Beide Case Studies beleuchten heute ein ähnliches Thema: der ursprüngliche Auftrag bzw das geplante Konzept stößt auf … sagen wir mal „Widerstände“. Zwei sehr spannende Fälle, die uns die Praxis unter die Lupe nehmen lassen.
Experten-Interview
Theoretischer Auftrag und reale Bedürfnisse klaffen auseinander
Mag. David Kupfer, MSc (Wildniszone):
Eigentlich hatten wir genau solche Programme schon öfters konzipiert und begleitet – ein möglichst ganzheitliches Führungskräfteprogramm. Ziel war neben Selbstreflexion der eigenen Rolle allen voran das Kennenlernen von Führungstools – von Kommunikation über Steuerung von Dynamiken und Konflikten im Team bis hin zu „Klassikern“ aus dem Selbst- und Zeitmanagement sowie das Fördern von Potentialen im Team. Da in der Organisation bis dato dahingehend noch nie etwas stattgefunden hat, konnte die Auftraggeberin auch nicht präzise auf den Punkt bringen, was aus ihrer Sicht noch besonders zu beachten war.
Also sind wir hineingestartet und wollten in den ersten Modulen Inputs liefern, um schließlich gegen Ende der modularen Begleitung den Schwerpunkt darauf zu setzen, wie die Runde der etwa 15 Führungskräfte in Zukunft das Zusammenspiel gestalten möchte, damit es ein produktives Miteinander voll von gemeinsamen Lernmomenten und Austausch ist. Soweit der Plan…
Die Realität hat uns sehr bald eingeholt, als wir von den Teilnehmenden rückgemeldet bekamen, dass nicht alle untereinander per „du“ sein möchten. Als erfahrene Trainer wollten wir uns natürlich davon nicht einschüchtern lassen. Außerdem hatten wir ja das Programm mit der Auftraggeberin abgeklärt und auch schon an die Runde der Teilnehmenden kommuniziert. Ebendiese Ignoranz unsererseits beziehungsweise die fehlende Wahrnehmung der Grundbedürfnisse in der Gruppe, haben schließlich dazu geführt, dass die Bereitschaft, sich auf Selbstreflexion und einen entsprechenden Austausch einzulassen, zu keinem Zeitpunkt gut gegeben war.
Am ersten Nachmittag sprachen dann erste Teilnehmende in unterschiedlichen Kleingruppen das Problem an: Die Kultur der Führungskräfte untereinander war leider aufgrund der gemeinsamen Historie noch zu belastet, als dass es möglich gewesen wäre, unser Programm in der geplanten Weise durchzuführen. Nach einer spontanen Abstimmung mit der Auftraggeberin haben wir schließlich das Programm umgeworfen und den Fokus darauf gelegt, die Runde der Führungskräfte in eine produktive Arbeitsweise miteinander zu begleiten. Die Verletzungen und Kränkungen der Vergangenheit waren anfangs noch zu groß, als dass ein gemeinsamer Lernprozess möglich gewesen wäre.
Rückblickend hat sich unser „betriebsblindes“ Vorgehen zum Glück letztlich als notwendiger Umweg erwiesen. Seit diesem Prozess sind unsere Auftragsklärungsgespräche allerdings nicht nur noch präziser, sondern wir haben auch gelernt, selbst bei Gruppen die sich schon lange kennen, an der Kultur des Miteinanders anzusetzen bevor es ins gemeinsame Lernen gehen kann…
Von Widerstand zu Wandel
Eine transformative Reise im Führungskräfteentwicklungsprogramm
Mag. Eva Ayberk (NewZone):
In der Anfangsphase meines ersten Beratungsunternehmens gewannen wir eine Ausschreibung für ein Führungskräfteentwicklungsprogramm bei einer internationalen Unternehmensgruppe. Unser ungewöhnliches Konzept und unser frischer Ansatz überzeugten. Game-based Learning, Rapid-Prototyping und vor allem die Vision einer Fearless Organisation hatten wir mit im Gepäck.
Die Freude über den Zuschlag wich jedoch bald der Ernüchterung. Trotz der Begeisterung einzelner Personen im Unternehmen war die Unternehmenskultur noch nicht bereit für unsere innovativen Methoden. Das führte zu großem Frust und Überlegungen, das Projekt eventuell nicht wie geplant durchzuführen. Die Diskrepanz zwischen unseren Vorstellungen und der Unternehmensrealität war eine echte Herausforderung.
In intensiven Diskussionen im Projektteam reflektierten wir unsere Erfahrungen. Ich griff auf meine systemische Beratungserfahrung zurück: Ausgehend von der aktuellen Situation des Kundensystems zu arbeiten, half uns, die Situation nicht persönlich zu nehmen, sondern als Auslöser für Veränderungen zu sehen. Wir lernten, unsere Ansätze so anzupassen, dass sie anschlussfähig blieben und auf Vertrauensbasis Neues im Unternehmen ermöglichten.
Mit Offenheit und Neugier entwickelten wir das Programm schrittweise weiter. Trotz anfänglicher Widerstände veränderte sich mit der Zeit die Einstellung der Teilnehmenden, die sich immer mehr für unsere Themen öffneten und eigene Erfahrungen einbrachten.
Sieben Jahre später bin ich immer noch in diesem Projekt engagiert. Die Anerkennung und Wertschätzung, die uns heute entgegengebracht wird, bestätigt uns in unserer Arbeit. Diese Erfahrung hat mich persönlich und als Beraterin stark geprägt. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Geduld aufzubringen, sich nicht von anfänglichen Schwierigkeiten entmutigen zu lassen. Dieses Führungskräfteprogramm hat somit nicht nur beim Kunden Wirkung gezeigt, sondern vor allem auch meiner persönlichen Entwicklung geholfen.
Interviewte Personen
2 Praxis-Lupen schauen auf Führungskräfte-Entwicklung | Verborgene Tücken
Mag. David Kupfer, MSc
- Geschäftsführer
- Wildniszone
Mag. Eva Ayberk
- Geschäftsführerin
- NewZone