In welche Richtung entwickelt sich das Personalmanagement in Österreich? Dieser Frage ist eine qualitative Vorstudie unseres Studiengangs HR & Organization der FHWien der WKW vor einigen Monaten nachgegangen.
Dazu wurden 12 HR-Leitende aus 10 verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen – vom Scale-up bis zum Großunternehmen – interviewt. Unsere Befragung liefert (noch) kein repräsentatives Ergebnis, aber liefert ein spannendes und aktuelles Stimmungsbild was People & Culture Management derzeit bewegt.
Autor: Stefan Teufl
Im ersten Teil wurden fünf Trends und Thesen vorgestellt: 1. Purpose, Values & Culture, 2. New Leadership, 3. Megatrend Individualisierung, 4. Digitalisierung von HR-Prozessen, sowie 5. die Entwicklung vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt. Nun folgen im zweiten Teil fünf weitere im Überblick:
HR-Reloaded ... Trends 6-10
Performance Management Neu
Performance Management (PM) als wichtiger Hebel für Erfolg! Beinahe jedes zweite befragte Unternehmen plant aktuell seine Beurteilungs- und Zielvereinbarungssysteme zu überarbeiten. Der Trend geht eindeutig weg vom jährlichen und ritualisierten Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden, hin zu dynamischen und modernen Feedbacksystemen (siehe Beispiel). Die größte Hürde neben der rechtzeitigen Involvierung relevanter Stakeholder (Führungskräfte, Betriebsrat, Mitarbeitende) bei der Einführung eines neuen PM-Systems, ist eine geeignete digitale Plattform zu implementieren.
Beispiel Care Talks: Dieses Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsbranche hat im Vorjahr den Wert CARE in seinem Unternehmensleitbild verankert. Darüber hinaus wurde das Beurteilungssystem auf neue Beine gestellt: Vom jährlichen Mitarbeitergespräch hat man sich verabschiedet, hin zu einem kurz getakteten dreiteiligen liquid-Feedback-System mit stärkenorientierten Ansätzen: 1. Performance Talk, 2. Development Talk und 3. Care Talk zwischen Management und Mitarbeitenden.
Human Capability Architect
Viele Unternehmen haben ihre HR-Abteilungen (früher „Personalbüro“) einem Rebranding unterzogen und firmieren nun als „People & Culture“, „People & Change Management“, „Employee Experience“, oder schlicht „People Lead“. Etwas zugespitzt formuliert waren früher „Kernkompetenzen“ von HR-Verantwortlichen, die Bestellung von Visitenkarten, fehlerfreie Gehaltsabrechnungen und schriftliche Verwarnungen von Mitarbeitenden bei Fehlverhalten, so ändern sich die Anforderungen und Erwartungen seitens des Business – und natürlich auch der Mitarbeitenden – an HR derzeit komplett.
Führungskräfte erwarten ein allumfassendes Change- und Coachingrundumservice, eine Kommunikation auf „Augenhöhe“, „Nähe zum Business“, sowie Instant-Rekrutierung und perfektes Onboarding neuer Mitarbeitenden. Hier driften die Erwartungen mit den vorhandenen HR-Kompetenzen noch auseinander (siehe Trend 8).
Neues Learning Mindset
Klassische Lernsettings wie Seminare, Lehrgänge oder Konferenzen für HR-Verantwortliche sind überraschenderweise kaum mehr nachgefragt. HR-Teams lernen nach der „70-20-10“-Regel entweder on-the-job, voneinander im eigenen Team, oder in unternehmensübergreifenden communities of practice (z.B. HR-Lounge). Selbstkritisch waren die Befunde in Bezug auf eigene Skills und Zukunftskompetenzen für HR.
Um als Business-Ally auf Augenhöhe zu kommunizieren, ist es auch nötig Fachwissen zu erwerben und relevante KPIs wie EBITDA, ROCE, oder EVA zu verstehen. Weiters wird Know-How aus den Bereichen Coaching- und Change-Management als Entwicklungsfeld gesehen, um Führungskräfte und große Unternehmens-transformationen gut zu begleiten. Erwähnt wurde auch die eigene Lernfähigkeit auszubauen und neugierig zu bleiben. Metakompetenzen wie gekonnter Umgang mit Komplexität, Unsicherheit, emergenten Phänomenen und Paradoxien wurden ebenso genannt.
Beispiel Learning Dailys: Dieses HR-Team aus einem Start-up trifft sich täglich (meist hybrid) von 9 bis 9.30h um aktuelle oder ungelöste HR-Themen, Fälle etc. anhand der Methode „Kollegiale Fallarbeit“ im Team gemeinsam zu besprechen und zu lösen.
Management von Paradoxien
Beinahe jedes zweite befragte Unternehmen investiert in die Digitalisierung von HR-Standardprozessen. Sei es durch Outsourcing der Lohnverrechnung, Investitionen in Lernplattformen (LMS, LXPs, MOOCs etc.), oder in Shared Services (Employee Self Service, Manager Self Service). Parallel dazu verändert jedes dritte der befragten Unternehmen gerade ihr HR-Geschäftsmodell grundlegend. Einerseits durch Transformation hin zu agilen und selbstorganisierten Teams, andererseits durch die Einführung eines neuen HR Business Partner Modells. Es geht somit um das beidhändige Ausbalancieren (=Ambidextrie) von Optimierung und Innovation in einem Spannungsfeld zwischen den Interessen der Organisation und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden. (Jantscher et.al. 2021)
Neuer Führungsnordstern: trust rocks!
Schließlich wurde das Thema „Zukunft von Führung“ befragt: wie und wohin entwickelt sich Führung in der neuen Arbeitswelt? Die Befunde waren hier überraschend, als auch eindeutig: Ein Thema beschäftigt beinahe alle Unternehmen, und zwar Vertrauen! Vertrauen als harte Währung für erfolgreiche bzw. nicht-erfolgreiche Führung und wie können wir ein vertrauensvoller Arbeitgebender sein und werden (Systemvertrauen vs. Personenvertrauen).
Offensichtlich waren die letzten Jahre unter hybriden Arbeitsbedingungen auch eine gute Möglichkeit für Führungskräfte ihren „Vertrauensmuskel“ zu stärken. Schon in den 60-er Jahren hat McGregor mit seiner bahnbrechenden „Theorie Y“- Studie festgestellt, dass sich Führen durch Vertrauen (Gegenteil = Theorie X/Führen durch Kontrolle) positiv auf Produktivität, Engagement, sowie Innovationsfähigkeit und Mut auswirken. Eine Studie der Uni St. Gallen bestätigt dies: Produktivität und Engagement steigen um 30%, Innovationsbereitschaft und Mut sogar um 40%! (Weibel 2022).
Literatur
- Jantscher, A., Lauchart-Schmidl, N. (2021): Being in Organizsations. Die Beziehung zwischen Menschen und Organisation lebendig gestalten. Schäffer-Poeschel, Stuttgart
- Ulrich, D. (2023): Ten provocative Evolutions in human capability. The best is yet ahead. In: HR-Leaders Podcast
- Weibel, A. (2022): Trust Rocks. Vertrauensbasierte Führung ist die Zukunft. Keynote HR-Inside-Summit Vienna
HR Reloaded – Teil 2: Implikationen für ein proaktives HR-Management der Zukunft | Die wichtigsten Trends im Überblick