Viele Projektleitende kennen das Problem: Der Projektplan steht, das Konzept ist strukturiert und durchdacht, die Meilensteine definiert, die Projektmitarbeitenden arbeiten auf Hochtouren – und trotzdem will das Projekt einfach nicht richtig ins Laufen kommen. Woran liegt das? Häufig an Problemen, die nicht auf der sachlichen Ebene beheimatet sind.
Gast-Beitrag von: Martin Kapsamer und Josefine Pribyl, BDO Austria
Problematisch: Fokus hauptsächlich auf der Sachebene
Gerade in Veränderungsprojekten haben Personen oftmals den aktuellen Ist-Zustand vor Augen und den gewünschten Soll-Zustand im Kopf. Veränderungsprozesse werden in vielen Fällen als ein geradliniger Ablauf gedacht, der sich zumeist auf Sachthemen konzentriert. Verständlich, denn Timelines und Verantwortungsbereiche lassen sich in einem Projektplan abbilden. Genauso wie Kosten und die betroffenen Organisationseinheiten. Obwohl Veränderungsprozesse nur in den seltensten Fällen geradlinig verlaufen, sondern kontinuierliches Feedback und Reflexionsschleifen voraussetzen, fokussieren sich Projektverantwortliche häufig auf die sichtbaren Sachthemen, die (leichter) greifbar und kontrollierbar erscheinen.
Doch genau diese Form der „sachlichen“ Scheuklappen bergen das Risiko, dass ausgeblendete emotionale Themen den Projekterfolg zum Scheitern bzw. den Projektfortschritt ins Stocken bringen. Denn auch bei scheinbar sachlichen Themen wie z.B. der Veränderung einer Vergütungsstruktur, der Verteilung von Zusatzleistungen oder der Änderung von Positionstiteln werden mit großer Sicherheit Emotionen ausgelöst. Diese Emotionen können sich z.B. in Rollenunklarheiten, in einem Gefühl der Ungerechtigkeit oder in Angst vor dem Verlust von Macht oder Einfluss ausdrücken. Durch den Wegfall von gewohnten Strukturen können Unsicherheiten, Widerstände und Ängste entstehen, die erheblichen Einfluss auf den Projektfortschritt sowie -erfolg haben.
Emotionen unbedingt mitdenken
In Veränderungsprozessen, sowohl auf struktureller und prozessualer als auch auf personeller Ebene, müssen demnach neben geplanten Meilensteinen und Prozessbausteinen auch emotionale Themenfelder im selben Ausmaß behandelt werden, damit am Ende die Chance auf das gewünschte Ergebnis besteht. Um diesen Emotionen Platz zu geben bzw. negative Gefühle auch abzufedern, sollten möglichst viele (betroffene) Personengruppen frühzeitig in die Gestaltung struktureller Maßnahmen eingebunden werden.
Auf diese Weise lässt es sich vermeiden, dass Veränderungsinitiativen, die häufig vom obersten Management initiiert werden, bei den Mitarbeitenden unterer Hierarchieebenen als aufgezwungen empfunden werden und so bereits im Vorhinein auf Ablehnung stoßen. Diese Einbindung kann auf verschiedene Weise erfolgen.
Durch eine Stakeholderanalyse können Personen(gruppen) identifiziert und in ihrer Betroffenheit unterschiedlich eingeordnet werden, sodass diese Stakeholderinnen anschließend im erforderlichen Ausmaß in den Veränderungsprozess miteinbezogen werden können. Diese Einbeziehung kann von „zufrieden halten“ über „informiert halten“ bis hin zu „aktiv in den Veränderungsprozess miteinbinden“ reichen.
Einbindung von Stakeholdern
Es geht darum, für die betroffenen Stakeholderinnen in Abhängigkeit ihrer Bedürfnisse die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um angemessen am Veränderungsprozess teilnehmen zu können. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind sehr individuell und können alles von der Einführung bzw. Verwendung von Kommunikationskanälen, um betroffene Stakeholder laufend zu informieren bis hin zur Schaffung angemessener zeitlicher, personeller und finanzieller Ressourcen (z.B. Coachings, Diskussionsforen, Workshops) umfassen, um gemeinsam Lösungen im Veränderungsprozess zu gestalten.
Werden Möglichkeiten zum offenen Austausch geboten und besteht die Perspektive, in einem geführten Setting emotionale und sachliche Aspekte differenziert zu betrachten, können Meinungsverschiedenheiten, Ängste und Unsicherheiten frühzeitig besprochen werden. So können Sie die Umsetzung der sachlichen Zielsetzung sicherstellen.
Mit der Kombination aus sachlicher Struktur, Einbindung von unterschiedlichen Stakeholderinnen sowie kontinuierlicher Reflexion und der Berücksichtigung von Feedback ist es möglich, eine grundlegende Basis für positiv besetzte Veränderungen zu schaffen, die letztendlich auch den Erfolg des gesamten Projektes sichert.
Gast-Autoren
Josefine Pribyl, Senior Managerin bei BDO, ist Expertin im Bereich Personalmanagement und Organisationsentwicklung. Sie verantwortet den Schwerpunkt „People in Change“ und begleitet organisationale sowie individuelle Veränderungsprozesse in Unternehmen. Dabei legt sie Wert darauf, möglichst maßgeschneiderte Lösungen zu finden, die in der Umsetzung pragmatisch und wirkungsvoll sind. Wenn es notwendig ist, denkt sie dabei auch gerne einmal um die Ecke.
Martin Kapsamer ist Consultant bei BDO und Experte im Bereich Veränderungsmanagement und Development. Er ist davon überzeugt, dass Veränderungsprozesse in Unternehmen nur mithilfe der betroffenen Personen für einen langfristigen Erfolg sorgen – denn diese müssen die Veränderungsergebnisse langfristig im Unternehmen leben. In herausfordernden Phasen liegt sein Hauptaugenmerk vor allem in der Konfliktbewältigung und der Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der betroffenen Personen, sodass auch „schwierige“ Themen ihren Platz finden können. Denn Offenheit und Ehrlichkeit sind Anker für nachhaltige Veränderungsprozesse.