Eine Forschungsarbeit im Rahmen des Bachelorstudiums „Personalmanagement“ an der FHWien der WKW untersucht in einer qualitativen Studie, welche Faktoren die Inanspruchnahmen von Väterkarenz ermöglichen bzw. hemmen.
Autorinnen: Katharina Thill zusammen mit Magdalena Hirsch, Laura Kahr, Sandra Koppensteiner,
Nicole Nolz, Susanna Preis, Niklas Schröfel, Ina Schwarzbauer
Väterkarenz
Hat man nicht den Eindruck, das Thema sei in der öffentlichen Diskussion bereits ausführlich abgehandelt? Den gesetzlichen Anspruch auf Karenz haben Väter in Österreich schließlich schon seit 1990. Das sind immerhin knapp 35 Jahre, in denen Männern zugestanden wird, sich zeitweise ausschließlich der Familie zu widmen. Dennoch, so zeigt beispielsweise das Wiedereinstiegsmonitoring 2022, welches von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegeben worden ist, beläuft sich der Männeranteil der Personen in Karenz im Jahr 2020 auf lediglich 14,1%. Und nicht nur die Inanspruchnahme der Karenz durch Männer ist nach wie vor geringer, sondern auch die Dauer der Karenz fällt bei Männern signifikant kürzer aus als bei Frauen.
Väterkarenz hat sich noch nicht etabliert
Dass der Anspruch auf Karenz von Vätern nicht umfassender genutzt wird, ist in Bezug auf das Diversity Management in Organisationen eine Herausforderung. Denn wo Männer sich weniger für die Familienarbeit einsetzen, bleibt diese Aufgabe verstärkt im Verantwortungsbereich der Frauen. Was folglich dazu führt, dass Mütter dann aufgrund von Betreuungspflichten später und/oder eingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Hier ergibt sich eine Schieflage, die in vielen Organisationen zu beobachten ist.
Um Gleichstellung zu erreichen, müssen also nicht nur Maßnahmen für Frauen geschaffen werden (Netzwerke, Mentoring, Weiterbildungen). Ebenso gehört die Rolle der Väter und deren Stärkung in den Fokus. Insofern: Noch ist es nicht so weit, das Thema Väterkarenz als „etabliert“ abzulegen. Gesellschaftlicher Wandel braucht auch in diesem Kontext vor allem Zeit, kontinuierliche Diskussion und Hartnäckigkeit in der Umsetzung.
Auf Seiten der Unternehmen fällt die Begleitung von Karenzen insbesondere in den Verantwortungsbereich von HR. Wie das Personalmanagement dazu beitragen kann, dass Mitarbeiter die Möglichkeit zur Väterkarenz in Anspruch nehmen, wurde daher im Rahmen eines internen Forschungsprojekts an der FHWien der WKW anhand von qualitativen Experteninterviews untersucht. Analysiert wurden dabei Erfahrungen von Vätern, die eine Karenz im Umfang von 1 – 12 Monaten in Anspruch genommen haben. Die Auswertung orientiert sich an den Dimensionen Mindset (Wollen), Voraussetzungen durch das Unternehmen (Können) und Maßnahmen (Umsetzen).
Wollen
Was beeinflusst den persönlichen Wunsch von Vätern, in Karenz zu gehen? Hier geht es insbesondere um das Mindset und die Lebensrealität von Männern, die nicht im direkten Einflussbereich des Personalmanagements liegen. Die im Rahmen der Studie Befragten gaben dazu insbesondere an:
- Positive Rollenbilder: Das Leben in einer gleichberechtigten Partnerschaft ist Grundvoraussetzung für den Wunsch, sich vollwertig in die Kinderbetreuung einzubringen. Werden dagegen eher Werte gelebt, bei denen der Mann als „Familienoberhaupt“ oder „Ernährer“ fungiert, ist das in Bezug auf eine Karenz hindernd.
- Work-Life-Balance: Die Werteorientierung zu Arbeit und privaten Lebensinhalten sind bei Personen, die Karenz in Anspruch nehmen, zumindest ausgeglichen verteilt. Die Aussage eines Befragten erläutert das wie folgt „Es ist eine Zeit, die du nicht mehr zurückbringen kannst“. Ist dagegen die Zielsetzung eher karriereorientiert, kommt eine Karenz weniger in Frage.
- Familieneinkommen: Durch eine Karenz verringert sich i.d.R. das Einkommen. Zwar gibt es gesetzliche Ausgleichszahlungen, diese erreichen oft aber nicht das Niveau des Gehalts. Ist der Mann Hauptverdiener, kann eine Karenz für die Familie nicht leistbar sein. Hier wirkt sich auch der Gender Pay Gap, der in Österreich oft noch vorherrscht, negativ auf eine Ermöglichung der Karenz für den Mann aus. Es ergibt sich eine Wechselwirkung mit manifestierender Konsequenz.
Können
Liegt eine grundsätzlich positive Einstellung zur Familienbeteiligung bei den Mitarbeitern vor, kann die Organisation dort ansetzen. Im Rahmen der Experteninterviews ergaben sich dabei zwei Hauptfaktoren:
- Unternehmenskultur: Die Befragten gaben zu diesem Aspekt an, dass die Unternehmenskultur von „Unterstützung“, „gegenseitiger Motivation“ und „Verständnis“ geprägt gewesen sei und sie daher dem Wunsch nach Karenz nachgehen konnten. Schwieriger sei es aber, wenn insbesondere männliche Kollegen mit Spott reagieren würden. Gerade weil Väterkarenzen noch nicht etabliert und daher ungewöhnlich sind, trage insbesondere die Reaktion der Peer-Group zu Stärkung oder Verunsicherung bei.
- Einfluss der Führungskräfte: Führungskräfte, die in einer Väterkarenz einen Wert erkennen und ihren Mitarbeitern unterstützend begegnen, haben laut den Experten einen immensen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Karenz. Das unterstreicht folgende Aussage aus den Interviews „Ich glaub es ist die direkte Führungskraft, die eine Karenz ermöglicht oder nicht ermöglicht. Das heißt, wenn der Abteilungsleiter sagt ‚Das passt für mich, ich fördere es und ich unterstütze dich dabei‘, dann wird es dir als Vater viel, viel leichter fallen, das zu machen.“ Noch wirkungsvoller als die Unterstützung ist es sogar, wenn die Führungskraft als Vorbild agiert und selbst Karenz in Anspruch nimmt. Die Vorbildrolle ist hier wie so oft Key.
Umsetzen – und Fazit
Die genannten Faktoren können HR bei der Erstellung von Maßnahmen helfen. Sensibilisieren und Normalisieren der Thematik sind die ersten wesentlichen Schritte. Das gelingt am besten, indem ein etablierter Prozess für Väterkarenzen aufgesetzt wird. Denn mithilfe dessen kann ein Unternehmen anzeigen, dass es die Möglichkeit auf Karenz befürwortet und diese auch in die bestehende Kultur verankern möchte.
Beim Umsetzten der Karenz ist der Auftrag an HR insbesondere, den Erhalt der Karrieremöglichkeiten zu gewährleisten und damit oben aufgezeigten Ängsten vor einem Karriereknick entgegenzuwirken. Das bedeutet, dass vor der Karenz bereits ein Karriereplan erstellt werden sollte. Im Rahmen dieses Planungsgesprächs ist auch die Form der Kontakthaltung empfehlenswert zu besprechen. Je nach Kontext wünschen sich Arbeitnehmer, den Kontakt auf regelmäßiger Basis zu halten, damit der Einstieg dann wiederum leichtfällt. Nach der Karenz sollten Wiedereingliederungsmaßnahmen Standard sein. Ist ein solcher Prozess aufgesetzt ist das natürlich nicht nur hilfreich für die männliche Belegschaft.
Auch Arbeitnehmerinnen profitieren sehr davon, wenn eine Auszeit zur Kinderbetreuung nicht als „Makel“ sondern als Station im Sinne eines lebensphasenorientierten Personalmanagements begriffen und gelebt wird.
Literatur | Väterkarenz in Österreich
- Aufhauser, Katharina; Bergmann, Nadja; Pretterhofer, Nicolas; Sorger, Claudia; Wagner-Steinrigl, Sabine (2020): Diskriminierungserfahrungen von Eltern am Arbeitsplatz. Erster Forschungsbericht im Rahmen des Projektes „parents@work“. L&R Sozialforschung & Gleichbehandlungsanwaltschaft. Wien
- Bradford, Michael (1999): FATHER-FRIENDLY BENEFITS GAIN GROUND, ACCEPTANCE. In: Business Insurance 26, S. 3
- Brandt, Gesche (2017): Elternzeit von Vätern als Verhandlungssache in Partnerschaften. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 69, S. 593–622. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1007/s11577-017-0486-6
- Dörfler, Sonja (2005): Väterkarenz in Österreich und Schweden — Hindernisse, Motivationen und Rahmenbedingungen. In: Hannes Krall (Hg.): Jungen- und Männerarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 178–189
Väterkarenz in Österreich | Eine Analyse zu Wollen, Können und Umsetzen