine betriebliche Übung entstehen kann, muss eine freiwillige Leistung durch den Arbeitgeber in regelmäßigen und wiederkehrenden Abständen gewährt werden. Wesentlich ist, dass die freiwillige Leistung wiederkehrend ist und nicht bloß einmalig erfolgt. Unbeachtlich ist dabei, ob es sich bei den periodischen Abständen um Wochen, Monate oder Jahre handelt.
Damit eine Leistung als „wiederkehrend“ bezeichnet werden kann, müssen die Mitarbeitenden darauf vertrauen dürfen, dass sie die Leistungen weiterhin erhalten werden. Dieses Vertrauen ist dann gegeben, wenn die Mitarbeitenden am Bindungswillen des Arbeitgebers keinen vernünftigen Grund zu zweifeln sehen. Entscheidend ist also allein der Arbeitnehmerhorizont. Wird eine freiwillige Leistung beispielsweise täglich oder wöchentlich gewährt, dürfen die Mitarbeitenden – außer, es kommen besondere Umstände hinzu – bereits nach einigen Wochen bzw. wenigen Monaten auf die Wiederholung vertrauen.
Betriebliche Übung VERHINDERN
Das Entstehen einer betrieblichen Übung kann nicht durch Regelungen im Arbeitsvertrag verhindert werden, da es hier auf die faktischen und tatsächlichen Umstände ankommt. Auch wenn Klauseln wie „nach freiem Ermessen und auf freiwilliger Basis“, „ohne Rechtsanspruch des Arbeitnehmers“ in den Vertrag aufgenommen werden (was durchaus sinnvoll ist!), können diese Klauseln alleine das Entstehen einer Betriebsübung nicht verhindern. Anders gesagt: Trotz entsprechender Klauseln im Arbeitsvertrag kann es sein, dass durch die tatsächliche Gewährung der freiwilligen Leistung ein Anspruch der Mitarbeitenden entsteht.
Es ist daher dringend zu empfehlen, anlässlich der konkreten Gewährung einer freiwilligen Leistung jedes Mal schriftlich bzw. sonst nachweislich darauf hinzuweisen, dass die konkrete Leistung einmalig ist und kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.
Betriebliche Übung BEENDEN
Eine einmal entstandene betriebliche Übung kann der Arbeitgeber nicht ohne weiteres einseitig beenden oder abändern. Wie kommt ein Arbeitgeber aber „weg“ von einer Betriebsübung?
- einvernehmlich: Die Beendigung einer betrieblichen im Einvernehmen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmennden ist möglich, aber nicht immer unkritisch, da ein Verzicht von Mitarbeitenden während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiters wirksam ist.
- negative betriebliche Übung: Mit einer negativen betrieblichen Übung soll stillschweigend eine Vertragsänderung zu erwirkt werden. Dabei wird die Leistung faktisch entweder in geringerem Ausmaß oder gar nicht mehr geleistet. Auch dies ist allerdings nicht ohne weiteres stets wirksam und durchsetzbar.
- Stichtagsregelung: Für zukünftige Arbeitnehmende kann eine Stichtagsregelung getroffen werden, sodass eine betriebliche Übung für Neueintritte ab einem gewissen Stichtag nicht mehr gilt.
Betriebsübung und Betriebsvereinbarung
Wenn Betriebsvereinbarungen Bereiche behandeln, die grundsätzlich nicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden können, handelt es sich in der Regel um eine „unechte Betriebsvereinbarung“. Solche „unechten Betriebsvereinbarungen“ können durch die tatsächliche Gewährung und Inanspruchnahme von freiwilligen Leistungen Inhalt der Arbeitsverträge der einzelnen Mitarbeitenden werden. Dies hat zur Folge, dass die in einer „unechten Betriebsvereinbarung“ getroffenen Regelungen ebenso wie eine Betriebsübung von Unternehmen weder einseitig aufgehoben werden, noch einseitig durch eine weitere, neue Betriebsvereinbarung aufgehoben oder geändert werden können.
Unechte Betriebsvereinbarungen sollten daher vermieden oder wenn, dann nur mit (einmaliger) Befristung oder Widerrufsvorbehalt geschlossen werden. Wenn nämlich die Mitarbeitenden Kenntnis davon haben, werden die Befristung oder der Widerrufsvorbehalt jeweils Inhalt des einzelnen Arbeitsvertrags. Eine freiwillige Leistung kann man dann entweder mit Zeitablauf eingestellen oder – im Falle des Widerrufsvorbehalts – aus einem sachlich gerechtfertigten Grund eingestellen.