Big resignation, big quit, quiet quitting – die Jobmüdigkeit scheint allgegenwärtig und findet in immer neuen Wellenbewegungen auch bei europäischen Arbeitnehmern ihren Widerhall.
INHALT
Für Unternehmen eine prekäre Situation, wenn neben der schwierigen Suche auf dem ausgetrockneten Jobmarkt auch noch die bestehenden Mitarbeitenden den Job quittieren oder innerlich kündigen und damit nur mehr das notwendige Minimum machen würden.
Möglicherweise handelt es sich bei der Quiet Quitting Debatte nur um ein Trendthema, welches bald schon wieder der Vergessenheit angehört. Was jedoch rundherum spürbar ist, ist die generelle Jobmüdigkeit nach mehr als herausfordernden Zeiten. Doch was für ein Dilemma! Wie konnte Arbeit so in Verruf geraten, dass das einzige Heil scheinbar darin liegt, nicht mehr arbeiten zu müssen? Freizeit und Urlaub erscheinen erstrebenswert. Arbeit hingegen hat den Nimbus des krank, mürrisch und unglücklich machenden, sollte man den Schlagzeilen Glauben schenken.
Siehe dazu auch ⇒ HRweb-Artikel „Quiet Quitting | Der stille Abgang“ von Gerd Beidernikl
Arbeit hat jedoch so viel zu bieten …
Wir wissen, dass wir Strukturen brauchen, die uns herausfordern und aus der Komfortzone bringen. Wir wachsen mit und an schwierigen Aufgaben. Wir entwickeln uns als Persönlichkeiten mit all unseren Fähigkeiten nur weiter, wenn wir uns all den Aufgaben stellen, die ein Leben zu bieten hat: Auf und Ab, Hochs und Tiefs, Tops und Flops im Wechsel.
Anleihe an den Heldenreisen …
Alle erfolgreichen Serien, Filme, Videospiele und Bücher verfolgen das Prinzip, dass die Hauptfigur(en) herausfordernde Situationen zu meistern haben. So wachsen sie und laufen zur persönlichen Höchstform auf – scheitern inbegriffen. Am Höhepunkt angekommen dürfen sie entspannen und eine „glückliche Auszeit genießen“, bis das nächste Abenteuer ruft.
Freizeit, Auszeit, Entspannung, Urlaub etc …
sind Zeiten der Entspannung und der Erholung. Sie folgen idealerweise auf Zeiten der Anspannung und Herausforderung und helfen uns, in Summe in Balance zu bleiben. Sie sind die eine Seite der Medaille, Arbeit die andere: sowie Tag und Nacht, Sommer und Winter. Sie bilden das Gegenteil oder den Gegensatz: das eine, das ohne das andere nicht existieren kann. Wenn die Freizeit zum alleinigen Lebensinhalt wird, kommen wir zum Stillstand. Wir können dann nicht mehr all unsere Fähigkeiten und angelegte Potenziale entfalten und zum Einsatz bringen. „Werde die beste Version von dir selbst“ gelingt nur, wenn wir uns durch intensive Herausforderungen über uns hinauswachsen. Das impliziert auch Scheitern, Verlust und Enttäuschung.
Ein Hoch auf die Arbeit …
Wie kann es gelingen, Arbeit in unserem Leben wieder eine überwiegend positive Bedeutung zu geben, die sie zweifellos in unserem Leben haben soll? Wir alle haben dies in der einen oder anderen Form schon erlebt: Erinnern wir uns, an die positiven Vorzüge von Arbeit und rufen wir uns die wesentlichsten in Erinnerung:
10 gute Gründe, um Arbeit wieder in einem besseren Licht sehen zu können:
1. Arbeit bietet Struktur
Arbeit hilft uns strukturiert durch den Tag! Sie liefert uns den Grund morgens aufzustehen, sich zurecht zu machen und sich außer Haus zu begeben. Sie teilt uns den Tag ein, lässt ihn schnell vergehen und kurzweilig wirken.
2. Arbeit bietet Begegnungsmöglichkeiten
Arbeit beschert uns Kontakte unterschiedlichster Art zu unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Wir haben Prozesse abzustimmen, Schnittstellen zu klären, Verhandlungen zu führen, Meetings abzuhalten oder an ihnen teil zu nehmen etc. Aufgrund unserer Arbeitsinhalte geraten wir in den Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen in den unterschiedlichsten Situationen. Wir profitieren von dieser Fülle an Begegnungen.
3. Arbeit beschert uns Anerkennung und Wertschätzung
Niemand in unserem privaten Umfeld – ob Familie, Freunde, Bekannte oder Nachbarn – könnte andauernd dermaßen viel an Anerkennung und Wertschätzung geben, wie wir sie in der Arbeit erfahren: Projekte, die gelingen, Deadlines, die eingehalten werden, Lösungen, die wir entwickeln, Ideen, die wir generieren, Komplimente, die wir erhalten, Bewährungsproben, die wir meistern etc sie alle werden uns in der Arbeit angeboten, wenn wir uns auf Situationen einlassen, die uns fordern.
4. Arbeitet unterstützt unsere Entwicklung
Nur wenn wir unsere Komfortzone verlassen, wachsen wir. Reflexion von Verhalten in bestimmten Situationen verhilft uns zu Erkenntnissen, die wir in Folge bewusst einsetzen können. Wir können alle in uns angelegten Fähigkeiten und Potenziale anwenden und so unser gesamtes Repertoire an Wissen und Handeln zum Ausdruck bringen. Das bestimmt uns ein erfülltes, zufriedenes Leben.
5. Arbeit ermöglicht uns Lernen
Wir erweitern durch ständige, neue und geänderte Rahmenbedingungen unseren Horizont, lernen unsere Impulse zu kontrollieren und uns in Rollen adäquat zu verhalten. Wir erfahren andere Perspektiven und schärfen unsere Wahrnehmungen.
6. Arbeit gibt uns Gestaltungsspielraum
Wir haben durch die Ziele und Aufgaben in unserer Arbeit die mannigfaltigen Möglichkeiten etwas zu verändern, weiterzuentwickeln, zu optimieren, umzugestalten und zu erneuern. Wir können nach Vervollkommnung und Innovation streben und diese innerhalb unseres Verantwortungsrahmens konsequent pro aktiv weiterverfolgen.
7. Arbeit sichert unseren Lebensstandard
Arbeit gibt uns Mittel, um ein gutes Leben in dem Ausmaß zu führen, wie wir unsere Zeit, unsere Fähigkeiten und unsere Emotionen einsetzen möchten. Ausdauer, Disziplin und Geduld sind die Bitterstoffe, die die Süße des Erfolges, des Aufstiegs, der Entwicklung benötigt. Beides verhilft uns zu Arbeitsfreude und Arbeitserfolg auch in Form finanzieller Ergebnisse.
8. Arbeit gewährt Sicherheit
Unser Leben wird durch die Früchte unserer Arbeit steuerbar und planbar. Wir können finanzielle Risken eingehen und in unsere Zukunft und die unserer Familie investieren. Wir können mittel- und langfristige Vorhaben starten und damit unsere Zukunft und unseren Lebensstandard sichern.
9. Arbeit verschafft uns Zugehörigkeit
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Diesen Aspekt unterstützt neben der Mitgliedschaft in diversen Vereinen auch der Teamspirit in Arbeitsgemeinschaften.
Wir genießen es, uns mit Gleichgesinnten und Gleichgestellten auszutauschen – nicht nur in Vereinsangelegenheiten – auch in Arbeitsinhalten und -kontexten.
10. Arbeit gibt uns Status
Wir bevorzugen es, innerhalb von Gruppen unseren Platz zu wissen und ihn einzunehmen. Wir beziehen einerseits Status aus Lebensalter und Dienstzugehörigkeit und andererseits aus Erfahrungen, Wissen und Funktionen.
Letzteres gibt uns die Macht, Entscheidungen zu treffen und anderen Anweisungen zu geben. Dafür ernten wir Gefolgschaft, Anerkennung und Akzeptanz. Status, der uns von außen gegeben wird und den wir uns innerlich zugestehen müssen. Der Preis liegt in der Übernahme von Verantwortung und die Anerkennung und Beachtung ihrer Konsequenzen.
Schlussworte
Sich der Arbeit zu entziehen bedeutet, viele interessante und herausfordernde Gelegenheiten auszuschlagen. Sich in der Arbeit auf Dauer auf ein Minimum an Aktivitäten zu beschränken, heißt sich mit Mittelmäßigkeit zufrieden zu geben. So wie man an Herausforderungen wachsen kann, kann man auch an Unterforderung hinter seinen Potenzialen zurückbleiben. Natürlich kann und soll kein Mitarbeitender durchgehend 100% und mehr geben – balance is the key!
Jedoch wäre es ewig schade, wenn man sich auf die Achterbahn des Lebens mit all ihren Aufs und Abs nicht voll und ganz einlässt. Und Arbeit spielt dabei eine ganz wichtige Rolle!
Qiet quitting | Wollen wir Arbeit wirklich auf ein notwendiges Minimum reduzieren?