Besteht das zukünftige Alphabet im Trainingsmarkt aus nur zwei Buchstaben? Nämlich KI? Welche Rolle hat der Mensch und wie kann er die KI sinnvoll nützen? Antworten gab es beim WIFI Hybrid-Kongress für Training und Weiterbildung.
Event-Bericht
Event-Eckdaten: Trainingskongress | Veranstalter: WIFI | Wien & online
- Hybrid-Kongress für Training und Weiterbildung
- Event-Bericht: 16mai2024
- www.wifi.at/trainingskongress
Sind die Trainierenden im Bildungsprozess ein Auslaufmodell?
„Nicht die KI wird Menschen ersetzen, sondern Menschen mit KI werden die KI ersetzen“, sagt Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes (FH der WKO Wien, Digital Economy) zum Auftakt der Podiumsdiskussion. „Nein, das glaube ich nicht, die KI wird sehr wohl auch Menschen ersetzen,“ entgegnet Christoph Wirl (Herausgeber Magazin Training). „Sehr gut, dann diskutieren wir mal,“ moderiert Daniela Soykan-Tober im neongelben Blazer mit einem Lachen. „Diskutieren, aber nicht hauen – so sag ich das immer bei meinen zwei Jungs.“
Open AI wird nächstes Jahr zehn Jahre alt und Christian Faymann (Institutsleiter WIFI Wien) verfolgt das Thema seit 2017 mit hohem Interesse. Vor ihm sitzt ein menschenähnlich gestalteter Roboter namens NAO am Tisch, hört zu, dreht und wackelt mit dem Kopf und bewegt die Arme. Was genau NAO da macht ist online im Hybridkongress nicht ersichtlich. Ein Balanceakt – inhaltlich und technisch? Es ist für mich ein gelungener Balanceakt: technisch – die Hälfte der Teilnehmenden sitzt an den Laptops zu Hause und die andere Hälfte in den WIFI-Räumen – als auch inhaltlich: Die künstliche Intelligenz wird vielfältig und realistisch dargestellt – in ihrem Nutzen, ihren Grenzen und im Potential für Trainierende.
Das neue Alphabet hat nur zwei Buchstaben?
Keynote-Speakerin Carina Zehetmaier zitiert Andrew Ng (Gründer AI Fund): „KI ist die neue Alphabetisierung.“ Wer mit der KI nicht umgehen kann, wird genauso außen vor sein, wie heute Menschen die nicht lesen und schreiben können. Viele Menschen glauben, dass sie keine KI verwenden und sind sich dabei nicht bewusst, dass künstliche Intelligenz bereits im Navi die schnellste Route berechnet und die Gesichtserkennung bei der Entsperrung ihres Smartphone macht. Die KI-Entrepreneurin, Juristin und Expertin für Menschenrechte stellt auch die Schattenseiten des Einsatzes von KI dar wie z.B. Deep Fakes (z.B. Sexvideo mit Taylor Swift) und die Videoüberwachung von Menschen im öffentlichen Raum (z.B. bei Demos in Hongkong). „In der EU wird es Social Scoring wie in China nicht geben, dazu wird gerade der 500 Seiten lange EU AI Act fertig ausgearbeitet,“ betont Carina Zehetmaier. „Das wird eine DSGVO für Artifical Intelligence.“
Chat GPT halluziniert?
Was kann generative KI wie z.B. Chat GPT? Sie ist in der Lage, neue Daten oder Inhalte zu erzeugen, die denen ähneln, die sie gelernt hat. „Bis zu 175 Milliarden Parameter des englischsprachigen Web werden in einer Anfrage verknüpft – und es ist alles drinnen, was wir geschaffen haben, von Fachartikel bis (Hass-)Kommentar. Wie dann aber die KI bei einer Anfrage die Auswahlentscheidung aus all diesen Informationen trifft, kann niemand sagen,“ erklärt Carina Zehetmaier. „Es berechnet die Wahrscheinlichkeit von Wortfolgen und wirft uns aus was wir haben wollen. Wir dürfen unseren kritischen Blick und die Kontrolle nie aufgeben. Für rechtliche Belange ist generative KI nicht zulässig. Das System erfindet Verträge.“
Wofür macht KI im Training Sinn?
KI hat im Bildungsbereich schon längst Einzug gehalten – durch personalisiertes Lernen, zur Datenanalyse oder bei der automatisierten Bewertung von Prüfungsaufgaben. Wir haben die Podiumsgäste, Workshop-Leitenden und Teilnehmenden gefragt: Wofür verwendet ihr die generativen KI-Tools?
- Für inhaltliches Brainstorming zu einem neuen Training
- Zur Unterstützung bei der Erstellung von Lernunterlagen
- Für Vorschläge zu Einstiegsmethoden oder anderen kreativen Methoden
- Einstiegsworte finden
- Zusammenfassungen von Texten
- Ein Trainingsdesign an Hand von Kriterien zu hinterfragen
„Es erweitert den Handlungsspielraum ohne den Menschen zu ersetzen,“ schlussfolgert Stefan Fersterer (zertifizierter Trainer und Learning Professional). „KI in jeder Form erleichtert mir den Alltag enorm,“ sagt Christoph Wirl (Herausgeber Magazin Training).
In den Workshops (u.a. bei Christoph Tripp) lerne ich wie ich die KI auf eine Art und Weise einsetzen kann, die bessere Ergebnisse bringt, nämlich indem die Qualität und Detailgenauigkeit der „Prompts“, d.h. der Eingabe verbessert wird. Zum Beispiel indem das System aufgefordert wird aus einer bestimmten Rolle heraus zu antworten, z.B. „Antworte als Experte im digitalen Lernen“. Dann werden spezifischere Quellen angesteuert und die wissenschaftliche Verlässlichkeit steigt. Eine zweite Möglichkeit ist es einen Chat zu kreieren, wo die KI gebeten wird, bei der Entwicklung der Prompts zu helfen und sie gemeinsam so spezifisch wie möglich zu machen. Dazu soll dir die KI Fragen stellen.
Terminator, Papagei oder neues Heilsversprechen?
Welches Bild machen wir uns von der KI? Carina Zehetmaier bringt eines ein, welches viele Menschen im Kopf haben, die KI fürchten: den Terminator. Gekommen um uns zu erledigen? Stefan Fersterer bringt in seinem Workshop KI-generierte Bildvorschläge, wie zum Beispiel ein Papagei, der einfach nur nachplappert oder einen Teampartner, der beim Brainstorming unterstützt. Unsere inneren Bilder beeinflussen ganz maßgeblich unsere Denkweise, Emotionen und Handlungen, wie ich als Psychologin sehr gut weiß. Es macht Sinn, hinzuschauen, welches KI-Bild man aktuell im Kopf hat und ob man es lieber durch ein hilfreicheres ersetzen sollte. Was brauchst du für ein Bild um zukunftsorientiert und zugleich kritisch handeln zu können? Meines hat sich durch den Kongress gewandelt und das fühlt sich gut an.
Im WIFI Trainingskongress wird inzwischen längst geplaudert, gelacht und ausgetauscht, für die online-Teilnehmenden gibt es live Hangdrum-Musik in den Pausen, Gewinne werden mit dem Glücksrad verlost und im abschließenden Trainer-Slam treten fünf kreative Top-Trainierende in je fünf Minuten gegeneinander an. Als Preis winkt der WIFI LENA-Award für LEbendige und NAchhaltige Wissensvermittlung. Ich geh inzwischen eine Runde ins Tanzstudio und freu mich über die spannenden und sehr konkreten Inhalte, die ich heute aus dem Kongress mitgenommen habe. Gerne wieder!
„KI ist nicht dazu da, uns zu ersetzen,
sondern um uns zu ergänzen und
uns dabei zu helfen, besser zu werden.“
Margaret Boden, britische Philosophin & Informatikerin
Fotos: © Florian Wieser
HRweb vor Ort | WIFI Trainingskongress: Wie gelingt sinnvolle Nutzung von KI?