Das frische Magazin
für Human Resources
HREX
Mayerhofer-Trajkovski

Blick aus der Zukunft (2034) auf HR-Ausbildungen heute

26Jun2024
6 min
Blick aus der Zukunft

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Es ist 2034 und wir sehen 10 Jahre zurück. Nämlich konkret auf HR-Ausbildungen: Seminare, Studiengänge, etc für Personal-Themen.

Wo stehen wir, welche Milesones brachten wir uns hierher und worin lagen unsere größten Denk-Irrtümer – damals, 2024?

Ich freue mich sehr, dass sich meine interviewten Experten so sehr darauf einließen, sich in die Situation zu versetzen, aus 2034 zurück zu blicken. Dieses Interview zählt definitiv zu meinen Favoriten!

Doch eine kleine Vorwarnung zu Beginn: dieses Interview wurde doch länger als beabsichtigt. Und auch länger, als Internet-Beiträge sein sollten. Dennoch: ich belasse das Interview lieber zu lang als Antworten zu streichen, die für die Dramaturgie doch essenziell sind.

Es ist 2034. Aus dieser Perspektive blicken wir 10 Jahre zurück.

Fachkräftemangel, Personalentwicklung
Links der HR-Branche Personal-Entwicklung

Wo stehen wir bzgl. HR-Ausbildungen heute, in 2034?

Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ):

Kurz, zielgerichtet, prägnant sind Seminare im HR-Management. Inhalte auf den Punkt gebracht für eine Weiterbildung, wenn man sie braucht. Ganz konkret für den Anwendungsfall werden die meisten Angebote sein, die gebucht werden. Im Gegensatz zu den Lehrgängen werden Inhalte kürzer und konkreter für spezielle Anwendungsfälle werden.

Hat man einen Need, besucht man genau dazu ein Seminar. Vor Ort oder virtuell, je nach Thema oder persönlicher Vorliebe. Soll jemand einen Bewerbungsprozess neu aufsetzen, sucht die Person ein Angebot, das exakt dem entspricht und nicht nach einem Recruiting Seminar, das ein viel breiteres Themenspektrum abdeckt?

Auch wird das Angebot oft nicht von 9 – 17 Uhr sein. In der Kürze liegt auch in der Weiterbildung die Würze. Kurze Einheiten mit viel Input einerseits und Austausch / Reflexionsmöglichkeiten andererseits.

Michaela Baumgartner (Group Austria):

Train-the-Trainer-Programme werden sich weiterentwickelt haben, um den sich verändernden Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden. Möglicherweise sind Kurse noch stärker personalisiert, sicher auch mehr digitalisiert und auf die individuellen Bedürfnisse der Trainer und Trainerinnen zugeschnitten! Mit Fortschritten in den Bereichen KI könnten Programme sogar noch stärker individualisiert werden. So wird das Lernverhalten der Teilnehmenden mit maßgeschneiderte Lernpfaden erstellt, um das Lernen noch effektiver zu gestalten. Darüber hinaus könnten immersive Technologien wie Virtuelle Realität noch häufiger in Train-the-Trainer-Programmen integriert werden und auch nachgefragt sein!

Veronika Aumaier (Aumaier Consulting/Training):

Die fachliche HR-Bastelstube, die den Führungskräften selbst entwickelte Tools und Settings von sich aus anbietet, ist passé. Human Resources Personen mit einschlägiger Fachexpertise haben sich weitestgehend außerhalb der Unternehmen als Netzwerkanbieter aufgestellt. Im Unternehmen hat sich bei den verbleibenden Human Resources Mitarbeitenden die HR Generalisten Rolle durchgesetzt. Fachexpertise wird von einschlägigen Anbietern zielgruppenspezifisch in Form standardisierter Prozesse, Tools und Modellen zugekauft, die rasch auf spezifische Anforderungen angepasst werden können. Entweder von Netzwerkpartnern im Dauerverhältnis oder singulär für besondere Korridorthemen, die sich unterjährig abtauschen. Nur wenige, sehr erprobte wiederkehrende Dienstleistungen und Tools werden im Standard intern vorgehalten. Human Resources Generalisten Funktionen übersetzen die Aufträge der Führungskräfte und kaufen extern ein.

Wie kamen wir hierher – essenzielle Milestones?

Wie sahen die wichtigsten Meilensteine seit 2024 aus?

Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ).

Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren und gemeinsam mit den Teilnehmenden lernen war der Weg. Die Integration von KI in die Weiterbildung ist sicher einer der wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung. Beginnend mit dem Einsatz von KI bei der Konzeption bis hin zu der Integration von KI-Tools ins Seminarangebot.

Ein anderer Meilenstein ist die Veränderung der Erwartungshaltung der Teilnehmenden und der Unternehmen. Berufliche Weiterbildung wird sich von der klassischen Wissensvermittlung zur Kompetenzvermittlung weiterentwickeln. Nur etwas zu wissen, wird zu wenig sein, man wird das Wissen auch richtig anwenden können.

FH-Prof.in Dr.in Christina Schweiger (FHWien der WKW).

In den letzten 10 Jahren wurden das Curriculum und unsere Studienprogramme dreimal grundlegend überarbeitet und an die jeweiligen aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse der Praxis angepasst. Es wurden in Abstimmung mit der betrieblichen Praxis zahlreiche Marktanalysen und Studien durchgeführt, wie z.B. Alumnibefragungen, Expertenbefragungen sowie HR-Trendanalysen. Ziel ist es, herauszufinden, welche Kompetenzen unsere Studierenden in der Praxis benötigen und ob der Kompetenzerwerb im bestehenden Curriculum ausreichend abgebildet ist bzw. wie dieser besser abgebildet werden kann. Diese Anpassung bezieht sich sowohl auf veränderte Lehr- und Lernmethoden als auch auf Fachinhalte, die im Laufe der Zeit an Bedeutung gewinnen oder verlieren.

Veronika Aumaier (Aumaier Consulting/Training).

Human Resources Abteilungen haben sich sukzessive auf Bedarf der Führungskräfte und ihrer Teammitarbeitenden eingelassen. Den Wünschen nach individualisiertem, individuellem Qualifizierungssupport wurde Schritt für Schritt nachgekommen, um die Mitarbeitenden der Gen Y, Gen Z und Gen A gewinnen und halten zu können. Der Fokus und das alltägliche Führungshandeln ist aufgrund der neuen, jüngeren Generationen langsam aber unaufhaltsam von der fachlichen Führung hin zur menschenorientierten Führung gewandert und musste in der praktischen Anwendung intensiv geschult werden: Denn das menschliche Miteinander auf die wenigen aber klaren Unternehmensziele zu fokussieren, um gezielt Leistungen gemeinsam zu erbringen, die die Erreichung des Unternehmenserfolges sicher stellen, war und ist aufgrund der diversen, zum Teil widersprüchlichen Erwartungshaltungen und Wertewelten der Teammitarbeitenden, eine große Herausforderung. Die fachliche Anleitung, die über lange Zeit im Fokus der Führung stand, wurde sukzessive von KI-Tools und digitalen Prozessen übernommen.  

Worin haben wir uns 2024 geirrt, als wir in die Zukunft blickten?

Veronika Aumaier (Aumaier Consulting/Training)

Wir dachten, es bräuchte keine Führung. Die agilen Arbeitswelten und die starken Individualisierungstendenzen, unterstützt durch die individuelle Purpose-Suche hatte den Anschein, dass die Mitarbeitenden bei ausreichend interessanten Themen und Gestaltungsspielräumen selbstmotiviert und eigenverantwortlich agieren. Wir haben gedacht – wie beim self-check-in von Hotels – dass Mitarbeitende es eher bevorzugen, sich rund um die Uhr selbst zu behelfen. Da lagen wir falsch. Wir hatten zwar keinen Bedarf an dominanten Führungskräften mit überholtem Führungsverhalten und Führungsmustern. Aber Führungskräfte, die inspirieren, aktiv zum Mitgestalten einladen, Überblick geben und die da sind, wenn man sie braucht, wollten wir doch. HR Business Partner Personen haben drauf viel zu wenig Einfluss genommen. Sie haben sich zu lange mit der Entwicklung von HR Tools, Prozessen und Rahmenbedingungen beschäftigt. Fast zu spät haben sie erkannt, dass gerade HR in der Business Partner Rolle intensiv und nachhaltig die Etablierung eines neuen Führungs-Mindset und ein neues Führungsverhalten unterstützen muss. Leadership Understandig wurde in HR leider erst sehr spät in einschlägige HR Ausbildungen als wesentliches Schwerpunktthema aufgenommen.

Michaela Baumgartner (Group Austria)

Der größte Irrtum war, sich gegen die technologischen Entwicklungen zu stellen. Es war ein Trugschluss zu glauben, dass ausschließlich Präsenzveranstaltungen und traditionelle Ausbildungsmodelle weiterhin ausreichen würden, um eine professionelle Ausbildung anzubieten. Früher wurden Train-the-Trainer-Kurse oft ausschließlich in Präsenzformaten angeboten, was zu begrenzter Zugänglichkeit und Flexibilität führte. Der Einsatz von Online-Kursen und anderen digitalen Lernformaten wurde möglicherweise unterschätzt.

FH-Prof.in Dr.in Christina Schweiger (FHWien der WKW)

Der technologische Fortschritt war nur teilweise abschätzbar. Zukunftsprognosen werden durch weitere Einflüsse wie den Klimawandel und geopolitische Entwicklungen beeinflusst, die nicht vorhersehbar sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass wir uns in einigen Punkten geirrt haben werden.

Es gibt möglicherweise eine Tendenz zur Entschleunigung, da uns durch den technologischen Fortschritt vieles abgenommen wird. Dadurch können wir uns ggf. wieder auf wesentliche Dinge und unsere Gesundheit konzentrieren.

Es ist derzeit unklar, wie Lernen und Lehren mit künstlicher Intelligenz tatsächlich umsetzbar ist. Möglicherweise werden grundlegende Leistungen, die ein Studium bestimmen, wie beispielsweise schriftliche Abschlussarbeiten, in Zukunft keinen Stellenwert mehr haben. Vielleicht werden wir im Jahr 2034 zurückblicken und uns darüber wundern, warum wir der wissenschaftlichen Schreibkompetenz so viel Stellenwert beigemessen haben. Vielleicht kommt es aber auch ganz anders, als wir denken.

Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ)

Das „nur“ als ausschließlicher Weg wird sich nicht durchsetzen. Nur online oder nur Präsenz-Trainings. Nur mit KI oder nur ohne KI. Die Vielfalt an Möglichkeiten nicht zu nutzen, kann zu einem der größten Irrtümer werden.

Interviewte Personen

10 Blick aus der Zukunft (2034) auf HR-Ausbildungen heute

Michaela Baumgartner

Michaela Baumgartner, Group Austria

FH-Prof. Dr.in Christina Schweiger

Christina Schweiger, FH Wien

Mag. Armand Kaáli-Nagy

Armand Káali-Nagy, ÖPWZ

Veronika Aumaier

Veronika Aumaier

Kategorien:

Schlagwörter:

Teilen:

Ähnliche Beiträge