Mehrsprachigkeit von Mitarbeitenden ist heute in vielen Unternehmen eine Normalität und Alltagserscheinung. Lange Zeit wurde Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft ignoriert oder als Sonderfall betrachtet. Heute jedoch werden Personen, die mehrsprachig sind, geschätzt und haben häufig eine wichtige Funktion in Unternehmen.
Sprachen widerspiegeln soziale Kontexte
Bei der Anwendung von Sprache wenden wir eine ganze Bandbreite an kommunikativen Aspekten wie Stilen, Dialekten, Jargons, Akzenten an, ohne dass uns das bewusst ist. Wir sind fähig, zwischen unterschiedlichen Stilen und Dialekten mühelos zu switchen. Beim Sprechen beziehen wir uns unaufhörlich auf verschiedene Kontexte und drücken damit unterschiedliche Weltsichten oder soziale Positionierungen aus.
Lebensweltliche Mehrsprachigkeit
Personen, die mehrsprachig sind, switchen mühelos zwischen ihren Sprachen hin und her. Die Sprachen werden dann häufig als unterschiedliche Welten erlebt, mit unterschiedlichem Vokabular und Lebensbereichen, zwischen denen man hin und her wechselt.
In der Literatur spricht man dann von lebensweltlicher Mehrsprachigkeit. Das bedeutet, dass im Alltag mehr als eine Sprache gesprochen wird. Das trifft auf viele Menschen zu, die zugewandert sind oder die bi- oder multilingual aufgewachsen sind. Im Gegensatz dazu gibt es den Begriff fremdsprachlicher Lebenswelt, wenn mehrere Fremdsprachen erlernt werden.
Sprache als Zugehörigkeit
Mehrsprachigkeit bedeutet eine kulturelle Zugehörigkeit zu unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Mehrsprachigkeit erhöht das Zugehörigkeitsgefühl und ermöglicht es, mit Menschen aus der jeweiligen Sprachgruppe unmittelbar in Kontakt zu treten und eine Beziehung aufzubauen. Zum Beispiel am Arbeitsplatz. Über die gemeinsame Sprache ist es leicht, sich mit Landsleuten zu solidarisieren. Durch die gemeinsame Muttersprache kann sofort eine vertraute Ebene hergestellt werden, vor allem bei beziehungsorientierten Kulturen. Das kann viele Vorteile im beruflichen Kontext bringen.
Sprache als Ausschlusskriterium
Durch die Verwendung einer Sprache, die in einer Gesprächssituation nicht von allen Beteiligten gesprochen wird, können andere ausgeschlossen werden. Das ist ein immer häufiger auftretendes Thema im Kontext von Organisationen, in denen neben der Mehrheits- oder Unternehmenssprache auch andere Sprachen in der Belegschaft gesprochen werden. Kulturelles Bewusstsein in Bezug auf Sprachen ist in diesem Kontext äußerst wichtig, um andere nicht auszuschließen. Es empfiehlt sich, darauf besonders zu achten und in besonderen Fällen eine Person zu beauftragen, die übersetzt oder die Brücke zwischen den Sprachen schlägt. Sonst kommt es leicht zu Spannungen in einem Team oder einer Abteilung.
Mehrsprachigkeit als Ressource
In einem vielsprachigen Arbeitskontext ist Mehrsprachigkeit eine Ressource. Mehrsprachige Personen können als so genannte Boundary Spanner fungieren, das heißt als Vermittlerin oder Brückenbauer über kulturelle Grenzen hinweg. Das ist eine wichtige Ressource für multikulturelle Teams, in denen es mitunter Kommunikationsprobleme aufgrund kultureller Unterschiede gibt.
Zum Beispiel können unterschiedliche Kommunikationsstile verschieden aufgefasst werden und zu Missverständnissen führen. Eine Person, die in so einem Fall vermitteln kann und die unterschiedlichen Sprach- und Verhaltenscodes erklärt, erhöht auch das kulturelle Bewusstsein aller Beteiligten.
Bewertete Mehrsprachigkeit
Fremdsprachliche Mehrsprachigkeit bezieht sich meistens auf erlernte Sprachen wie Englisch sowie Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch als die klassischen Schul-Fremdsprachen.
Die Bi- oder Multilingualität anderer Gruppen, deren Sprachen ein weit geringeres Prestige haben wie Türkisch, Serbisch, Bosnisch, Slowenisch, Tschechisch sowie indische oder zentralasiatische Sprachen und viele mehr, werden in Bezug auf Sprachkenntnisse unterbewertet, weil damit kein Zugang zu Macht und Einfluss einhergeht. Mehrsprachigkeit wird somit unterschiedlich bewertet, ganz unabhängig wie schwierig eine Sprache ist oder wie viele Sprachen in einer Familie gesprochen werden. In Indien ist es sehr üblich, dass in einer Familie drei bis vier Sprachen neben Englisch gesprochen werden. Das gilt auch für zahlreiche Grenzgebiete z.B. in Osteuropa.
Englisch als Unternehmenssprache
Die Internationalisierung von Unternehmen führt häufig dazu, dass Englisch als Unternehmenssprache eingeführt wird. Das hat viele Vorteile. Englisch gilt als Lingua Franca und hat darüber hinaus das höchste Prestige weltweit unter den Sprachen.
Der Nachteil ist, dass die Sprache auf unterschiedlichem Niveau gesprochen wird, da sie für die meisten Mitarbeitenden im Unternehmen als Fremdsprache erlernt wurde. Das führt dazu, dass der sprachliche Ausdruck in Bezug auf Vokabular und Sprachgewandtheit mitunter eingeschränkt ist.
Tipps für den Umgang mit Mehrsprachigkeit in Unternehmen
- Mehrsprachigkeit als Ressource sehen
- Mehrsprachige Personen als Boundary Spanner einsetzen, die zwischen den Kulturen Brücken schlagen und so das gegenseitige Verständnis erhöhen
- Kulturelles Bewusstsein schulen in Bezug auf die Verwendung von mehreren Sprachen im Unternehmensalltag
- Regel Nummer eins: in Meetings immer die von allen beherrschte Sprache sprechen
- Mehrsprachigkeit öffentlich wertschätzen, egal um welche Sprachen es sich handelt
Quellen
- Brigitta Busch, Mehrsprachigkeit, utb 2013
- Anne-Marie de Meja, Power, Prestige and Bilingualism: International Perspectives on Elite Bilingual Education, in: Multilingual Matters, 2022
- Vivien Heller, Mehrsprachigkeit in Familien, in: Ahrenholz Bernt, Oomen Welke Ingelore, Deutsch als Zweitsprache. 2017 Baltmannsweiler