Gerade in der sogenannten „besinnlichen“ Zeit des Jahres, in der die Sehnsucht nach Ruhe und Erholung besonders groß ist, flammt paradoxerweise eine Vielzahl von Konflikten auf. Da ist es dann leider wenig hilfreich, dass unser natürliches Konfliktverhalten oft von der Neigung geprägt ist, die Schuld beim Gegenüber zu suchen. Heute geht es um Konfliktlösung.
In einer Welt, die von globalen Umwälzungen, wirtschaftlichen Unsicherheiten und auch von persönlichen Herausforderungen geprägt ist, erleben wir nicht nur auf der internationalen Bühne, sondern auch im täglichen Miteinander zahlreiche Konfliktherde.
Denn der Schlüssel zur Konfliktlösung liegt nicht im Fingerzeig auf andere. Sondern in der Selbstreflexion und der Fähigkeit, den Menschen im Gegenüber zu sehen.
Konfliktlösung | Die Macht der Selbstreflexion
„Wir können niemals jemanden zwingen, etwas zu tun“. Mit diesen Worten drückt Marshall Rosenberg, der Erfinder der gewaltfreien Kommunikation, seine Überzeugung aus, dass es sinnlos ist, jemanden mit Zwang zu einem erwünschten Verhalten zu nötigen. Vordergründig wird sich das Gegenüber vielleicht aus Angst vor einer Sanktion beugen, aber der innere Widerstand bleibt bestehen. Im Gegenteil, häufig wird sich dadurch ein Konflikt erst so richtig verhärten.
Das Verhalten anderer im Konfliktfall können wir also nicht beeinflussen. Aber sehr wohl unser eigenes Denken und Handeln. Dafür braucht es vor allem eines: Selbstreflexion. Diese beginnt damit, unsere eigenen Empfindungen und Bedürfnisse in einem Konfliktfall zu identifizieren und zu verstehen. Rosenberg nennt dieses Hineinspüren in den eigenen Schmerz „sich Selbstempathie“ geben.
Selbstreflexion verlangt auch den Mut, sich den eigenen Unzulänglichkeiten zu stellen, ohne sie zu verurteilen. Indem wir die Fähigkeit entwickeln, unsere eigenen Empfindungen zu verstehen, können wir bewusster und einfühlsamer auf Konflikte reagieren. Es eröffnet die Möglichkeit, in einen Dialog zu treten. Und dieser ist nicht von der Suche nach Schuldigen dominiert wird. Sondern von einem Streben nach Verständigung und Konfliktlösung.
Diese Form der Selbstreflexion ist auch Basis dafür, dass wir in einer Konfliktsituation fähig sind, die Bedürfnisse und Empfindungen beim Gegenüber zu sehen und diesen als Menschen wahrzunehmen.
Konfliktlösung | Den Menschen im Gegenüber sehen
Empathie bedeutet weit mehr als das bloße Mitfühlen mit den Emotionen des Gegenübers. Sie erfordert die Fähigkeit, sich ohne Wertung in die Lage dieser Person zu versetzen. Insbesondere in Konfliktsituationen, die oft von Stress und Spannung durchzogen sind, ermöglicht erst das Verständnis für die Emotionen des Gegenübers den Weg zu konstruktiven Gesprächen.
Die Kunst, den Menschen im Gegenüber zu sehen, erfordert zuallererst eine bewusste Entscheidung, über offensichtliche Differenzen hinwegzublicken. Und sie verlangt die Bereitschaft, sich auf die emotionale Welt des Gegenübers einzulassen und damit die eigene Perspektive zu erweitern. Dieser Schritt ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis für die Motive des Gegenübers, sondern schafft auch Raum für eine authentische Kommunikation.
Gerade in Zeiten, in denen zwischenmenschliche Beziehungen durch multiple Krisen geprägt sind, wird das Anerkennen des gemeinsamen Menschseins zur Grundlage für Verständigung und Akzeptanz. Empathie ist nicht nur eine Geste der Anerkennung, sondern auch eine bewusste Wahl, die es ermöglicht, gemeinsame Grundlagen zu finden, konstruktiv auf Konflikte zuzugehen und eine Konfliktlösung zu finden.
Erst die Fähigkeit, den Menschen im Gegenüber zu sehen, verändert die Dynamik von Konflikten. Und sie schafft eine Basis für die gemeinsame Suche nach Lösungen.
Fazit
Die Kombination aus Selbstreflexion und Empathie ist Voraussetzung dafür, dass wir im Konfliktfall mit dem Gegenüber in Beziehung bleiben. Das Hineinspüren in unsere eigenen Emotionen und ein Verständnis für die Perspektive des Gegenübers schafft erst die Basis für konstruktive Konfliktlösungen.
Diese Prinzipien der Selbstreflexion und Empathie finden ihre Wurzeln in der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg. Mit dieser von ihm entwickelten Methode hat er uns ein wunderbares Vermächtnis hinterlassen. Es bietet die Möglichkeit, Konflikte ohne Schuldzuweisungen zu lösen.
Und er hat uns vor allem auch folgendes gelehrt: In einer Welt, die von Konflikten geprägt ist, mag die Lösung nicht immer einfach sein, aber der Weg dorthin beginnt stets bei uns selbst.
„Willst du recht haben oder glücklich sein?
Beides geht nicht.“
(Marshall B. Rosenberg)