Heute habe ich meine Kollegin Mag. Sabine Lenzbauer zum Interview gebeten, um zu besprechen, weshalb internationale Teams resilienter sind, welche Strategien gut funktionieren, inwiefern komplexe Lieferketten, Kostendruck und die Gefahr von Cyberangriffen eine Rolle spielen, um zum Erfolg zu führen.
Normalerweise schreibe ich gerne über Menschenthemen in der IT und Security, probiere unkonventionelle Ansätze aus und teile unsere Learnings.
Dasselbe würde auch für ein Mehr an Internationalität gelten. Jedoch ist das eine Facette der Vielfalt, die in meinem Bereich noch nicht so stark vertreten ist, wie ich das gerne hätte. Also lasse ich lieber andere darüber erzählen.
Interview-Partnerin
Mag. Sabine Lenzbauer ist seit nunmehr 10 Jahren bei der FACC AG beschäftigt und seit 1jan2023 Vice President Procurement in Verantwortung. Damit war sie die erste Frau im Vice-President-Level bei der FACC.
Ihre langjährige Erfahrung in der Unternehmensberatung, insbesondere in den Bereichen Supply Chain Management, Transport und Logistik, diente als Basis für ihren beruflichen Weg bei der FACC. Sie ist außerdem Präsidentin des FACC-Frauennetzwerks „FACC Wings for Women“ und Mutter einer 12-jährigen Tochter.
Bei der FACC ist beispielsweise im Einkauf Internationalität einer der Erfolgsfaktoren im Team. 92 Menschen aus 16 Nationen arbeiten hier erfolgreich zusammen, ist das nicht großartig?
Warum internationale Teams resilienter aufgestellt sind, welche Strategien gut funktionieren, welche Aspekte man berücksichtigen muss und wie die Menschenthemen neben Herausforderungen wie komplexe Lieferketten, Kostendruck, gesetzliche Anforderungen wie das Lieferkettenschutzgesetz und die Gefahr von Cyberangriffen ausreichend Platz finden, um zum Erfolg zu führen, dazu habe ich heute meine Kollegin Mag. Sabine Lenzbauer, Vice President Procurement, zum Interview gebeten.
Internationalität als Erfolgsfaktor
Liebe Sabine, warum siehst du Internationalität als Erfolgsfaktor für ein Unternehmen?
FACC ist in der Luftfahrt tätig. Die Luftfahrt ist international, wir haben 100% Exportquote, unsere Kundschaft ist global aufgestellt und ebenso ist es das Zuliefernetzwerk der FACC. Einer der Erfolgsfaktoren, wenn man international tätig ist, ist seinen Gegenüber zu verstehen – nicht die sprachliche Barriere ist die größte Herausforderung, vielmehr ist es das kulturelle Verständnis. Es geht darum, was hinter den Worten steht. Was könnte also bei internationalen Sourcing-Projekten schneller zum Erfolg führen als Mitarbeitende, die demselben Kulturkreis entstammen wie unsere Lieferanten?
Das ist aber nur eine Komponente, warum Internationalität unser Hidden Champion ist. Ich bediene mich hier gerne dem Motto, das auch du gern verwendest, Alex „Mit Vielfalt gegen die Einfalt“. Denn diverse Teams, und die Nationalität ist ja bekanntlich nur ein Element von Diversität, bestehen aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Perspektiven. Dadurch können sie
- auf ein breiteres Spektrum an Wissen und Fähigkeiten zugreifen;
- Entscheidungen/Problemstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten;
- über den Tellerrand hinausschauen und durch intensivere Diskussionen unkonventionellere Lösungen finden;
Das führt zu fundierteren und kreativeren Lösungen und nicht zu MEHR des immer GLEICHEN.
Wie kam es dazu, dass dein Bereich so international aufgestellt ist? War es ein Ansatz, den du strategisch verfolgt hast, oder war das schon immer so, oder ist er aus der Not heraus entstanden?
Ganz ehrlich, hier war es klar „Aus der Not eine Tugend machen“. Noch vor nicht allzu langer Zeit, waren DEUTSCH-Kenntnisse ein Muss. International war das Team schon lange, aber nur solange die Belegschaft Deutsch sprach. Auch bei uns ist der Fachkräftemangel evident bzw. sind gute Einkäufer heiß umkämpft, denn Einkäuferinnen finanzieren sich relativ schnell selbst.
Und so brauchte es im Führungsteam einen Mindset-Change und dann ging es ganz von allein. Denn top-qualifiziert Bewerbende mit jahrelanger Einkaufserfahrung, teilweise auch in der Luftfahrt, hatten nur das Defizit der Deutschkenntnisse und als wir uns von dem Deutsch-MUSS verabschiedet hatten, konnten wir das Team relativ schnell auffüllen.
Was heißt Internationalität konkret für dich in deinem Bereich?
Uns ist egal, woher eine Bewerberin, ein Bewerber stammt. Stattdessen zählen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrung. Wir haben Teams in Indien, China, den USA, dazu Mitarbeitende aus 16 Nationen bei uns am Standort in Oberösterreich. Wir sehen Internationalität als Schlüsselfaktor für bessere Ergebnisse und probates Mittel gegen den Fachkräftemangel.
Und das Schöne ist, dass dies nicht nur für meine Abteilung, den Einkauf, Gültigkeit hat, sondern beispielsweise auch für die Quality-Abteilung oder das Engineering – vielleicht gibt es sogar schon einen kleinen Wettbewerb, welche Abteilung denn den höchsten Grad der Internationalität aufweist. 😉 Eine Evidenz, dass Internationalität keine Bedrohung, sondern eine klare CHANCE darstellt.
Herausforderungen & Challenge: Sprachbarriere
Eine kritische Frage: Ist das nicht eine riesengroße Challenge, insbesondere wenn ich an die Sprachbarriere denke? Und wie funktioniert das mit den anderen Abteilungen – wir sind ja doch im Innviertel?
Die Antwort ist einfach: JA. Es gab und gibt Herausforderungen. Ohne Englisch geht nichts, und obwohl wir bei der FACC Mitarbeitende aus über 50 Nationen beschäftigen, sind wir zum Großteil Innviertler, Oberösterreicher oder Bayern. Ja klar mussten wir uns umgewöhnen, nicht nur im Einkauf, da hatten wir das relativ schnell umgestellt. Wir sprechen ja auch mit unseren Lieferdiensten vielfach in Englisch. In den anderen Bereichen war das nicht überall so einfach.
Gerade wenn es um schwierige Sachverhalte geht, ist es für manche einfacher, sich in Deutsch auszudrücken. Oder dass im Laufe einer Diskussion plötzlich wieder ins Deutsche gewechselt wird. Es gibt immer wieder solche Beispiele, aber die Organisation entwickelt sich hier kontinuierlich weiter, steht hinter der Recruiting-Strategie, sieht die Vorteile.
Gibt es interkultureller Aspekte, die man berücksichtigen muss, die zur Herausforderung werden?
Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, für die Herausforderungen des Alltags auch Hilfestellungen und Lösungen anzubieten. Sei es die Verlängerung des internationalen Führerscheins oder Tipps für die Prüfung, weil viele durchfallen, weil sie den 3-S-Blick nicht machen. Oder Unterstützung, wenn es um die Kinderbetreuung geht, ein Deutschkurs für die Partner benötigt wird, was auch immer: Wir bei FACC kümmern uns nicht nur um das Arbeitsumfeld, sondern auch um das Persönliche. Und das ist wichtig. Schön ist, wenn ich sehe, dass sich Communities bilden, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen.
Sind internationale Teams resilienter?
Kannst du konkrete Beispiele nennen, die zeigen, warum ein internationales Team resilienter aufgestellt ist als ein homogenes Innviertler-Team, das die Gepflogenheiten kennt?
Einiges dazu habe ich ja vorhin schon genannt. ABER: klarer Vorteil des internationalen Teams ist, dass man nicht mehr vom GLEICHEN macht, sondern neue, alternative Lösungswege findet, man in herausfordernden Situationen flexibler agiert, alternative Ansätze entwickelt. Zudem sind internationale Teams oft besser darauf vorbereitet, sich an Veränderungen anzupassen. Denn sie haben ja bereits Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitsweisen, Gesetzen und Geschäftspraktiken etc.
Umsteigertum in der FACC
Einige deiner ehemaligen Mitarbeitenden im Einkauf haben sich als Umsteigende in die IT weiterentwickelt. Für mich ein großer Vorteil, weil sie die Menschen in deinem Bereich, die Anforderungen und die Prozesse kennen und verstehen, meist IT-affine Key-User waren und nun erfolgreiche Projekte in der IT leiten.
Fangfrage: Siehst du einen Mehrwert für deinen Bereich und wie gehst du mit solchen Veränderungswünschen um? Arbeitest du nur mit (internationalen) Expertinnen oder sind Umsteiger bei dir auch ein Thema?
Die Fangfrage nehme ich gerne. FACC zeichnet sich durch so viel aus, und der Punkte ist, dass wir unseren Mitarbeitenden ermöglichen, auch in andere Bereiche wechseln zu können. Der große Vorteil ist, und das hast auch du schon festgehalten, dass die Kolleginnen die intern wechseln, die FACC, unsere Kultur, unser Geschäftsmodell, viele unserer Prozesse kennen, sie wissen, wie wir ticken. Und der Wechsel funktioniert ja über alle Bereiche, so haben Kollegen aus der Produktion, dem Vertrieb, der Planung bei uns im Einkauf oder in der Procurement Quality Assurance gestartet. Diese Durchlässigkeit ist meiner Meinung nach ein weiterer Benefit der FACC.
Die 3 größten Learnings
Welche drei größten Learnings hast du dir aus deinem Erfolgsprojekt mitgenommen, die du mit der Community teilen möchtest?
- Konzentrieren wir uns auf das Verbindende, nicht auf das Trennende.
- Internationale Teams sind klar ein Erfolgsfaktor, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen.
- Das Management muss voll dahinterstehen – Mindset ist KEY.
Vielen Dank für deine Zeit, die offenen Einblicke und das erfolgreiche Fördern der Vielfalt, liebe Sabine.
Ich danke dir, Alex. Der Einkauf ist KPI getrieben – quantitative KPIs. Es ist schön, auch über Soft Facts als Erfolgsfaktoren sprechen zu können, denn wir erreichen die Zahlen über die Menschen, davon bin ich überzeugt.
Internationalität als Schlüssel zum Erfolg