Die 20. PoP. Viele liebe Freunde und Weggefährten und noch mehr neue Gesichter treffe ich hier. Und meine langjährige Freundin & HRweb-Autorin Silena Piotrowski. Gemeinsam lassen wir diesen Event-Bericht aus unseren Fingern fließen.
INHALT
Silena Piotrowski (links) und Eva Selan (rechts) vor Ort für HRweb.at
Event-Eckdaten:
- PoP – Power of People| Veranstalter: Business Circle | 27-28apr2023 | Stegersbach
- Save the date für die PoP 2024: 18+19apr2024
- www.businesscircle.at/…/pop-power-of-people
Event-Bericht & Eindrücke von Eva Selan
20 Jahre PoP
Es ist die 20. PoP. Dieses Jubiläum wird gebührend wertgeschätzt.
Wenn es ein Kongress schafft, so lange am Markt zu bestehen, dann muss er schon die Themen und Bedürfnisse der HR-Szene zu treffen. Damals, vor 20 Jahren waren nur wenige Alternativen am Markt (das war noch die Zeit, als es eine Personal Austria gab). Man konnte sich darauf verlassen, hier die Creme de la Creme der HR-Szene zu treffen. Immer die selben – mit allen Vor- und Nachteilen.
Johannes Warth bringt es am Ende des 1. Tages auf den Punkt: Romy dachte vor 20 Jahren wahrscheinlich in einem ersten Schritt „Wir sollten einmal …“ und dann hat es gepoppt!
Heute ist es ein solider Kongress, auf den ich mich jedes Jahr wieder freue. Mittlerweile gibt es viele zusätzliche Events und die kongressbesuchenden Personalisten teilen sich auf einige Veranstaltungen auf. Folglich sind bei der PoP viele neue Gesichter zu sehen, was viel frischen Input bedeutet.
45 % – 1. Mal hier
28 % – 2-4 x hier
10 % – 5-9 x hier
8 % – 10 + x hier
Das gibt einen guten Mix aus altbekannt und frischem Wind.
Persönlicher Rückblick
Für mich persönlich ist es die 16. PoP. Als ich vor 16 Jahren hier war, sah mein Leben noch anders aus: frisch von diversen firmeninternen HR-Rollen war ich soeben erst eingestiegen in die Rolle in einer HR-Redaktion. Ich hatte keine Kinder, ein HRweb.at war noch lange nicht in Sicht.
Damals hatte die PoP meine Erwartungen klar übertroffen. Seither hat sie es (als einziger Event überhaupt) geschafft, dass ich jedes Jahr mit dabei war – teilweise nur ein Tag mit Mann & Säugling am Rockzipfel, später wieder frei genug, um schon am Vorabend im kleineren Kreis mit einem Glaserl Wein anzustoßen.
Keynotes
Anette Mann (Austria Airlines)
Sie erzählt über den Weg der Austrian Airlines durch die Covid-Krise: auf den schlagartigen Umschwung Angang 2020 (zB drei Monate nur Rückhol-Flüge, kein einziger aktiver Outbound-Flug) folgten Verhandlungen zur Existenzsicherung durch das AUA-Rettungspaket. Nach drei Monaten hob der erste Flieger wieder ab und der große Aufschwung kündigte sich an.
Doch:
80-90 % der Mitarbeitenden waren in Kurzarbeit, fühlten sich nicht gebraucht und bauten dadurch Distanz zum Unternehmen auf.
10 % waren intensiv eingesetzt und erlebten die spannendste Zeit ihrer Karriere. Sie waren ein eigeschworenes Rettungsteam, das aktiv etwas beitragen konnte.
Diese zwei Lager waren sehr weit voneinander entfernt.
Der rapide Anstieg von wenig auf Voll-Auslastung Anfang 2022 führte zu breitflächiger Überlastung in der Belegschaft. Und viele gute Mitarbeitende hatten das Unternehmen verlassen.
Nach dieser Zeit, in der viele Führungskräfte nicht eigenverantwortlich und selbstentscheidend tätig sein konnten, ist die Austrian auf dem Weg, wieder partizipativ zu agieren. In Interviews und Workshops werden viele mit einbezogen und man besinnt sich auf alte Stärken („REDiscover“). Sie fanden und finden wieder zur gemeinsamen Identität.
Aktuelle Themen sind neue Uniformen, Benefits, Weiterentwicklung, Employee Experience – alles partizipativ, nicht top-down – mit dem Ziel, mehr Eigenverantwortung, Dialog und Zufriedenheit zu generieren.
Anette Mann (Austria Airlines)
Reza Moussavian (Zalando)
Vier Impulse für HR / PE für mehr Stabilität und Wachstum:
- Richtung und Rahmen geben – solve something that matters. Die Grundfrage ist immer das Kundenproblem und dessen Lösung.
- Zielberichtetes Arbeiten – start with yes. Die Grundhaltung ist: super, ich sehe es mir an!
- Nachhaltige Organisation – make us better, not bigger.
- Fähige Führung – live high challenge and high support.
Reza Moussavian (Zalando)
Event-Bericht & Eindrücke von Silena Piotrowski
Keynote: Humanisierung durch Depersonalisation
„Leiden Sie unter der Organisation?“ fragt Judith Muster (Metaplan & Uni Potsdam) „Das tun die meisten Menschen.“ Die These, die sie zur Diskussion stellt lautet: Organisationen brauchen Organisationsmitglieder und nicht Menschen. Sie lädt ein einen verfremdenden soziologischen Blick auf die Organisation zu werfen um etwas Neues zu sehen.
Judith Muster erzählt, dass Probleme üblicherweise personalisiert werden, anstatt systemisch (nach Luhmann) betrachtet zu werden. Menschen mit dem falschen Mind-Set oder mit mangelnder Führungskompetenz werden z.B. als Auslöser identifiziert. Sie findet das übergriffig und es verschleiere die wahren Probleme, nämlich die Verhältnisse bzw. die Strukturen im Unternehmen. Organisationen lieben es zu personalisieren, denn dadurch wird ein „Sündenbock“ für Probleme gefunden und das lässt sich leichter und schneller lösen als die strukturellen Probleme, die dahinterstehen.
Sie erzählt ein Beratungsbeispiel aus einer Produktion, wo eine Teamleiterebene eingezogen wurde und diese neugeschaffenen Führungskräfte nach kurzem die Mitarbeitenden anbrüllten – „Interaktionsdominanz“ nennt man das übrigens auf soziologisch. Es waren nicht unfähige Teamleitende sondern die mangelnden formalen Sanktionsmöglichkeiten, die hier einer wirksamen Führung entgegenstanden.
Sie findet es nicht hart, sondern im Gegenteil entlastend, wenn Organisationsmitglieder einfach Rollen erfüllen sollen anstatt als ganzer Mensch im Zugriff der Organisation zu stehen – wie z.B. in einem Kloster oder der Psychiatrie. „Man kann sehr lange Organisationen optimieren und die Menschen in Ruhe lassen – und damit kommt man sehr weit,“ schließt sie mit Nachdruck.
Judith Muster (Metaplan & Uni Potsdam)
Praxisimpulse on-the-go
- Metafinanz (mit Thomas Resch) hat vor fünf Jahren die gesamte Organisationsstruktur auf den Kopf gestellt und alle Incentives abgeschafft. Als zentraler Motivator tritt die Autonomie in Kraft. Die Organisation besteht nun aus autonomen Teams, die individuell festlegen, wie sie Entscheidungen treffen und wie sie sich rechnen durch einen Purpose für internen/externe Kunden. Mitarbeitende können sich jederzeit in anderen Teams bewerben oder neue Teams mit Purpose gründen.
- Nicole Prieller (PwC) zeigt vor, wie aus Zeitmangel ChatGPD ihren Vortrag geschrieben und Midjourney aus dem Text eine Präsentation gebastelt hat. Bahnbrechende (open-)AI Technologien werden unsere Arbeitswelt für immer verändern, sagt sie.
- Sabine Bothe (Erste Group) macht Mut: „Machen ist wie wollen, nur krasser. Einfach irgendwo anfangen und sich nicht von der Komplexität überrennen lassen.“
- Sylvian Schmid (Workday, Schweiz) bietet den Mitarbeitenden viel Flexibilität wie z.B. vier Wochen aus dem Ausland arbeiten zu können und alle fünf Jahre ein Sabbatical machen zu dürfen.
- Robert Radloff macht in seinen Fuckup Nights Mut offen über Fehler zu sprechen und dadurch für sich und alle sichtbar zu machen, was man daraus lernen kann. Gertrud Götze (T-Systems) macht es gleich mutig vor und erzählt, wie es ihr als Quereinsteigerin im HR mit einem Frauenteam ergangen ist, nachdem sie zuvor ausschließlich Männerteams agil geführt hat und mit lauter Buben aufgewachsen ist. „Meine Grundannahmen und Verhaltensmuster haben mit Frauen einfach nicht funktioniert.“
Das Dazwischen als zweiter Hauptgang
„Was hat dir die PoP gebracht?“ frage ich bei köstlichen Kleinigkeiten in den Pausen, beim exquisiten Abendessen und bei der Rückfahrt in dem von Business Circle gesponserten Shuttle Bus (Nachhaltigkeit) nach Wien. „Ich hab einige spannende Impulse mitgenommen und es entspannt mich, dass die anderen auch nur mit Wasser kochen. Wir machen das gar nicht so schlecht bei uns.“ So und ähnlich höre ich es oft. Die Keynotes, die Impulse aus der Praxis und der herzlich-lockere Austausch unter den HR-Managerinnen zwischendurch machen diese Konferenz zu einer so stärkenden und inspirierenden Erfahrung, dass der Großteil des Auditoriums aufzeigt, als Romy Faisst (Business Circle) die Frage stellt, wer gerne den Hauptgewinn, das Ticket für die PoP 2024 gewinnen will.
Bonmot zum Abschluss
Johannes Warth, der Mutmacher aus Schwaben, demonstriert kurz vor dem Champagner, den Romy gekonnt mit dem Säbel köpft, den Unterschied, wenn der Mensch/Human in der Organisation im Mittelpunkt steht vs. irgendwo am Rand. Dann wird nämlich aus „one team to tHe customer“ „oHne team to te customer“. Was Niklas LuHmann dazu sagen würde? Ich frag mal ChatGPD.
HRweb vor Ort | Die 20. PoP … lasst uns feiern & den Champagner fließen!
Johannes Warth
Fotos: © Thomas Magyar