Als Vice President IT & Security starte ich passend zum Weltfrauentag mit einer Frage: Welches Problem haben wir in der IT und Security neben dem Fachkräftemangel? Richtig, eine geringe Frauenquote – rund um die 19 % …
Liegt das „nur“ an uns alten Silberrücken und Alphamännchen in Leitungspositionen? Ja, wohl auch. Aber nein, nicht nur. Man denke an das generelle Thema „Frauen in MINT-Fächern“.
Ein Umdenken in der Gesellschaft, eine Neuaufstellung des Bildungssystems etc. seien notwendig, tönt es häufig durch die Medien. Kurz- und mittelfristig werden wir so den Frauenanteil in der IT und Security oder generell in der Technik aber nicht erhöhen. Als Mensch, Vater, WOMENinICT Botschafterin und Führungskraft will ich mich damit nicht abfinden. Deshalb die Frage: Was kann ich jetzt tun? Vorweg: Da gibt es schon dies und das. Es ist zwar nicht immer alles einfach, aber es ist möglich, jetzt etwas zu tun!
IT ist nicht (nur) Technik
Ein Problem der IT & Security ist, dass man dieses Themenfeld immer sofort in die MINT-Ecke drängt. Hört auf damit! IT & Security sind viel mehr als nur Technik. Was sind wir in einer IT & Security Abteilung eines Industrieunternehmens? Richtig, interne Dienstleistende. Wir kümmern uns um Menschen, hören uns deren Probleme und Wünsche an und versuchen im Idealfall, Lösungen herbeizuführen. Was brauchen wir dazu? Weniger an IT-Sprech, den niemand versteht, und mehr an Menschlichkeit in der IT-Welt, also soziale und kommunikative Fähigkeiten.
Ich brauche auch Menschen im Team, die verstehen, wie das Business funktioniert, die dieselbe Sprache sprechen usw. Natürlich braucht es auch Expertinnen, Techniker, Programmiererinnen etc. Was ich will, ist eben nicht der IT-Nerd allein auf weiter Flur, sondern ein Tandem oder Team aus Expertinnen und Menschen, die Verständnis und Erfahrung aus den Fachbereichen mitbringen, die sich gegenseitig fordern und fördern.
Wollen ist wichtiger als Können
Quereinsteigerinnen von extern und Umsteiger von intern, also Menschen, die nicht aus der IT und Security kommen, können das gegenseitige Verständnis von IT und Fachabteilungen und so deren Zusammenrücken nachhaltig fördern. Angenehmer Nebeneffekt dabei: Quereinsteigertum kann ein Schlüssel für mehr Frauen in der Technik sein. Denn wenn uns geglaubt wird, dass Wollen für uns wichtiger ist als Können, dann können zum Beispiel Menschen neue Hoffnung schöpfen, die in ihrer aktuellen Lebensphase nicht Vollzeit arbeiten können oder wollen.
Diese Menschen haben oft das Problem, dass Teilzeitarbeit nicht wertgeschätzt wird, sie deshalb wenig zufriedenstellende Jobs haben. Wen trifft das vor allem? Ja genau, Frauen nach der Karenz zum Beispiel. Aber auch Menschen, die Care-Arbeit leisten, auch häufig Frauen. Sie denken sich, alles schön und gut – in der Theorie… Aber geht das in der Praxis? Ja, das geht. Seit rund vier Jahren versuchen wir einen Blumenstrauß an Themen zu fördern: Quereinsteigertum, lebensphasenorientiertes Arbeiten, Frauen in der IT & Security, etc.
Der Anteil an Quereinsteigerinnen und Umsteigern in meinem Team ist mittlerweile bei rund 46 % angelangt. Circa 20 % meiner Mitarbeitenden arbeiten in Teilzeit, davon 50 % Frauen und 50 % Männer. Der Frauenanteil ist zwar noch nicht dort, wo ich ihn gerne hätte, aber er ist von 15 % auf rund 25 % angestiegen. Deshalb, nicht nur, aber im speziellen ihr Frauen da draußen:
IT und Security können euch Perspektive und Zukunft geben. Traut euch! Quereinstieg ist möglich und schaffbar.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht einem meiner Role Models, stellvertretend für die 46 % meiner nicht gelernten IT und Security Expertinnen.
Die Reise einer Quereinsteigerin in die IT & Security
Mein Name ist Kathrin Gerauer (35), ich bin verheiratet, Mutter zweier Kinder (12, 6) und lebe in einer kleinen Gemeinde in OÖ. Und ja, ich bin eine dieser seltsamen Quereinsteigerinnen in die IT & Security, die als Women in IT für mehr Diversität sorgen soll. Aber was heißt es für so Quereinsteiger, diese Veränderung zu wagen? Und kann man aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, wirklich was Schönes bauen, auch dann, wenn man glaubt, diese nicht heben zu können?
Bevor ich den Umstieg in die IT & Security wagte, war ich in einem Industrieunternehmen in meiner Umgebung 13 Jahre lang im Accounting tätig. Während dieser Zeit habe ich schon viel mit der IT in Projekten und bei der Gestaltung von sicheren Prozessen zusammengearbeitet. Von den Möglichkeiten und Perspektiven der IT & Security war ich fasziniert. Nach so langer Zeit im selben Unternehmen hegte ich den Wunsch, mich in diese Richtung zu verändern.
Selbstzweifel und der Wunsch nach Veränderung
Aber wie es halt so ist, als Mama von einem damals noch Krabbelstubenkind und einem Volksschüler, geprägt von der Corona-Zeit irgendwo zwischen Home-Office und Home-Schooling, hinderten mich zunächst Selbstzweifel und Vorurteile, an einen Wechsel zu denken. Wer würde mich schon mit zwei Kindern in Teilzeit einstellen? Und das als Quereinsteigerin. Jetzt habe ich einen sicheren Job. IT habe ich ja nicht mal gelernt. Ruhe gelassen hat mir der Wunsch nach Veränderung dann doch nicht. Für die entscheidende Wende sorgte schließlich ein Teebeutel auf dem stand: „Mut macht Träume wirklich.“ Und so beschloss ich, den Weg in Richtung IT mit Schwerpunkt Finanzwesen zu wagen.
Hürden und Skepsis
Im privaten Umfeld äußerte ich zögerlich erste Veränderungswünsche, ohne konkret ein Unternehmen ins Auge gefasst zu haben. Nun kämpfte ich nicht mehr nur mit meinen Selbstzweifeln, sondern auch gegen skeptische Stimmen und typische Klischees. Fragen und Behauptungen wie „IT ist ja nur Technik“, „Bist du dir schon sicher, dass IT was für dich ist, du bist ja eine Frau“ oder „Ein Jobwechsel mit zwei Kindern – ist das nicht etwas riskant?“ haben mein Gedankenspiel begleitet.
Am Boden der Tatsachen
Auf den Boden der Tatsachen wurde ich schnell zurückgeholt. Ich führte ein paar Bewerbungsgespräche, in denen mir gleich mal pauschale Vorurteile hinsichtlich Kinderbetreuung, Projektverantwortung und mangelnder IT-Kenntnisse unterstellt wurden, anstatt sich überhaupt über meine Situation zu informieren. Aber auch gute Gespräche endeten dann meistens mit „Sie sind für die Stelle persönlich und fachlich perfekt qualifiziert, Vollzeit würden wir Sie sofort nehmen, aber in Teilzeit ist das leider nicht möglich.“ Oder: „Eigentlich suchen wir aber Experten mit Erfahrung.“
Das Wollen ist wichtiger als das Können
Dennoch wollte ich mich nicht mit dieser Situation abfinden. Durch Zufall kam ich mit meinem heutigen direkten Vorgesetzten Martin Pils ins Gespräch, der mein Potential erkannte und gemeinsam mit unserem VP Alexander Hochmeier einen Plan für einen möglichen Quereinstieg für mich schmiedete. Was dann für Martin kam, war intensive Überzeugungsarbeit – übrigens genau 104 Tage. Er betonte immer wieder, dass Quereinsteigerinnen, Umsteigerinnen und Experten aus der Wirtschaft wertvolle Ergänzungen für das IT & Security Team sind, diverse Teams viel leistungsfähiger seien und dass das Wollen wichtiger ist als das Können. Das Angebot entsprechender Home-Office Möglichkeiten und flexibler Arbeitszeiten stellte das Problem einer Wegstrecke von 40 Minuten und das Kinderbetreuungsthema in den Hintergrund. Und so startete ich schließlich vor rund zwei Jahren in der IT & Security der FACC als Information Security Officerin mit dem Schwerpunkt Financial Security.
Zwischen Quereinstieg, Verantwortung und lebensphasenorientiertem Arbeiten
Der Anfang war nicht immer einfach. Eine weitere Corona-Hochphase erschwerte persönliche Treffen und den Austausch in der Abteilung. Das breite Spektrum der Cyberkriminalität und die damit verbundenen Herausforderungen „überfuhren“ mich anfangs regelrecht. Ich musste mich kräftig ins Zeug legen, um mich mit der Materie und den vielen Fachbegriffen vertraut zu machen. Einige kritische Kollegen äußerten anfangs ihre Skepsis über meine mangelnde IT-Erfahrung, aber ich wollte beweisen, dass ich es kann. Und natürlich müssen Quereinsteiger auch von erfahrenen Kollegen an der Hand genommen und unterstützt werden. Aber schon bald stellte ich fest, dass die Anforderungen der IT & Security vielfältig sind. Das wiederum erfordert unterschiedliche Persönlichkeiten und Denkweisen.
Nach mittlerweile rund zwei Jahren bei FACC bin ich für die Mitarbeitersensibilisierung (Awareness) im Konzern gemeinsam mit einer Kollegin im Jobsharing verantwortlich, betreue den Fachbereich Accounting als Security Expertin und unterstütze unsere IT im Financial Management. Durch entsprechende Flexibilität, den FACC Kids Club und Home-Office-Möglichkeiten konnte ich mein Stundenausmaß nun auch wieder auf 30 Stunden erhöhen.
Auf die Führungskraft und die Unterstützung der Experten kommt es an
Ob Quereinstieg und Vereinbarkeit wirklich möglich sind, hängt zu einem großen Teil auch vom Wollen und Ermöglichen der Führungskraft und den Rahmenbedingungen des Unternehmens ab, die im Quereinsteigertum tatsächlich einen Mehrwert sehen und fördern. Bei uns ist der IT & Security wird Diversität im Team – von Einsteigern bis Expertinnen, vom Lehrling bis zu Ü50ern, männlich/weiblich/divers, von Teilzeit bis Vollzeit, Menschen unterschiedlicher Erfahrungen und Herkunft etc. – nicht als Notlösung, sondern als echter Erfolgsfaktor gesehen.
Auch die Weiterentwicklung und Ausbildung von Mitarbeitenden, besonders das Empowerment von Women in IT, stehen im Fokus. Neben diesen Rahmenbedingungen ist aber auch entscheidend, dass die Integration von Quereinsteigerinnen wie mir nur dann gelingen kann, wenn die Expertinnen und Experten im Team diesen Weg mittragen und aktiv unterstützen. Sie sind die Stützen des Teams, sie sind Trainer, Mentorinnen, Sparring Partner. Nur mit ihnen gemeinsam klappt das.
Betreffend die Vereinbarkeit: Teilzeit ist bei uns ein vollwertiges, flexibles Arbeitsmodell mit Verantwortung und kein Abstellgleis für Karenzrückkehrer. Mir ist es damit möglich für meine Familie da zu sein, als Frau unabhängig zu sein und volle Projektverantwortung zu tragen.
Resümee und Apell
Ich hoffe, dass Sie nach dem Lesen dieses Artikels und dem konkreten Beispiel meiner Mitarbeiterin von den Möglichkeiten des Quereinsteigertums überzeugt sind. Den Willen der Quereinsteigenden vorausgesetzt, ist das unterstützt von den Expertinnen im Team ein toller Weg, Menschen Perspektive zu geben und loyale Teammitglieder zu finden.
Es ist an der Zeit, dass auch andere Unternehmen, Führungskräfte und Personalverantwortliche umdenken, um jenen, die WOLLEN eine Chance zu geben und Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit und lebensphasenorientiertes Arbeiten schaffen.
Und vielleicht sollten Menschen, die Verantwortung und lebensphasenorientiertes Arbeiten möchten, aber deren aktuelle Umstände das nicht hergeben, einfach mal darüber nachdenken, im falschen Unternehmen oder bei der falschen Führungskraft zu sein, und sich trauen, etwas Neues zu wagen. Denn „Mut macht Träume wirklich“ und mit der passenden Führungskraft und einem starken Team lässt sich so manch scheinbar schwerer Stein aus dem Weg räumen.
Deshalb – und im speziellen zum Weltfrauentag – mein Appell:
Liebe Frauen da draußen (ver-) traut Euch! Wagt den Umstieg. Zeigt, dass ihr wollt. Zeigt, dass ihr es könnt!