Viele personalistische Trendbegriffe der letzten Jahre sind stark US-amerikanisch geprägt. Besonders trifft es auf „The Great Resignation“ oder den „Quiet Quit“ zu. Phänomene der erhöhten Wechselbereitschaft, die seit COVID19 vom Arbeitsmarkt berichtet werden. Aber kennen Sie schon den „Great Regret“? Tja….
INHALT
Der Begriff der „Great Resignation“ – also frei übersetzt der „großen Kündigungswelle“ – ist ein Begriff, der über die letzten Monate, inzwischen fast 1,5 Jahre, Einzug in viele personalistischen Diskussionen gehalten hat. Im Kern dahinter steckt eine scheinbar erhöhte Wechselbereitschaft im Folge der COVID19-Erfahrungen von Arbeitnehmenden. Dass ich diese Debatte durchaus kritisch sehe haben Sie im HRweb ja bereits gelesen (⇒ „Great Resignation | Große Austrittswelle oder Übertreibung?“).
Die große Resignation
Der Resignations-Welle folgte gleich ein weiterer Begriff hinten nach: „Quiet Quitting“. Eine Beschreibung eines vermeintlich beobachtbaren Phänomens, dass immer mehr Arbeitnehmende immer klarer zwischen dem vertraglichen vereinbarten Soll und der „Extra-Meile“ abgrenzen. Und schlichtweg letztere nicht mehr bereit sind tagtäglich zu gehen. Im Positiven gesehen also eine gesunde Abgrenzung, in einer Negativbetrachtung die „innere Kündigung“. Diese ist aus meiner Sicht eher ein medial getragenes, denn empirisch gestütztes Phänomen (⇒ siehe auch HRweb-Artikel „Quiet Quitting | Der stille Abgang“). Und auch kein neues, wenn man die Thematik psychischer Belastungen in der Arbeit verfolgt oder auch Gen-Z Phänomene wie dem Work-Life-Cut, dem immer klareren Abgrenzen zwischen Arbeit und Freizeit, Aufmerksamkeit schenkt.
Der Schock der am Fuße folgt – The Great Regret
Studie # 1
Hier kommt ein neuer Begriffsverwandter aus Ami-Land: „The Great Regret“ oder „Shift Shock“. Haben Sie von diesen schon gehört? Sie subsumieren medial wirksam die Hypothesen aus einigen Studien, in denen Jobwechslende der letzten Jahre zu einem deutlich merkbaren Teil auch mit ihrem neuen Job unzufrieden sind. Eine erste Quelle dieser Gedanken wird meist einer Studie der amerikanischen Jobplattform Muse zugeschrieben.
Von 2.500 Personen die gewechselt haben, sagen scheinbar 72%, dass sie einen „Shift Shock“ verspüren, eine Enttäuschung der Erwartungshaltung nach dem Jobwechsel. Von diesen wiederum:
- meinten 41% sie würden dem neuen Job 2-6 Monate eine Chance geben und diesen ausprobieren
- meinten 48% sie würden ggf. auch versuchen ihren alten Job vor dem Wechsel zurückzubekommen
- 80% davon meinten sie würden den neuen Job auch in den ersten paar Monaten wieder verlassen, wenn er weiterhin nicht passen würde.
Studie # 2 zum Great Regret
Eine andere Quelle für die Great Regret gefällig? Der US Job Market Report spricht davon, dass 42% der Menschen die gewechselt haben fänden, der neue Job erfülle nicht die Erwartungen warum gewechselt wurde.
- 22% sprechen davon, dass sie Kollegen vermissen
- 17% sagen, dass der neue Job nicht wie beschrieben ist
- 16% meinen, dass ihr alter Job doch besser war als gedacht
- 40% bereuen den Wechsel wegen eines Bruches in ihrer Karriere
Ich kann und will die Qualität dieser Studien in keiner Weise positiv bestätigen noch negativ betrachten. Derartige Studien finden sich wohl viele. Und diese Studien treffen medial in ein Wespennest an aktuellen Themen und Problemen. Und ich werde in den nächsten Tagen und Wochen weiter recherchieren, was es hier ggf. an europäischen Studien mit diesem Fokus gibt.
4 Gedanken zum Great Regret, die daraus folgen
Ich erlaube mir aber auf jeden Fall ein paar Gedanken zu äußern:
Es ist nicht alles Gold was glänzt.
Gerade beim Verlassen eines bestehenden Dienstgebers gehen Mitarbeitende auch Risiken ein. Wechselrisiken. Das Gehalt ist wohl das einzige Element, was fixiert werden kann. Alles andere – Kollegen, Jobinhalte, Unternehmenskultur,…. – sind leere Versprechungen, bis man diese erlebt. Und Unternehmen müssen das Unbeweisbare zunehmen beweisen: Wie wird es sein hier zu arbeiten?
Personalabteilungen werden „Verkäufer“ (oder sogar Gebrauchtwagenhändler).
Ich habe schon oft darüber geschrieben, dass Personalisten zusehendes „Verkäuferinnen“ für offene Jobs werden müssen. Vielleicht hat dies schon zur Nebenwirkung, dass die Beschreibung und die Realität eines Jobs teilweise weiter auseinanderklaffen, als dieses es vor der COVID19 Krise taten. Denn es besteht oft dringlicher Bedarf neue Mitarbeitende zu finden. Vielleicht führt dies zu mehr Hochglanz als Substanz in den Jobannoncen.
Drum prüfe wer sich ewig (oder zumindest ein wenig) bindet.
Die Bleibebereitschaft von v.a. jungen Mitarbeitenden hat über die letzten Jahre und Jahrzehnte deutlich abgenommen. Das betrifft nicht nur Bestandsjobs sondern auch neue Jobs. Ein unterzeichneter Dienstvertrag ist kein Garant mehr für einen neuen Kollegen. Viele Menschen suchen im Probemonat weiter. Und v.a. junge Menschen sind nicht bereit in einem Job zu bleiben, der sie unglücklich macht (⇒ vgl. derStandard-Artikel). Die Konsequenz: es geht um dauerhafte Anstrengungen, nicht nur „Sprint“ im Recruiting.
Bumerange fangen
Die Studien sprechen davon, dass Menschen ggf. nach einem Wechsel wieder zu ihrem ursprünglichen Arbeitgeber zurückkehren wollen. Nutzen Sie das und halten Sie die Türen offen. Warum nicht! Fangen Sie den Bumerang, bevor er sie am Kopf trifft.
Es tut sich viel am Arbeitsmarkt und ich glaube, die Zeiten werden dynamisch bleiben!
The Great Regret | Katzenjammer nach dem Wechsel