Traditionelle autoritäre und dominante Führungsstile sind nicht mehr zeitgemäß – stattdessen wird ein beziehungsorientierter und kooperativer Ansatz bevorzugt. Doch wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?
Selbstorganisiertes Arbeiten und der Umgang mit menschlichen Schwächen
… im modernen Arbeitsumfeld
Die idealen Voraussetzungen für ein modernes und kooperatives Arbeitsumfeld sind selbstorganisierte, eigenverantwortliche Mitarbeitende, die ihre Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen passend zu den Rollen kennen und ausfüllen. Sie bringen sich aktiv ein, gestalten mit und legen Wert auf termingerechte und qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse. Dabei konzentrieren sie sich auf die Inhalte, fördern Toleranz und Unterstützung im Umgang miteinander und passen sich aktiv neuen und sich verändernden Rahmenbedingungen an.
In Unternehmen treffen unterschiedliche Qualifikationen und Berufserfahrungen auf vielfältige Aufgaben und oft unklare oder zu ambitionierte Ziele. Doch dies sind nur die offensichtlichen Hindernisse. Durch offene und regelmäßige Kommunikation, gezielten Qualifikationssupport sowie Aufmunterung und mitreißende Motivation können diese positiv beeinflusst werden.
Viel schwieriger ist es, mit persönlichen und kulturellen Stimmungen umzugehen, die menschliche Schwächen wie Launenhaftigkeit, Antriebslosigkeit, mangelnde Reife, Kommunikationsdefizite, übertriebenen Ehrgeiz, Lust auf Tratschen, Faulheit, Empathielosigkeit und Skepsis in die Arbeitswelt einbringen.
Demgegenüber stehen jedoch positive Eigenschaften wie Gutmütigkeit, Fröhlichkeit, Freundlichkeit, Leichtigkeit, Unterstützung, Loyalität, Verschwiegenheit, Leistungswille, Strebsamkeit und Disziplin als natürlicher Ausgleich. Optimalerweise gleichen sich diese Stimmungen von selbst aus, sodass sich die Führungskräfte auf den fachlichen Aspekt beschränken können. Doch in der Realität ist die Führung von Mitarbeitenden weit komplexer und erfordert ein starkes Beziehungsmanagement. Dabei ist es wichtig, präsent zu sein und je nach Situation und Person ausgleichend, motivierend, verständnisvoll, ermutigend, orientierend und unterstützend zu agieren.
Balance zwischen Nähe und Distanz
Die Kunst der persönlichen Grenzen in der Arbeitswelt
Es ist leicht, die notwendige Distanz zu verlieren und als Führungskraft in die emotionalen Wellen des menschlichen Miteinanders zu geraten. Dies kann zu eskalierenden Stimmungen führen, die wiederum Streit, Tränen, Enttäuschungen und das Verbreiten von Unwahrheiten innerhalb und über das Team befeuern. Als Gegenpol zum jahrzehntelangen traditionellen und bestimmenden Führungsstil besteht die Gefahr, dass Führungskräfte zu viel Nähe und Einbeziehung suchen. Dies wird fälschlicherweise von einigen Führungskräften als neue Ausrichtung auf Beziehungen angesehen oder sogar gefeiert. Jedoch wird dabei oft übersehen, dass durch dieses Eintauchen in die Stimmungswelt der Mitarbeitenden die Orientierung und Ordnung, die der Führungsrolle zukommen, nicht wahrgenommen werden.
Diese Rolle ist ausschließlich der Führungskraft vorbehalten. Wenn sie nicht ausgeübt wird, entsteht ein Führungsvakuum, das von einem Teammitglied ausgenutzt werden könnte, welches gerne das Sagen hat, aber nicht die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen will – insbesondere im Hinblick auf ein zielorientiertes Miteinander. Diese Person wird eher parteiisch sein und somit zur Spaltung des Teams beitragen oder eine eigene Agenda verfolgen, die auf persönliche Gewinnmaximierung abzielt.
Die Fähigkeit, eine angemessene persönliche Distanz in der Arbeitsbeziehung zu wahren, mag altmodisch klingen, ist jedoch von großer Bedeutung. Dies liegt daran, dass die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt in der Arbeitswelt darauf ausgerichtet sind, vorgegebene Ziele zu erreichen. Ein privates Miteinander, das sich in gemeinsamen Aktivitäten außerhalb der Arbeit und in privaten Freundschaften zeigt, steht nicht im Fokus. Man könnte denken, dass dies erstrebenswert wäre, jedoch ist es nicht der Fall.
Klare Abgrenzung für ein erfülltes Berufs- und Privatleben
Eine ausgewogene Work-Life-Balance sollte nicht nur in Bezug auf Arbeitszeit und Rahmenbedingungen angestrebt werden, sondern auch auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen. Ansonsten könnten private Beziehungsthemen den Arbeitsalltag überfluten, darunter Neid, Eifersucht, Freundschaftsdramen und Liebesangelegenheiten. Diese privaten Gefühlswelten fordern uns ein Leben lang in Familie, Freundeskreis und Bekanntenkreis heraus, und wir sollten uns im Arbeitsalltag erfolgreich davon distanzieren können. Das bedeutet nicht, emotionslos zu sein oder keinen emotionalen Umgang mit Teammitgliedern zu pflegen. Die Kunst besteht vielmehr darin, dies dosiert zu tun – je nach Personen und Situationen – mit dem Bewusstsein, dass man im privaten Bereich emotionaler sein kann. Auf diese Weise gelingt es, ein erfülltes Berufs- und Privatleben zu führen.
Ist dies immer möglich? Nein, aber mit zunehmender Erfahrung und unterstützender Begleitung durch Coaching wird es immer besser!
Die Grenzen der Nähe | Erkennen und Entgegensteuern von zu familiären Arbeitsbeziehungen