Nicht mehr lange und die letzten Baby Boomer (Jahrgänge bis etwa 1964) werden den Arbeitsmarkt in Richtung Pension verlassen haben. Ersetzt werden sie von der Generation Alpha. Als solche wird die Generation mit Geburtsjahr ab 2011 bezeichnet.
Nach vielen Erfahrungen mit der Generation Z mehren sich bereits jetzt die Fragen und Ängste, wie die dann jüngste Arbeitnehmergeneration denn so ticken wird. Noch fehlen umfassende Studiendaten, jedoch einiges lässt sich bereits sagen. Und eines ist sicher: Unternehmen werden weiter gefordert sein!
Ein Wort zu Generationentypologien
Die gängige Typologie aus Generation Baby Boomer, Generation X, Generation Y, Generation Z und nun auch Generation Alpha hat sich in Medien mittlerweile breit durchgesetzt.
Wie jede Typologie verfolgt sie vor allem den Zweck der Vereinfachung, die oft das Begreifen und Bearbeiten erleichtert. Natürlich verhalten sich nicht alle Menschen gleich, nur weil ihr Geburtsjahr einer Generation zugeordnet wird. Und natürlich muss man immer dazu sagen, dass diese Darstellung eine sehr westeuropäische Sicht ist. Was jedoch die Generationen eint – und das ist auch der Hintergrund dieser Generationentypologie – ist, dass die jeweiligen Generationen in derselben Zeit, in der sie aufgewachsen sind, gleiches erlebt haben. Gemeint sind hier gleiche weltpolitische Ereignisse, gleiche wirtschaftliche Gesamtentwicklung, gleiche Arbeitsmarkt- und Familiensituation und gleiche Technologien. Diese Erlebnisse im Alter von 12-20 Jahren prägen die Sicht auf die Welt stark, wie wir auch in unseren Generationenseminaren immer wieder sehen.
Unterschiede | Konflikte
Generationenunterschiede und Generationenkonflikte kommen aus unserer Sozialisation
Bei Generationenbeschreibungen und auch Aussagen von Menschen unterschiedlicher Generationen wird immer wieder sichtbar, was diese Menschen im Aufwachsen besonders prägt. Viele Konflikte zwischen Generationen rühren genau aus diesen Unterschieden. Ein Beispiel: Waren für die Generation X Arbeitsplätze oft schwer zu bekommen und musste man sich überall – egal ob für Studium oder Job – beweisen und bewerben (weil ja überall bereits viele Baby Boomer saßen), so hat das eine Generation geprägt, die Wettbewerb gewöhnt ist und im Glauben aufgewachsen ist „Wenn ich mal einen guten Job habe, dann gebe ich den nicht so schnell wieder auf.“ Schließlich war das mit Risiko verbunden und arbeitslos zu sein, schickt sich in dieser Generation besonders wenig. Dadurch haben viele der Generation X auch einiges auf sich genommen und sind mit Unternehmen durch dick und dünn gegangen – man könnte auch sagen, sie haben Dinge „erlitten“.
Die Generation Z etwa hat diese langfristige Perspektive nicht mehr, weil sie die Bedingungen als hoch unsicher und instabil ansieht. Daher „leidet“ diese Generation nicht mehr, sondern wechselt bedeutend schneller. Denn zu leiden macht nur Sinn, wenn wir dafür etwas erwarten dürfen. Während in der Generation X noch viele zugunsten von Karriere Familienzeit hinten angestellt haben, ist das bei der Generation Z nicht mehr so. Denn wofür sollte das gut sein, davon ausgehend, dass man mehrfach noch die Arbeit oder gleich die gesamte Tätigkeit wechseln wird? Das ist das natürliche Konfliktpotenzial, wenn jungen Menschen vorgeworfen wird, sie seien nicht loyal und würden nicht bleiben wollen.
Was die Generation Alpha prägt
…und was das für Generation Alpha und Unternehmen bedeutet
Wenn also auch tiefgehende wissenschaftliche Studien zur Generation Alpha (geboren ab 2011) noch eher rar sind, so lässt bereits einiges daraus erahnen, was die Jugend dieser Generation gerade prägt. So wie bei anderen Generationen auch, ist davon auszugehen, dass auch die Generation Alpha ihren Blick auf die Welt stark aus den Geschehnissen ihrer Jugendzeit erhält. Und dabei spielen sehr wahrscheinlich folgende Aspekte eine wesentliche Rolle:
Corona, Home Schooling und Home Office für die Generation Alpha
Prägendes Umfeld / Merkmal: Die Generation Alpha hat Corona zu einer Zeit erlebt, in der diese jungen Menschen gerade in der Volkschule waren – zumindest ein Teil von ihnen. Während die anderen Generationen schlagartig lernen mussten, virtuell zu kommunizieren, über Video in Kontakt zu bleiben und von zu Hause zu arbeiten, so ist das für die Generation Alpha von Beginn an Normalität. Sie leben nicht mit virtuellen Welten, sondern sie leben virtuell. Bereits jetzt sehen wir, dass heute zwölfjährige mit Freunden viel mehr über Video in Kontakt bleiben und damit das Auslangen finden als alle anderen Generationen davor. Sie bleiben mehr zu Hause und treffen sich virtuell.
Auswirkung auf Unternehmen: Die Generation Alpha ist es von Beginn an gewohnt, sich virtuell zu treffen und so in Kontakt zu bleiben. Und sie haben ihre Eltern im Home Office arbeiten gesehen. Sie werden nicht verstehen, dass man nicht von zu Hause arbeiten kann. Soziale Netzwerke sind ja voll von Menschen, die von überall aus arbeiten. Und das in Berufen, die frühere Generationen noch als Krankheit bezeichnet hätten („Influencer“). Für einfache Meetings ins Office zu gehen, wird für diese Generation genauso unverständlich sein, wie dass alles persönlich passieren muss. Das gilt auch für Seminare, denn diese Generation kennt auch Home Schooling.
Klimawandel
Auswirkung auf Unternehmen: Unternehmen, die sich klimaschädlich und unethisch verhalten, geraten zunehmend in Kritik, die sich über Soziale Netzwerke rasend schnell verbreitet. Unternehmen tun also gut daran, heute die Weichen zu stellen. Denn „Sinn in der Arbeit“ und dazu gehört auch ein Betrieb, der sich ordentlich verhält, wird für die Generation Alpha ein Hauptauswahlkriterium sein. Und ein einseitiges Angebotsportfolio – etwa keine veganen Gerichte in einem Restaurant – kommt in dieser Generation vermutlich einem Selbstmord des Restaurantbesitzers gleich.
Social Media / Bild- und Videoplattformen
Prägendes Umfeld / Merkmal: Betrachten wir die Mediennutzung, so spielt sich in der Generation Alpha de facto alles auf Bild- und Videoplattformen ab. Egal ob Instagram, Snapchat, TikTok oder BeReal – alle diese Plattformen basieren auf Bild oder Video. So kommuniziert die Generation Alpha auch untereinander. Formelle Kommunikation hat nicht mehr die Bedeutung, die sie für frühere Generationen hatte. Auch die Idee, sich für die Hauptabendshow vor dem Fernseher zu versammeln, finden junge Menschen maximal witzig. Denn ihr Medienprogramm ist on-demand 24 Stunden täglich und nach ihren Interessen verfügbar.
Gespräche in virtueller Form bzw. in Textnachrichten werden dem klassischen Telefonanruf vorgezogen.
Auswirkung auf Unternehmen: Wenn Unternehmen die Generation Alpha ansprechen möchten, dann sollten sie schleunigst, auf Bild- und Video umsteigen. Immer noch prägen traditionelle, textbasierte Karriereseiten das Recruiting. Erst wenige wagen Schritte hinein in die Videowelten von TikTok und co.
Aber auch Lernen findet heute anders statt. Kleinteiliger, portionierter und vor allem kurzfristig, wenn Wissen benötigt ist. Aber dann muss es auch on demand zur Verfügung stehen. Influencermarketing ist bald nicht mehr wegzudenken. Wer immer noch meint, dass das keine ernste Form der Werbung ist, der sollte mal die Umsätze ansehen, die so bereits jetzt junge Menschen generieren.
Auf Wissen zu sitzen, wird diese Generation nicht verstehen. Sharing ist caring!
Eine vielfältige, hierarchiefreie Welt
Prägendes Umfeld / Merkmal: Familienstrukturen sind heute deutlich demokratischer als früher. Kinder bezieht man von klein an mit ein in Planungen, und würdigt somit ihre Individualität. Hinzu kommt, dass die Generation Alpha über Social Media früh mit der Vielfalt dieser Welt in Kontakt kommt. Dies stiftet Identifikation. Während viele der älteren Generationen nach dem Song Contest noch immer darüber grübeln, was Nemo mit „non-binär“ eigentlich meint, sind diese Dinge für die Generation Alpha normal.
Und mehr noch: Junge Menschen kommen in Kontakt mit anderen Menschen, die vielleicht genauso denken und fühlen wie sie selbst und dies selbstbewusst und laut sagen. Hierarchien existieren in TikTok nicht. Alle werden mit du angesprochen, egal welchen Alters und welcher Position.
Und über Lohnfairness, Sexualität, Weltanschauungen, mentale Gesundheit uvm. spricht man offen und viel. Eine nichttolerante Welt kennt die Generation Alpha nicht.
Auswirkung auf Unternehmen: Die Generation Alpha wird sich mehr als alle Generationen davor ein offenes und tolerantes Umfeld in Unternehmen wünschen. Denn sie ist mit Vielfalt groß geworden und wird nicht verstehen, warum das in Betrieben anders ist. Sie wird selbstbewusst genug sein, ihre Individualität geschätzt wissen zu wollen und möchte – wie auch zu Hause – mitreden und mitgestalten. Denn sie ist es gewohnt gefragt zu werden – zu Hause und im Netz.
Führungskräfte erfahren Achtung nicht mehr Kraft ihrer Position, sondern ausschließlich kraft ihrer Person. Diese sollte authentisch sein und inspirieren, denn das kennt die Generation Alpha aus sozialen Netzwerken. Hierarchien sollten flach ausgestaltet sein und Senioritätsprinzipien werden stark hinterfragt. Die „Du-Kultur“ ist angekommen. Gender Pay Gaps sollten rasch eliminiert werden, denn Lohntransparenz und faire Bezahlung sind für die Generation eine Selbstverständlichkeit. Und ja, diese Generation wird offen über Gehalt sprechen – auch in sozialen Medien! Ebenso wie über mentale Gesundheit. Eine Psychotherapie zu machen, ist für diese Generation kein Grund mehr, sich zu schämen.
Künstliche Intelligenz
Prägendes Umfeld / Merkmal: Bereits jetzt ist sichtbar, dass das klassische Referat in der Schule ein Auslaufmodell ist. Denn dieses haben KI-affine Vertreter der Generation Alpha in 30 Sekunden fertig. Noch ist sie nur erahnbar, aber die Beschleunigung und Produktivitätssteigerung, die KI uns beschert, erreicht ein unermessliches Ausmaß. Die Generation Alpha wird die erste sein, die Prompting von klein auf beherrscht und KI ganz selbstverständlich als Vehikel zur Lösungsfindung heranzieht – wie andere noch das Lexikon benutzt haben. Nicht nur, dass hier ganze neue Berufe entstehen und andere überflüssig werden, die Nutzung von KI wird den Wettbewerb zwischen den Generationen massiv verschärfen.
Auswirkung auf Unternehmen: Jene Unternehmen, die heute Zeit und Geld in eine gute Nutzung von KI investieren, werden deutliche Produktivitätsvorteile gegenüber jenen haben, die sich nicht damit beschäftigen oder beschäftigen wollen. Beschäftigte zum Thema Prompting zu schulen und die Generation Alpha hier als Lehrmeister zu nutzen, wird wesentlich für den Erfolg sein. Es wird nicht mehr länger möglich sein, den Standpunkt „Das haben wir immer schon so gemacht“ aufrecht zu erhalten. Die Jungen werden mit wenigen Klicks zeigen, wie es heute rasend schneller geht.
Neue Lebens- und Einkommensmodelle für die Generation Alpha
Prägendes Umfeld / Merkmal: Soziale Netzwerke sind voll von neuen Lebens- und Einkommensmodellen. Während Influencer von älteren Generationen belächelt werden, lernen junge Menschen, dass es ganz andere Wege gibt, rasch zu viel Geld zu kommen. Das prägt auch die Erwartungen an die Arbeitswelt. Vor allem aber stellt es Prämissen wie „Lange arbeiten, ins System einzahlen und dann Pension erhalten“ auf den Kopf. Denn die oft gestellte Frage „Wie wird sich das ausgehen, wenn alle nur mehr 30 Stunden arbeiten?“, die stellt sich nur, solange man das gängige Pensionssystem als Maxime betrachtet. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass sich die Generation Alpha auf dieses Modell verlassen wird. Es geht sich schlicht ohnedies nicht aus.
Aber auch die Schere zwischen Arm und Reich, die auch durch KI-basierte Produktivitätssteigerungen für einige wenige noch befeuert wird, werden die Generation Alpha beschäftigen.
Auswirkung auf Unternehmen: Flexible Modelle, Teilzeit und Arbeit von überall (Stichwort: Workation) – all das sind Dinge, mit denen sich Unternehmen beschäftigen sollten und müssen. Natürlich steht uns hier auch das Arbeitsrecht momentan stark im Weg. Das basiert immer noch auf der Frage „Wie schützen wir die Arbeitenden vor den übermächtigen Fabriksbesitzern?“. Es wird Zeit, dass mündige, flexible Wissensarbeitende hier berücksichtigt werden.
Aber auch Modelle wie Jubiläumsgelder oder eine 6. Urlaubswoche, die ich nach 25 anrechenbaren Jahren bekomme, sind Modelle der Vergangenheit. Sie alle basieren auf der Prämisse von Langfristigkeit, die es in der Generation Alpha nicht mehr gibt. Hier müssen wir neue attraktive Modelle entwickeln.
Und nicht nur das: Wenn immer weniger Menschen mit Hilfe von KI immer produktiver werden, dann müssen wir uns Gedanken über Umverteilung machen, um die Schere zwischen Arm und Reich zu verkleinern (Stichwort: Grundeinkommen).
Fazit
Es mag sein, dass nicht alles hier Beschriebene zu 100% genauso eintrifft. Niemand kann in die Zukunft sehen. Schreibt man jedoch die Generationenlogik fort, so gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Generation Alpha in diese Richtung entwickeln wird.
Es ist möglich, dass Ihnen nicht alles davon gefällt (immerhin haben Sie etwas anderes über die Welt gelernt), jedoch scheint ein Ignorieren zwecklos. Weder die technologischen Entwicklungen, noch Umweltfragen oder die Beschleunigung lassen sich aufhalten. Aber vor allem hatten wir in den Jahrgängen 2011-2023 immer nur zwischen 77.000 und 87.000 Geburten in Österreich. Der Mangel an Menschen wird sich also fortsetzen. Nachdem uns nun die letzten Baby Boomer in den Unternehmen verlassen, wird es Zeit, sich für die neue Arbeitnehmergeneration vorzubereiten.