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Gendern in Seminaren | 3 Ebenen in Wort & Schrift

20Jun2023
5 min
Gendern in Seminaren

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Gendern in Seminaren. Das ist unglaublich vielschichtig und muss wohl durchdacht sein. Ich möchte v.a. 3 Ebenen in Wort und Schrift hinterfragen: Wie sollte man bzw. wie gendern Sie in Seminaren

  • in der gesprochenen Sprache
  • auf/in PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard
  • in den Seminar-Unterlagen?

Ich gehe davon aus, dass sich der Gebrauch der Gender-Formate situationsbedingt sehr unterschiedlich gehandhabt wird und bin schon unglaublich neugierig auf die Antworten.

In meiner Interview-Runde befinden sich heute sowohl Trainierende als auch Anbietende von Train-the-Trainer-Lehrgängen und Coaching-Lehrgängen. Also exakt jene Zielgruppe, die sich sehr bewusst mit diesem Thema beschäftigte.

Ich frage jeweils nach „3 Tipps“ je Kategorie (gesprochen, PowerPoint/Flipchart, schriftliche Unterlagen)

Wie gendern Sie in Seminaren?

Christina Hackl (KICK OFF)

Die gesprochene Sprache:

Durch Übung ist es möglich, auch in der gesprochenen Sprache das Gendern einzusetzen. Es ist auch relativ einfach erlernbar, immer abwechselnd die männliche und die weibliche Form in der gesprochenen Sprache zu verwenden. Das lockert auf und wirkt natürlich. Gern kann man auch die weibliche und männliche Form im gesprochenen Wort leicht verwenden z.B: liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Das klingt gesprochen nicht so sperrig wie in geschriebenen Texten.

Auf Whiteboard /PowerPoints / Flipcharts:

Bei Verwendung von Flipcharts oder PowerPoints wird normalerweise kurz und knapp formuliert. Die Neutralisierung ist hier sicherlich die optimale Form und sollte so oft wie möglich eingesetzt werden.
Alternativ kann der Genderhinweis am Anfang mitgeteilt werden – z.B: das generische Maskulin wird stellvertretend für alle Geschlechter verwendet.

Die schriftlichen Seminar-Unterlagen:

Auch hier gilt es, die Neutralisierung zu forcieren, um die Unterlagen leicht leserlich zu gestalten und nicht von den Inhalten abzulenken.

Weiters sollte auch ein Verweis am Anfang der Unterlagen klar und deutlich die verwendete Form des Genderns ankündigen.
Es wird empfohlen, alle Dokumente durch ein Genderkorrektur-Programm vor Veröffentlichung überprüfen zu lassen.

FH-Prof. Dr. Christina Schweiger (FH Wien der WKW)

In der gesprochenen Sprache:

In gesprochener Sprache bietet es sich an, genderneutrale Formulierungen zu wählen. Wenn dies nicht immer möglich ist, kann durch eine kurze Pause zwischen erstem Wortteil und der Endung – z.B. Student (kurzes Innehalten) innen – auch in der gesprochenen Sprache ganz leicht Gendersensibilität ermöglicht werden. Ein Tipp dazu lautet auch: Einfach probieren und keine Angst davor haben, „Fehler“ zu machen. Wie so Vieles, ist auch diese Art der Formulierung einfach Übungssache.

In und auf PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard & in den Seminar-Unterlagen:

Tipp 1: Genderneutrale Formulierungen wählen, andernfalls Doppelpunkt (z.B. Mitarbeiter:innen) oder die Gender-*-Schreibweise verwenden (z.B. Mitarbeiter*innen).

Tipp 2: Abbildungen wie Bilder, Icons und Zeichnungen im Sinne der Gender-Diversität wählen z.B. mit Personen unterschiedlichen Geschlechts, Alters, kulturellen Hintergrunds, …

Tipp 3: Auch eine Verlinkung oder ein Verweis auf die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen kann zielführend sein: Ein Ziel der insgesamt 17 bezieht sich auf das Thema Geschlechter-Gleichheit.

Dr. Michael Tomaschek (E•S•B•A)

Generell:

  • Durch die Verwendung des Plurals und der Passiv-Form kann die Nennung des männlichen oder weiblichen Artikels umgangen werden: Gruppenmitglied, Teilnehmende, Beschäftigte
  • Gezielt nur weibliche Form nutzen: Mitarbeiterinnen
  • Aussprechen der weiblichen und männlichen Form (Lehrerinnen und Lehrer)

Gesprochene Sprache:

  • Mit Frauen beginnen
  • Teilnehmer:innen sehr klar in der Aussprache verstärken und öfter nur die weibl. Version verwenden
  • sich zuvor auch Commitement der TN einholen, selbst wenn nicht immer gegendert wird, es keine Missachtung darstellt, sondern man dem Sprachfluß folgt………..

PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard & in den Seminar-Unterlagen:

  • die Mehrzahl verwenden
  • den Binnen Doppelpunkt verwenden
  • nur bewusst die weibliche Form oder männliche Form benutzen

Marilena Maris, MSc, BA (MDI)

Gesprochene Sprache:

  • Neutrale Formulierung, zB liebe Mitwirkende, Teilnehmende, Teammitglieder
  • Sachen weglassen / umformulieren, zB statt „Guten Morgen, liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen!“ eher „Guten Morgen, schön dass Sie da sind / ihr da seid!“
  • Sprechen „mit Lücke“, also mit einer kurzen Pause zwischen Wortstamm und Nachsilben, zB Trainer *Pause* innen.
    Mit diesem Tipp tue ich mir im Alltag immer noch ein bisschen schwer, da die Macht der Gewohnheit zuschlägt. Allerdings finde ich es durchaus sympathischer, eine kleine Pause zu machen, als die Wörter ganz auszusprechen.

PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard & Seminar-Unterlagen:

Neutrale Formulierung/ Darstellung und Symbolistik, Sachen weglassen/ umformulieren, richtige Schreibweise.

Zu den bereits erwähnten Tipps helfen mir manche Tools. Eine sehr gute Übersicht https://www.genderleicht.de/tipps-tools/

Dr. Judith Girschik (LSS Leadership Services):

Generell:

Ich folge vor allem im Schriftlichen (Unterlagen und Präsentationen) seit geraumer Zeit den Vorgaben von Unis und FH. Und es zeigt sich, dass die gesprochene Sprache nachzieht: Gerade im Bildungsbereich spricht man mittlerweile fast immer von den Mitarbeiter I nnen, Student I nnen  & Co. Hier hat es einen bedeutenden Wandel gegeben.

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy):

Grundsätzlich:

Generell bin ich der Meinung, dass gendern wichtig ist und man sich an eine Schreib- & Sprechweise gewöhnen kann, um auszudrücken, dass das Thema Wichtigkeit hat. Wenn jemand das Gendern ablehnt, schlage ich vor, dass wir mal für die nächsten 1000 Jahre die weibliche Form verwenden und danach dann im jährlichen Wechsel die männliche und weibliche Form verwenden 😉

Gesprochen:

Ich verwende immer die männliche und die weibliche Form – immer! Wo es möglich ist, auch die neutrale z.B. Teamleitung.
Alternativen natürlich: männlich / weiblich abwechselnd oder auch die Betonung vom I (mit Pause)

PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard, etc:

Ich verwende das Binnen „i“ – auf Flipcharts und Whiteboards verwende ich nur Schlagworte, da hab ich nicht sooft diese Fragestellung, auf Powerpoint-Folien natürlich schon.
Alternativ, wenn möglich die neutrale Form

In schriftlichen Seminar-Unterlagen:

Ich verwende das Binnen “i“ – Alternativen siehe oben – aber ich glaube, man sollte sich auf eine Form firmenintern verständigen und diese durchziehen.

Michaela Baumgartner (Group Austria)

In gesprochener Sprache:

Das Anwenden des Genderns, also differenzierte Sprache als Role-Model, empfehle ich persönlich vorzuleben.

Auf PowerPoints / Flipcharts / Whiteboard:

Auf Medien können die Unterschiede für Mann, Frau oder offen mit Symbolen und/oder Bildern sehr einfach in ausgewogener Vielfalt eingesetzt werden.

In Seminar-Unterlagen:

In schriftlicher Form gibt es die Möglichkeit, entweder beide Formen zu nennen oder – um alle Geschlechter miteinzubeziehen -, das Gender-Sternchen oder den Doppelpunkt zu verwenden. Empfehlenswert ist es, wenn möglich, eine neutrale Bezeichnung zu finden. Ein Beispiel: Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Teilnehmer*innen oder Teilnehmer:innen oder die neutrale Bezeichnung Teilnehmende.

Mag. Tanja Knob (ICF Austria):

Gesprochen:

  • Nutzung der vollumfänglichen Paarform („alle Kolleginnen und Kollegen“)
  • Nutzung der verkürzten Paarform „Kolleg:innen“ – mit akustischer Pause
  • Geschlechtsneutrale Formulierungen nutzen (Mitarbeitende, Person, Mitglied…)

Flipcharts / Whiteboard / PowerPoints:

  • Lesefreundlich und geschlechtersensibles Formulieren durch Nominalstil
  • Verwendung der direkten Anrede – z.B. bei der Formulierung von Arbeitsanweisungen: „Bitte …Sie/Euch…“
  • Geschlechtsneutrale Pluralbildung / Formulierungen nutzen (Mitarbeitende, Person, Mitglied, …)

Schriftliche-Unterlagen:

  • Nutzung von Funktions-, Institutions- oder Kollektivbezeichnungen (Das Team, Management…)
  • Verwendung von Passivform oder des Infinitivs (… sind der Analyse hinzuzufügen…“)
  • Geschlechtsneutrale Pluralbildung / Formulierungen nutzen (Studierende)

Die Interview-Partner

Dr. Judith Girschik

Judith Girschik, LSS

Christina Hackl

Christina Hackl, KickOff

Corinna Ladinig, MBA

Corinna Ladinig, CTC

Mag. Tanja Knob

Tanja Knob

Michaela Baumgartner

Michaela Baumgartner, Group Austria

Marilena Maris, MSc, BA

Marilena Maris

Dr. Michael Tomaschek

Michael Tomaschek, ESBA

FH-Prof. Dr. Christina Schweiger

Christina Schweiger, FH Wien

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