„Die Angehörigen der Generation Z sind nicht so leistungsfähig wie unsere älteren Mitarbeitenden.“ Diese Vorurteile schallen mir Führungskräften entgegen bezüglich der nach 1995 geborenen jungen Frauen und Männer.
Gast-Autorin: Barbara Liebermeister
Doch ist das so? Mein Eindruck als Unternehmerin und Managementberaterin ist: In der Generation Z gibt es, prozentual gesehen, ebenso viele leistungsbereite Frauen und Männer wie vor circa 40, 50 Jahren als die sogenannten Baby-Boomer in das Berufsleben eintraten.
Der Arbeitsmarkt ist aktuell ein Arbeitnehmer-Markt
Die Rahmenbedingungen waren andere. Damals bewarben sich auf eine freie Stelle in der Regel viele Personen. Die Unternehmen konnten aus einem Stapel Bewerbungen die besten herausfiltern. In den Arbeitsverträgen wurden den Auserwählten die Vertragsbedingungen weitgehend diktieren, denn sie wussten: Gute Stellen sind rar.
Diese Situation erachteten Arbeitgebende als normal. Entsprechend schwer fällt es ihnen heute damit umzugehen, dass sich der Arbeitsmarkt fundamental gewandelt hat und die Bewerbenden zumindest gefühlt meist am längeren Hebel sitzen, weil
- sie oft mehrere Joboptionen haben und
- die Unternehmen aktiv um ihre Gunst werben müssen.
Diese Situation, über die viele Arbeitgebende klagen, ist für Stellensuchende (nicht nur) in der Generation Z erfreulich.
Niedrigere Messlatte aufgrund der geringeren Bewerberzahl
Dass so viele Unternehmen über die Qualität der nachrückenden Mitarbeitenden klagen, liegt daran, dass aufgrund der demografischen Entwicklung ihre Gesamtzahl viel niedriger als früher ist. Oft bewerben sich nur ein, zwei Personen auf eine vakante Stelle.
Speziell mittelständische Betriebe können die Messlatte nicht mehr so hoch wie früher legen. Sie sind im Betriebsalltag verstärkt mit Mitarbeitenden konfrontiert, die noch fachliche und persönliche Defizite haben, weshalb eine Nachqualifizierung nötig ist. Die Unternehmen müssen mehr Ressourcen als früher für die Führung und Entwicklung der neuen Mitarbeitenden aufwenden.
Die Bedürfnisse der leistungsstarken jungen Mitarbeitenden (nicht nur) der Generation Z haben sich gewandelt. Die „Work-Life-Balance“ ist ihnen wichtiger als ihren Eltern. Weil sie mehr Joboptionen haben, fordern sie Dinge wie geregelte Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, die Möglichkeit, mobil zu arbeiten oder mal eine längere Auszeit zu nehmen.
Dasselbe gilt für die Chancen, beruflich voranzukommen. Die jungen Leute fordern sie aktiv ein. Und wenn sie diese nicht bekommen? Dann wechseln sie schneller ihren Arbeitgebenden.
Betriebe müssen ihre Personalpolitik neu justieren
Inwieweit entspricht die Personalpolitik noch den Erwartungen der (künftigen) Mitarbeitenden? In einer Situation, in der gute Mitarbeitende rar sind und ihre Teammitglieder häufig auch
- einen sehr unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Reifegrad haben und
- stark divergierende individuelle Bedürfnisse artikulieren,
benötigen Führungskräfte eine große Verhaltensflexibilität – auch weil ihre Teams zunehmend hybride bzw. virtuelle sind.
Es ist ein Führungsstil gefragt, bei dem sie ihr Verhalten dem jeweiligen Gegenüber und der jeweiligen Situation anpassen; also bedarfs- und situationsabhängig:
- Mitarbeitende loben, aber auch ihr Verhalten hinterfragen,
- Mitarbeitende beim Erfüllen ihrer Aufgaben aktiv unterstützen, sich aber öfter bewusst zurücknehmen,
- Änderungen stark forcieren, manchmal auch bewusst den Fuß vom Gas nehmen.
Mitarbeitende situativ führen und individuell entwickeln
Verhaltensflexibilität können Führungskräfte nur zeigen, wenn sie in einem lebendigen Dialog mit ihren Teammitgliedern stehen:
- Was ist ihnen als Mensch und Mitarbeitender wichtig?
- Wo drückt der Schuh?
- Was erleichtert bzw. erschwert es ihnen, sich für die angestrebten Ziele zu engagieren?
- Was brauchen sie, um effektiv zu arbeiten und ihre Kompetenz weiter zu entfalten?
Nur wenn sie in einem von wechselseitiger Akzeptanz und Wertschätzung geprägten Dialog mit ihren Mitarbeitenden stehen, entsteht eine von Vertrauen geprägte Beziehung zwischen ihnen und sie können deren Denken und Verhalten gezielt beeinflussen.
Die Führungskräfte müssen – ähnlich wie Influencer in den Social Media – danach streben, in ihrem Umfeld ein Milieu zu kreieren, in dem andere Menschen
- freiwillig ihnen und ihren Ideen folgen und
- eigeninitiativ ihr Denken und Handeln daraufhin überprüfen, inwieweit sie damit ihren Beitrag zum Erreichen der gemeinsamen Ziele leisten.
Aus dem Verhalten der Influencer lassen sich folgende Erfolgsfaktoren ableiten:
Erfolgsfaktor 1: sichtbar und erfahrbar sein
Ein wichtiger Erfolgsfaktor aller Influencer im Netz ist: Sie sorgen dafür, dass sie sichtbar sind – zum Beispiel, indem sie regelmäßig ihre Social-Media-Kanäle füttern und ihr virtuelles Netzwerk pflegen.
Für Führungskräfte bedeutet das: Sie dürfen sich nicht hinter ihrem Schreibtisch verstecken – vielmehr gezielt den Kontakt und die Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden suchen und bereit sein, Zeit und Energie zu investieren.
Erfolgsfaktor 2: erkennbar für gewisse Werte stehen
Fast alle erfolgreichen Influencer haben eine klare Botschaft und stehen erkennbar für gewisse Werte. Das sollte auch bei Führungskräften der Fall sein: Sonst sind sie für ihre Mitarbeitenden unberechenbar. Besonders im Kontakt mit den nachrückenden Teammitgliedern der Generation Z ist das sehr wichtig, wenn sie noch neu im Unternehmen sind. Sie haben noch nicht verinnerlicht, was ihrer Führungskraft und ihrem Arbeitgebenden wichtig ist.
Erfolgsfaktor 3: die eigenen Auftritte „inszenieren“
Erfolgreiche Influencer überlassen ihr Auftreten nicht dem Zufall. Sie inszenieren ihre Auftritte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Führungskräfte fragen sich, bevor sie einen Mitarbeitenden kontaktieren:
- Wer ist mein Gegenüber und was ist ihm wichtig?
- Welches Ziel möchte ich erreichen?
- Welche Rahmenbedingungen sind nötig, damit meine Botschaften ankommen? Und:
- Welchen Kommunikationskanal wähle ich? Zum Beispiel: Mail, Telefonat oder persönliches Gespräch?
Erfolgsfaktor 4: Sich auch als Mensch mit Gefühlen zeigen
Influencer im Netz gewähren ihren Followern wohldosierte Einblicke in ihr Privat- und Gefühlsleben, um auch als Mensch für diese erfahrbar zu sein. Führungskräfte können das in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden tun, indem sie in das Gespräch auch mal Infos über ihr Privatleben einfließen lassen. Oder indem sie im Gespräch auch mal erwähnen, wie
- die aktuellen Turbulenzen in der Weltwirtschaft oder
- die immer stärker spürbar werdenden Folgen des Klimawandels oder
- der aktuelle Hype rund um das Thema Künstliche Intelligenz
sie verunsichern. Diese Aussagen sind für ihre Mitarbeitenden oft der Anstoß, ihrer Führungskraft ebenfalls einen Einblick in ihr Gefühlsleben zu geben und ihnen zu offenbaren, was ihnen als Mensch und Arbeitnehmender wichtig ist.
Erfolgsfaktor 5: gelassen auf Kritik reagieren
Influencer begehen aus Sicht ihrer Follower manchmal Fehler – zum Beispiel, weil sie deren Interessen falsch einschätzen. Sie ernten dann harsche Kritik. Darauf reagieren erfahrene Influencer – nach außen erkennbar – nie beleidigt. Sie nutzen die kritische Rückmeldung vielmehr als Chance, mit ihren Followern in einen noch intensiveren Dialog zu treten und ihnen die Gründe ihres Handelns darzulegen. Ähnlich sollten Führungskräfte auf kritische Rückmeldungen reagieren, denn diese zeigen letztlich das „Involvement“ der Mitarbeitenden und eröffnen ihnen die Chance, bei Bedarf gegenzusteuern.
Erfolgsfaktor 6: bereit sein, neue Wege zu gehen
Auch Influencer gehen neue Wege – zum Beispiel, weil sich das Mediennutzungsverhalten ihrer Zielgruppe geändert hat oder sie sich selbst weiterentwickelt haben. Diese „Strategiewechsel“ stoßen bei ihren Followern oft auf Widerstände. Trotzdem beschreiten Influencer, wenn übergeordnete Ziele es erfordern, immer wieder diesen Weg. Ein entsprechendes Rückgrat müssen auch Führungskräfte haben.
Bei aller Empathie, Kompromissbereitschaft und Loyalität, die sie im Kontakt mit ihren Mitarbeitenden zeigen, muss stets deutlich bleiben: Gewisse Ziele wie „Unser Unternehmen muss Gewinn erzielen“ sind nicht verhandelbar. Das ist aufgrund ihrer Funktion in der Organisation unabdingbar.
Sie können sich aber für Verbesserungs- und neue Problemlösungsvorschläge offen zeigen, die gerade die Angehörigen der Generation Z oft einbringen, weil sie noch nicht betriebsblind sind, denn: Diese jungen Frauen und Männer sind die Zukunft des Unternehmens.
Es gilt ein Arbeitsumfeld zu schaffen, mit dem sie sich identifizieren können. Führungskräfte können ihren Teammitgliedern immer wieder nicht nur mit Worten, sondern auch Taten signalisieren „Ich bin lern- und veränderungsbereit“. Schließlich erwarten sie das auch von ihnen.
Gast-Autorin
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden (www.ifidz.de). Die Managementberaterin und Vortragsrednerin ist unter anderem Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“.
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