Die Interviews, in denen wir aus dem Blickwinkel der Zukunft auf das Heute zurückblicken, mag ich persönlich besonders. Und die Leser-Zahlen bekräftigen auch Ihr Interesse … oder Neugierde.
Wir sehen uns an: wo stehen HR-Ausbildungen heute, 2034? Wie kamen wir hierher und worin lagen unsere größten Irrtümer damals, 2024?
Wo steht Business-Coaching in 2034?
Wo stehen wir bzgl. Business-Coaching heute, in 2034?
Mag. David Kupfer, MSc (Wildniszone):
Coaching hat sich zu einem reglementierten Fachzweig entwickelt und etabliert. Parallel dazu hat die Mehrzahl der Unternehmen erkannt, dass es für nachhaltigen Unternehmenserfolg insbesondere reflektierte und kompetente Führungskräfte braucht. Ein Trend hin zu deutlich mehr Sozialkompetenz und weniger Fokus auf Fachexpertise hat Einzug genommen. Die grundlegendsten Themen im Business-Coaching sind einerseits Persönlichkeitsentwicklung und andererseits Tools und Werkzeuge für den Führungsalltag.
Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung weg von der vor einigen Jahren mitunter noch vorherrschenden Trennung von Privatem und Beruflichen. Diese Trennung wurde auch im Coaching immer mehr aufgelöst, da die Führungskraft ganzheitlicher mit all ihren Ressourcen und Potentialen, Stärken aber auch Schattenseiten gesehen wird.
Veronika Aumaier (Aumaier & Partner Coaching):
Business Coaching wird intern und extern für alle Zielgruppen angeboten und hat herkömmliche Seminarveranstaltungen – mit Ausnahme von Kleingruppencoachings – abgelöst.
Das Angebot ist weitestgehend hybrid, online Sessions in hervorragender Qualität, in virtuellen Räumen werden mit exklusiven Präsenzeinheiten ergänzt. Lernmaterialien in zeitgemäßer vielfältiger Form – visuell und auditiv – hergestellt mit den modernen zeitgemäßen KI-Möglichkeiten und Tools ergänzen das Gespräch vor, während und nach dem Business Coaching. Daraus resultiert ein nachhaltiges, gelassenes, motiviertes, zuversichtliches, fröhliches und positives Work-Life.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO):
Da wir noch weit entfernt sind von der Entwicklung einer Super-KI, wird das Business Coaching von professionellen, zertifizierten Coaches durchgeführt, die hohe Qualitätskriterien erfüllen. Die Business Coaching Demokratisierung ist fortgeschritten und alle Mitarbeitenden haben Zugang zu Coaching. Sei es durch eine gut entwickelte, generative KI für weniger komplexe Themen oder über Coaching-Plattformen, die nur mit zertifizierten Coaches arbeiten.
Gunter Gruhser (next level consulting):
Das Label «Coaching» wurde vor 10 Jahren auf ganz verschiedene Tätigkeiten geklebt, oft verbunden mit Rollen in diversen agilen Frameworks: Design Thinking Coach, OKR Coach, agile Coach et. cetera.
Das ist allerdings nur die eine Seite der Medaille! Was ist dann die andere?
Mit der Verbreitung der agilen Frameworks entstand die Notwendigkeit am Verhalten der Menschen zu arbeiten. Werte, Prinzipien, Mindset, Transformation, being agile sind die Schlagwörter die als Wegbegleiter in Transformationen ins Zentrum der Aufmerksamkeit kommen. Hier rückt die andere Seite der Medaille in den Blick: Die Coachingkompetenzen, die in den traditionellen Coachingausbildungen seit den 90gern gelehrt werden. Verschiedenen Schulen angehörend, kommen sie doch alle aus einem anspruchsvollen therapeutischen Kontext: Interventions-Repertoire, ein Vorrat an Fragetechniken, hypothesengeleitetes Reflektieren und Agieren, die Arbeit an der eigenen persönlichen Verfasstheit – um ein paar Unterschiede zu den Experten der Framework Medaillenseite zu nennen.
Die wichtigsten Meilensteine seit 2024
Wie kamen wir hierher – wie sahen die wichtigsten Meilensteine seit 2024 aus?
Veronika Aumaier ( Aumaier & Partner Coaching)
Der Wandel erfolgte in Wellen. Wir waren nur sukzessive in der Lage, das bereits in 2024 umfassende Wissen über Lernen und Persönlichkeitsentwicklung in die Anwendung zu bringen. Die rasant zunehmende Qualität und Verfügbarkeit von digitalen KI-Tools haben das Business Coaching in eine günstigere und sehr leicht im Alltag integrierbare, hybride Form gebracht, die die Unternehmen dazu veranlasst hat, sie mehr und mehr allen Zielgruppen zur Verfügung zu stellen.
Die Formel im Laufe der Zeit lautete: Je höher der Managementlevel umso höher der Präsenzanteil des Business Coachings. Das Topmanagement hatte aufgrund der Geschwindigkeit, Dynamik und Themenkomplexität das Privileg, Business Coachings auch in effektiven und exklusiven Präsenzsettings zu absolvieren. Alle anderen Zielgruppen wurde Business Coachings überwiegend in Form von digitalen Tools offeriert.
Wirklich bahnbrechend war jedoch die anhaltend niedrige Zahl an Arbeitskräften, die ein sehr effektives Instrumentarium erforderte, das dauerhaft alle Altersgruppen effektiv unterstützen konnte, anhaltend gesund, leistungsfähig und motiviert im herausfordernden Arbeitsprozess zu sein und zu bleiben. Diese verschärften Rahmenbedingungen im Selbst- und Gesundheitsbereich aber auch im sozialen und fachlichen Bereich und die verstärkte Nachfrage der jungen Führungskräfte und Mitarbeitenden nach individualisierter Unterstützung, hat letztendlich in Summe dem Business Coaching geholfen, dauerhaft die Nummer 1 unter den Lernsettings zu sein.
Dr. Martina A. Friedl:
Personalentwicklungsabteilungen haben Möglichkeiten und Prozesse definiert, die es ermöglichen, Potenziale von Mitarbeitenden individueller zu fördern. Wissensvermittlung wurde zunehmend durch digitale Tools unterstützt, während in Gruppen- und Einzelsettings (= Coaching) verstärkt auf die Stärkung der Debattier- und Reflexionsfähigkeit gesetzt wurde. Durch die Zunahme digitalisierter Angebote wurde auch eine zunehmend größere Zielgruppe in der Organisation erreicht. Bis zur Einführung von KI-Tools im Coaching wurden wichtige Fragen zum Datenschutz gelöst bzw. hatten einzelne Early Birds im Unternehmen ihre eigenen Erfahrungen mit frei am Markt verfügbaren KI-Coaching-Apps in der Organisation geteilt.
Worin haben wir uns 2024 geirrt?
Worin haben wir uns 2024 geirrt, als wir in die Zukunft blickten?
Gunter Gruhser (next level consulting)
Irrtum 1: So wie wir Organisationen nicht coachen können, können wir Organisationen nicht transformieren! Eine Organisation kann man nicht küssen. Coachen können wir schon. Und zwar Personen und Teams. Dort erzeugen wir einen Impact, der schlussendlich auf die Organisation wirkt.
Irrtum 2: Das neue Berufsbild agile Coach oder Transformations Coach etabliert sich allein durch Ausbildung und ohne Veränderung in den Organisationen, beim Führungsverständnis.
Irrtum 3: Der Mehrwert des Coachings kann und muss objektiv in Zahlen, Daten, Fakten gemessen werden.
Coaching erzeugt eine Wirkungsvielfalt, die nicht liniear, eindimensional, Ursache-Wirkungs determiniert gemessen werden kann. Selbst wir als Coaches sind oft und gern überrascht über das, was bei Coachees durch das Coaching – wenn auch für uns oft verzögert oder anders als erwartet – ausgelöst wird. Also bitte erst die Wirkung feststellen, denn erst dann kann ein Mehrwert beschrieben werden. Wie immer bei allem, wenn es gut läuft.
Dr. Martina A. Friedl
Ein Irrtum war sicher, dass durch die zunehmende Digitalisierung die Arbeit der Personalentwicklungsabteilungen zurückgehen würde. Im Gegenteil, die zunehmende Individualisierung der Fortbildung erforderte viel persönlichen Betreuungsaufwand. Gleichzeitig gab es auch Widerstand gegen den Einsatz von KI-Tools im Coaching, die als nicht gleichwertig im Vergleich zu einem persönlichen Coach angesehen wurden und dadurch Hierarchieunterschiede betonten.
Überrascht hat auch, dass die Anforderung nach mehr Reflexion und gepflegter Debatte in Organisationen nicht von allen als Fortschritt gesehen wurde. Einige empfanden es auch als Zumutung und Verkomplizierung von Entscheidungsprozessen.
Mag. David Kupfer, MSc (Wildniszone)
In Bezug auf Coaching stand damals die kritische Frage im Raum, ob es sich dabei um einen aufgeblähten Hype handle. Nachdem der Fachzweig schließlich stärker reglementiert wurde, hat sich hier Qualität durchgesetzt, was letztlich dazu geführt hat, dass das Thema Coaching sogar noch an Bedeutung dazugewonnen hat.
Ein weiterer großer Irrtum – der sich letztlich heute auch in den Themen in Coachings niederschlägt – war damals noch die Befürchtung, dass die jüngeren Generationen nicht zur Genüge in Verantwortung treten wollen. Ganz im Gegenteil hat sich hier gezeigt, dass diese Generationen Unternehmen dahin gebracht haben, Arbeitswelt hin zu einem sozialen Raum zu entwickeln, an dem Mitarbeitende sich wohl fühlen und dadurch ihre vollen Potentiale entfalten und gute Leistungen bringen können und wollen.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO)
Dass die KI viele Coaches ersetzen wird.
Interviewte Personen
Veronika Aumaier
- Geschäftsführerin
- Aumaier & Partner Coaching GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.aumaier-coaching.com
Dr. Martina A. Friedl
- Geschäftsführende Gesellschafterin
- Dr. Martina A. Friedl e.U.
- www.martinafriedl.com
Gunter Gruhser
- Senior Consultant
- next level consulting
- Unternehmens-Profil
- www.nextlevelconsulting.com
Miglena Doneva-Doncheff
- Coach, Programmleiterin Coaching
- ITO Individuum Team Organisation GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.ito.co.at
Mag. David Kupfer, MSc
- Geschäftsführer
- Wildniszone