Wie wollen wir leben, wie wollen wir arbeiten, wie können wir Potenziale nutzen? Beim Kongress „Tomorrowmind“ dreht sich alles um Mindset & Methoden, die Zukunft gelingen lassen.
Event-Eckdaten: Tomorrowmind| Veranstalter: AKJF | Austria Center Vienna
- Event-Bericht: 10-12nov2023
- www.tomorrowmind.at
Ein Event für „Positivities“
Drei Tage Input zum Gelingen, wie cool ist das? Philip Streit (Akademie für Kind, Jugend und Familie) bringt mit Martin Seligman die 6. Positive Psychologie Tour mit lokalen und internationalen Experten und Expertinnen nach Wien. An die 1.200 Menschen tummeln sich im Austria Center und trotz der Größe wirkt dieser Event betont familiär. Das liegt einerseits an dem herzlichen AKJF-Team aus Graz und andererseits an Philip Streit, der uns mit seinem unverblümten Charme mit auf die Reise nimmt: „Liebe Positivities, es geht weiter…“ Zwischen Standing Ovations und Sachertorte für die Referierenden, gibt es das eine oder andere Fettnäpfchen, das Philip Streit mit Nonchalance und Humor meistert. Es menschelt im Austria Center, ich finde das wunderbar.
Themen & Highlights, die Hoffnung stärken
Der Themenbogen spannt sich von Wirtschaft, Schule, Therapie bis hin zu Coaching und Beratung. Meine persönlichen Highlights sind
- Kim Cameron – wie identifiziert und nutzt man inspirierende Menschen, sog. “Positive Energizer“ in Unternehmen? Wie können sie zum Aufblühen der Organisation beitragen?
- Gabriella Rosen Kellerman – wie navigieren wir in den Stromschnellen der Zukunft? Welches Mindset ist in Unternehmen gefragt und wie kann man es entwickeln? Fundierte, umfassende Forschung aus der Unternehmenspraxis, konkrete Tools. Mehr dazu später.
- Judith Mangelsdorfer – wie können einschneidende, existentielle Erfahrungen (z.B. Trauma, Erkrankung, Geburt eines Kindes) unsere Zukunft positiv verändern? Wie entsteht daraus persönliches Wachstum? Es braucht dazu v.a. soziale Unterstützung, sowie positive Emotionen und dem Schöpfen von Sinn aus der Erfahrung.
- Andrea Fuchs erzählt aus der Praxis einer gelebten Haltung von „Positive Leadership“ in dem ehemals von ihr geführten Hotel Sans Souci Wien. Markus Ebner liefert in seiner Keynote die umfassenden Forschungsdaten, wie Führung mit dem PERMA-Lead funktioniert und wirkt.
Gabriella Kellerman
Philip Streit und Martin Seligman
Judith Mangelsdorfer
PRISM – die fünf Säulen von Tomorrowmind
Der große Dampfer, der seine Route über das Meer zieht… So war unsere (Wirtschafts-)Welt mal. Gabriella Rosen Kellerman klickt weiter zum Bild eines sprudelnden Flusses. „Heute ist das Navigieren in Unternehmen wie Wildwasser-Raften. Man sieht kaum um die nächste Biegung. Eigentlich sind wir bzw. unser Nervensystem für so viel Turbulenz nicht gebaut.“
Auf Basis von beeindruckender Forschungstätigkeit und gemeinsam mit Martin Seligman, dem Gründervater der Positiven Psychologie hat sie das Konzept „Tomorrowmind“ entwickelt. „Es ist eine Botschaft der Hoffnung. Es gibt einen klugen Weg für Wachstum und Wohlbefinden in Unternehmen.“
Fünf Säulen beschreiben diesen Weg und gemeinsam ergeben sie das Akronym PRISM:
- Prospektion: Die Balance aus „dream big” und “get real”. Dieser Faktor steht zwar am Anfang von PRISM, ist aber tatsächlich nur das Sahnehäubchen.
- Resilienz: die Herausforderung, wie posttraumatisches Wachstum gelingt. Um drei von fünf wissenschaftlichen Faktoren zu nennen: Selbstmitgefühl, emotionale Regulierung & mentale Agilität
- Innovation: Kreativität fördern durch einen Lifestyle, der Momente von „mindwandering“ und Intuition ermöglicht, z.B. beim Gehen, Gartenarbeiten, Duschen anstatt immer in bewusster Kontrolle oder bewusster Ablenkung (ja, die vielen Screens und Apps) zu sein
- Soziale Verbundenheit: ganz zentral. Gleich dazu mehr.
- Mattering / Sinn: Menschen brauchen ein Sinnerleben. Nicht immer gibt es einen tiefen Sinn (Purpose) in der Wirtschaft, aber das Minimumlevel ist ein „Warum“: Warum soll ich das tun? Auf wen wirkt sich das aus? Das können Führungskräfte auf jeden Fall beisteuern.
Die Magie und Praxis der sozialen Verbindung
Zugehörigkeit und Verbindung ist ein elementares psychologisches Bedürfnis. „Belonging“ ist auch für Unternehmen wichtig: wenn sich ihre Mitarbeitenden zugehörig fühlen reduziert das den Krankenstand um unglaubliche -75%. Und die Leistung steigt. Es ist allerdings nicht einfach in Zeiten von Wildwasser-Rafting in Verbindung zu gehen. Und das ist zwei Aspekten geschuldet:
- Zeit: ständig sind wir in Eile und wir versuchen multitasking (das nicht funktioniert, falls sie das noch nicht wussten)
- Raum: Wir arbeiten remote und sehen uns weniger, die informellen Begegnungen im Büro reduzieren sich. Manche arbeiten sogar rein virtuell und über verschiedene Zeitzonen. Wir brauchen aber dreidimensionale Informationen über Menschen vs. zweidimensionale wie in Videokonferenzen/calls, betont Kellerman.
Wie kann also soziale Verbindung unter diesen Rahmenbedingungen gelingen? Untersuchungen in Krankenhäusern zeigen, dass es nur 45 Sekunden von echter, freundlicher Zuwendung braucht, damit sich die Ängstlichkeit von Patienten signifikant verringert. D.h. wenn wir das bewusst ermöglichen wollen, geht das rasch und einfach.
„Giving time, gives you time,” sagt Gabriella Kellerman. Wenn man dreißig Minuten am Tag investiert und sich selbst etwas Gutes tut, ein Nickerchen macht oder jemanden anderen freiwillig unterstützt, dann schenkt das so viel Energie, dass sich die investierte Zeit auf jeden Fall auszahlt. Tatsächlich wirkt „anderen helfen“ in diesem Sinne am stärksten, selbst mit kürzerer Zeitinvestition.
Am Ende dieses Eventberichts spannen wir den Bogen zurück zu Judith Mangelsdorfers Keynote und können sinngemäß konkludieren: „Das Leben hinterlässt Spuren. Wir können unsere Narben mit Würde tragen – sie sind die Farben unserer Persönlichkeit. Wenn wir füreinander da sind in schwierigen Momenten, dann kann uns nichts passieren. Wir sind soziale Wesen, wir brauchen einander in echter Begegnung. Worauf warten wir noch?“
HRweb vor Ort | Schritte zu einem Tomorrowmind