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ESG-Ziel 5: Geschlechtergleichstellung | HR hat die Super-Power, das Ziel zu erreichen

27Aug2024
6 min
esg-ziel 5

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt
ESG-Ziele sind richtig cool. Und gerade das Ziel 5 (Geschlechtergleichstellung) ist perfekt in Unternehmen umzusetzen. Denn hier können Heldinnen und Helden einen großen Impact erreichen.

Ganz grundsätzlich steht ESG für die Bereiche Umwelt (Environment), gesellschaftliche Aspekte (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). 17 Ziele decken dieses ganze Spektrum ab und setzen trends für eine grünere, nachhaltigere, lebenswertere Zukunft. Und das nicht irgendwann, sondern jetzt, denn bis 2030 sollen sie erreicht sein. Daher: JETZT muss nicht nur nachgedacht, sondern auch raschestens umgesetzt werden.

Im heutigen Interview geht es um

ESG-Ziel 5: Geschlechtergleichstellung

ESG-Ziele

ESG-Ziele: Grafik

Geschlechtergleichstellung am österreichischen Arbeitsmarkt

Wie sieht es aktuell mit der Gleichstellung von Frauen und Männern am österreichischen Arbeitsmarkt aus?

Mag. Ina Lukl (IBG):

In Österreich ist die Gleichstellung von Frauen und Männern seit 1998 in der Bundesverfassung verankert, 2000 wurde die Gender-Mainstreaming-Strategie beschlossen. Gleichzeitig beträgt der Gender Pay Gap, also der geschlechtsspezifische Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern, in Österreich aktuell knapp 19% (Vergleich EU: 13%) und fast 27 % aller erwerbstätigen Frauen in Österreich waren schon sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt.

Im Arbeitskontext ergibt Gender Equality eine Win-win-Situation, denn Chancengleichheit beim Zugang zu Beschäftigung und zu Führungs- und Entscheidungspositionen stärkt die Rolle der Frau und steigert damit insgesamt die Produktivität.

Was kann HR konkret dazu beitragen, dieses ESG-Ziel zu erreichen?

Dr. Martina A. Friedl:

HR kann durch die Etablierung einer guten Zahlenbasis die Diskussion versachlichen und die Voraussetzung für das Formulieren und das Tracking von Zielen schaffen. Beispielsweise kann der Gender Pay Gap erhoben werden, die Teilnahme von Frauen in Führungskräfteseminaren gemessen und die eigene Beförderungspraxis analysiert werden.

Sarah Riedenbauer (Diversity Think Tank Consulting):

Wir erleben häufig, dass zwar ein Bewusstsein für Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern bereits vorhanden ist, was fehlt sind allerdings die konsequenten Maßnahmen. Jedoch sichern nur diese auch echte Erfolge.

Christoph Monschein (Edenred):

HR hat hier die essenzielle Aufgabe, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle Geschlechter wohl fühlen, und dieses auch nach außen zu tragen. Hilfreich dabei sind vor allem bewusstseinsbildende und sensibilisierende Bias- und Diversity-Schulungen. Last but not least ist auch die Einführung entsprechender Quoten meiner Meinung nach absolut notwendig, bis eine faire Balance und Gleichstellung hergestellt wurde und sich etabliert hat.

2030 – realistisch gesehen

Was wird sich hinsichtlich dieses Ziels – realistisch gesehen – bis 2030 in Österreich getan haben?

Christoph Monschein (Edenred)

Ich gehe von einem langsamen, aber stetigen Fortschritt aus. Insbesondere die Gleichstellung von Frauen ist ein großes gesellschaftliches bzw. gesellschaftspolitisches Thema. In der Praxis sind wir hier aber noch weit vom Ideal entfernt.

Dr. Martina A. Friedl

Bis 2030 werden viele Organisationen verstanden haben, dass faire Rahmenbedingungen für beide Geschlechter und ein produktiver Umgang mit Unterschiedlichkeit im Team erfolgsrelevant sind, um attraktive Personen vom Arbeitsmarkt zu rekrutieren und auch, um wettbewerbsfähig zu sein bzw. zu bleiben. Auch bedingt durch Druck von außen (EU-Richtlinie) werden sich Organisationen intensiver mit ihrer Vergütungspraxis auseinandersetzen und weitere Maßnahmen in Richtung Transparenz und Gleichbehandlung gesetzt haben. Es wird Organisationen geben, die flexiblere Arbeitszeitmodelle auch für Führungspositionen etabliert haben und dadurch signifikant mehr Frauen bzw. Personen mit Betreuungspflichten in verantwortliche Positionen gebracht haben.

Mag. Ina Lukl (IBG)

Unter Berücksichtigung des Backlash im Zuge der Pandemie und dieser aktuellen Zahlen ist überbordender Optimismus wohl nicht angebracht. Positive Auswirkungen sind jedoch insofern zu erwarten, als dass Diskurse zu Gleichstellung – ähnlich wie zu Klimaschutz – derzeit sehr präsent sind und ESG-Ziele sowie Arbeitskräftemangel positive Entwicklungen begünstigen könnten. Große Veränderungen brauchen allerdings einen klaren politischen Kurs.

Was ist grundsätzlich notwendig, um diesem Ziel einen entscheidenden Schritt näher zu kommen?

Sarah Riedenbauer (Diversity Think Tank Consulting)

Neben einer konsequenten Gleichstellungspolitik, erfordert es in Unternehmen eine ebenso konsequente Umsetzung. Hier liegt häufig der Schwachpunkt, da nicht alle Maßnahmen bei allen Führungskräften „populär“ sind. Gleichzeitig sehen wir, dass nur dann wirklich merkliche und in Zahlen messbare Veränderung möglich ist. Andererseits bedarf es weiterer Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung, um die Gesamtgesellschaft auf die Ungleichheiten und die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen. Diese Sensibilisierung sollte auf verschiedenen Ebenen durchgeführt werden, einschließlich Schulen, Arbeitsplätzen, Medien und der Öffentlichkeit.

Christoph Monschein (Edenred ):

Vorerst sind Quoten in Führungspositionen absolut notwendig. Wünschenswert wäre meines Erachtens auch eine gezielte Einladungspolitik, etwa bei Networking-Events oder Podiumsdiskussionen, sodass nicht immer nur Männer auf der Bühne vertreten sind und als Experten wahrgenommen werden. Das ist keine realitätsnahe Abbildung der Gegebenheiten! Es braucht zudem Vorreiter, die sich auch medial positionieren, um das Thema breiter diskutieren und nachhaltig im Bewusstsein der Menschen verankern zu können. Mit sichtbaren Rolemodels funktioniert das einfach sehr gut. Nicht zuletzt sind auch der Ausbau der Kinderbetreuung und das Aufbrechen alter Rollenbilder wichtige und essenzielle Hebel.

Konkrete Beispiele

Bitte um ganz konkrete Beispiele, die Sie in Ihrem Unternehmen bereits umsetzen, oder bei Geschäftspartnern erlebt haben.

Dr. Martina A. Friedl :

Gerade wenn es um bestehende Hürden für Gleichstellung in Organisationen geht, empfehle ich eine möglichst diverse Gruppe an Frauen zu interviewen, wie diese die Situation aktuell wahrnehmen. Methodisch eignet sich dazu ein Online-Fragebogen gefolgt von einem Workshop mit einer repräsentativen Gruppe an Frauen. Ich habe solche Vorhaben begleitet und es war überaus aufschlussreich, gemeinsam eine Liste an wahrgenommenen Hindernissen zu erarbeiten. Wichtig erscheint mir dabei auch, die Frage zu stellen, was denn schon gut läuft und wovon es mehr braucht, weil es fairere Bedingungen für alle schafft. Besonders motivierend fand ich dabei immer die Unterscheidung in Maßnahmen, die sofort durch die Frauen selbst oder durch die HR-Abteilung umgesetzt werden können und solche, die einer Umsetzung auf organisationaler Ebene bedürfen.

Christoph Monschein (Edenred) :

Wir bei Edenred Österreich besetzen Führungspositionen bei gleicher Qualifikation der Bewerbenden mit Frauen. Weltweit betrachtet sind etwa 30 Prozent der Führungskräfte bei Edenred weiblich, in Österreich liegen wir bereits bei 50 Prozent. Wir sind in diesem Bereich also ein klarer Vorreiter innerhalb des Konzerns.

Sarah Riedenbauer (Diversity Think Tank Consulting) :

Als hochspezialisierte Unternehmensberatung im Bereich „Diversity & Inclusion“ versuchen wir getreu dem Motto „Walk the Talk“ zu agieren. Davon ausgehend leben wir eine Transparenz in Hinblick auf die Gehälter aller unserer Mitarbeitenden. Darüber hinaus ist psychologische Sicherheit als wesentlicher Faktor in unserer Unternehmenskultur verankert, um jegliche Themen mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit ansprechen zu können. Denn auch wir sind durch unsere Sozialisierung nicht vor unbewussten Vorurteilen gefeit. Gemeinsam versuchen wir solche Situationen zu reflektieren, um allen Mitarbeitenden einen angenehmen, aussichtsreichen und langfristigen Arbeitsplatz zu bieten. Von besonderer Relevanz ist für uns auch das Bieten von Möglichkeiten und Übernahme von Verantwortung. Jede Person hat, basierend auf den individuellen Erfahrungen, daher die Option Lead-Positionen in wichtigen Projekten zu übernehmen. 

Mag. Ina Lukl (IBG) :

Um Gleichstellung zu fördern, bedarf es einer genaueren Betrachtung der unterschiedlichen Belastungen, denen Männer und Frauen ausgesetzt sind: In vermeintlich »haushaltsnaher« Arbeit werden z.B. die hohen körperlichen und psychischen Belastungen häufig unterschätzt und Berufskrankheiten seltener anerkannt. Es ist wichtig, sich etwaiger Geschlechterrollenstereotype im Rahmen von Workshops oder Begehungen bewusst zu werden und bei der Einschätzung von Belastungen mal in die Schuhe des anderen Geschlechts zu wechseln.

Weiters ist das Einrichten einer internen Beschwerdestelle mit vertrauensvollen Ansprechpersonen hilfreich. Ein transparenter und konkreter Ablauf im Anlassfall schafft zusätzlich Unterstützung und Klarheit für Führungskräfte und auch Betroffene, weil es die Hürden reduziert, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Interviewte Personen

ESG-Ziel 5: Geschlechtergleichstellung | HR hat die Super-Power, das Ziel zu erreichen

Mag. Ina Lukl

Ina Lukl, IBG

Sarah Riedenbauer

Sarah Riedenbauer, DiversityThinkTank

Dr.in Martina A. Friedl

Martina Friedl, systemisches Coaching

Christoph Monschein

Christoph Monschein, Edenred, Stellenausschreibung, Stellenanzeigen

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