In diesem Beitrag geht es um eine Begriffsklärung von „Digital HRM“. Das klingt sehr einfach und etwas langweilig, ist es aber nicht. Gerade im Kontext von Digitalisierung werden Begriffe häufig unterschiedlich verwendet, das mündet nicht selten in einer Begriffskonfusion und daraus resultierenden Missverständnissen.
Autorin: Christina Schweiger
Es handelt sich um den Begriff „Digital Human Resource Management“ (kurz Digital HRM), der sich im Sprachgebrauch mit verwandten Begrifflichkeiten, wie z.B. e-HRM, technology-based HRM oder auch einfach mit Klassikern wie der digitalen HR-Transformation, vermischt. HR-Verantwortliche klagen häufig, dass die Zusammenarbeit mit IT-Experten schwierig ist und Digitalisierungsprojekte oft u.a. an einem unterschiedlichen Begriffsverständnis scheitern. Daher soll dieser Begriff nachfolgend näher spezifiziert werden. Vielleicht ist das für den einen oder die andere hilfreich bei der Begleitung und/oder Bearbeitung von Digitalisierungsprojekten.
Schritt 1
In einem ersten Schritt soll der Aspekt der Digitalisierung näher betrachtet werden, wobei folgende Unterscheidung aus der englischsprachigen Literatur hilfreich ist. Wird im Kontext von HRM von digitization gesprochen, so ist damit die Umwandlung von analogen in digitale HR-Daten gemeint. Wird das daraus resultierende Potenzial durch sozio-technische Prozesse genutzt, z.B. durch die Automatisierung von HR-Prozessen, dann spricht man von digitalization. Werden diese Begriffe von einer Übersetzungssoftware (z.B. deepl.com) ins Deutsche übersetzt, resultiert daraus in beiden Fällen der deutsche Begriff Digitalisierung. Demnach wird zwischen den beiden Begrifflichkeiten kaum differenziert. Von digitaler Transformation (digital transformation) wird erst dann gesprochen, wenn die generierbaren Vorteile aus der Digitalisierung zur Initiierung von strategischen Veränderungen und Wettbewerbsvorteilen verwendet werden, wie z.B. durch strategische Entscheidungsfindung basierend auf einer z.B. KI-geleiteten Analyse von HR-Daten (HR Analytics). Digitale Transformation im HRM umfasst demnach stets eine strategische Komponente.
Schritt 2
In einem zweiten Schritt widmen wir uns dem Begriff des Human Resource Management (HRM). Dieser umfasst grob zusammengefasst alle Aktivitäten zur Organisation von betrieblichen Aufgaben, Prozessen und dem zugehörigen Personaleinsatz. Es ist zu beobachten, dass v.a. der Ressourcen-Begriff im deutschsprachigen Raum sehr kritisch betrachtet wird und teilweise sogar negativ behaftet ist, nach dem Motto: Der Mensch ist doch viel mehr als eine reine Ressource und Personalmanagement demzufolge viel mehr als reines Ressourcenmanagement! Im Kontext des Employer Brandings suchen sich daher HR-Abteilungen immer öfter neue Bezeichnungen, welche die Soft-Facts der Personalarbeit und den Menschen per se mehr in den Vordergrund stellen, wie z.B. People & Culture. Auch zur Klärung dieser Begriffsunstimmigkeit ist ein Blick in die englischsprachige Literatur hilfreich. Dort sind Ressourcen wie der Mensch v.a. durch die folgenden Eigenschaften charakterisiert: sie sind wertvoll (valueable), selten (rare), schwer imitierbar (imperfect imitable) und nur sehr schwer austauschbar (non substitutable). Dies soll veranschaulichen, dass der im Begriff implizierten „Ressource Mensch“ eine hohe Wertigkeit beigemessen wird und HRM demnach über eine technisch-administrative Komponente hinausgehen muss.
Schritt 3
Werden in einem dritten Schritt beide Begriffe kombiniert, ergibt sich der eigentliche Begriff des Digital HRM. Dieser konzentriert sich auf Funktionen und Aufgaben des HRM im Kontext der Initiierung, Begleitung und Umsetzung von Digitalisierung im Personalmanagement und im gesamten Unternehmen. Hier sind zwei Handlungsebenen des digital HRM zu unterscheiden. Die erste umfasst die Digitalisierung von HR-Funktionen und Prozessen und hat somit eine Effizienzsteigerung durch Automatisierung bzw. Bereitstellung digitaler HR-Prozesse und -Services zum Ziel. Die zweite Handlungsebene bezieht sich auf den Beitrag, welchen das HRM für die Digitalisierung des gesamten Unternehmens leisten kann. Hier geht es um die strategische Neuausrichtung der Mitarbeitenden in veränderten Arbeitsrealitäten durch das Bereitstellen digitaler Kompetenzen (digital competencies), digitaler Arbeitswelten (digital work), adäquater Führung (digital leadership), Kultur (agile culture) und der strategischen Personalplanung vor dem Hintergrund zunehmender Automatisierung im gesamten Unternehmen (job replacement).
Schlussworte
Studien zeigen, dass sich das HRM zwar in einer verantwortlichen Rolle für die Digitalisierung im eigenen Unternehmen sieht, sich für die damit einhergehenden Herausforderungen jedoch noch nicht vollständig gerüstet fühlt. Um eine mitgestaltende und strategische Rolle im digitalen Zeitalter einzunehmen, fehlt es teilweise v.a. noch an digitalen Skills. Ein weiterer Begriff, der aktuell in aller Munde ist und dem es einer einheitlichen Definition fehlt.
Conclusio: Einheitliche Begriffsverwendungen sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von HR-Verantwortlichen und IT-Experten. Hier gilt es achtsam zu sein – und es gibt noch viel zu tun.
Quellen
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Kraus, S., Rohrscheidt, A. & Anderson, K. (2019). Benchmarking HR Digital 2019: DACH. Still transforming or already performing? Eine Studie der Universität Liechtenstein und der Promerit AG.
Strohmeier, S. & Parry, E. (2014). HRM in the digital age – digital changes and challenges of the HR profession. Employee Relations, 36/4.
Strohmeier, S. (2020). Digital human resource management: A conceptual clarification. German Journal of Human Resource Management, 34/3, 345-365.
Vrontis, D., Christofi, M., Pereira, V., Tarba, S., Makrides, A. & Trichina, E. (2022). Artificial intelligence, robotics, advanced technologies and human resource management: a systematic review. The International Journal of Human Resource Management, 33(6), 1237-1266.
Digital HRM | Ein Blick auf die Fachliteratur zur praktischen Begriffsklärung