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Gefühlsmanagement | Auch Führungskräfte haben Emotionen

19Aug2024
5 min
Fuehrungskraefte Emotionen

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Führungskräfte müssen ihren Gefühlshaushalt und ihr Verhalten steuern können. Nicht nur um ein persönliches Ausbrennen zu vermeiden, sondern auch damit ihr Verhalten für ihre Mitarbeitenden berechenbar bleibt.

Gast-Autorin: Sabine Machwürth

Im Betriebsalltag spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen das Arbeitsklima und somit auch die Effektivität der Zusammenarbeit. Doch ist es überhaupt erlaubt, Gefühle zu zeigen – speziell als Führungskraft?

Wovon hängt eine gute Arbeitsatmosphäre ab?

Einerseits von äußeren Rahmenbedingungen wie, ob es einem Unternehmen wirtschaftlich gut geht oder dieses unter einem massiven Veränderungsdruck steht.

Entscheidender ist allerdings das Verhalten der Führungskräfte. Sie prägen durch ihre Entscheidungen und ihr Verhalten weitgehend den Arbeitsalltag ihrer Mitarbeitenden. Deshalb sollten Führungskräfte ihren Gefühlshaushalt steuern können.

Auch Führungskräfte sind Menschen

Voraussetzung ist, dass Führungskräfte akzeptieren: Auch wir sind emotionale Wesen mit Wünschen und Bedürfnissen, Ängsten und Befürchtungen, Vorlieben und Dingen, die uns widerstreben. Das klingt selbstverständlich! Ist es aber nicht.

Nicht wenige Führungskräfte haben das Selbstbild verinnerlicht: Ich handle und entscheide (rein) rational. Oder: Als Führungskraft muss man auch mal die Zähne zusammenbeißen und darf seine Gefühle nicht zeigen. Zum Beispiel, wenn man den Mitarbeitenden eine schlechte Nachricht überbringen muss. Viele Führungskräfte werden dann zu einer Art Apparatschiks, die zwar die Fakten verkünden, aber dabei keinerlei Emotion zeigen – zum Beispiel aus Angst,

  • dann wirke ich schwach und wenig umsetzungsstark oder
  • dann werde ich in endlose Diskussionen verstrickt.

Die Folge: Mitarbeitende nehmen ihre Führungskraft nicht mehr als Mensch mit Herz und eine Person mit Einfühlungsvermögen wahr. Das belastet ihre Beziehung zur Führungskraft und es wirkt sich auf ihre Arbeitsmotivation aus.

Studien belegen: Mitarbeitende engagieren sich umso stärker für ihre Arbeit, je mehr sie sich mit ihren unmittelbaren Vorgesetzten (und Kollegenschaft) identifizieren können. Stimmt die Beziehung zu ihnen, fühlen sie sich im Unternehmen wohl und sie engagieren sich auch für dieses.

Ziel: Gerecht und berechenbar sein

Um ihre Teamleitung nicht nur als „Maschine“ zu erleben, die ihre Funktion erfüllt – sondern auch als Mensch, der ihnen zuhört und sie versteht – sollten Führungskräfte im Kontakt mit ihren Mitarbeitenden durchaus Emotionen zeigen. Ja, sie können diese sogar gezielt einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.

Dafür müssen Führungskräfte erkennen, welche Faktoren die jeweilige emotionale Reaktion bei ihnen auslöst, zum Beispiel:

  • Jetzt reagiere ich gereizt, weil ich gestresst bin. Oder:
  • Jetzt weiche ich aus, weil ich einen Konflikt scheue. Oder:
  • Jetzt reagiere ich wütend, weil ich mich gerade über einen Lieferdienst geärgert habe.

Sonst verhalten sie sich gegenüber Mitarbeitenden schnell ungerecht.

Emotionen zeigen, heißt nicht, wild um sich schlagen, sondern diese kontrolliert zeigen. Eine Führungskraft darf ruhig auch mal ihrem Frust Ausdruck verleihen, solange sie weiß, dass dies die Mitarbeitenden nicht infiziert. Geäußerte negative Gefühle können gerade in schwierigen Zeiten sogar ein Medium sein, um in einen persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitenden zu kommen und ihr Verständnis zu gewinnen. Zum Beispiel, wenn eine Führungskraft ihre eigene Verunsicherung darüber artikuliert, dass seit einigen Jahren permanent unvorhergesehenen Ereignisse wie die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg usw. alle Planungen über den Haufen werfen.

Für einen ausgeglichenen Gefühlshaushalt sorgen

In einem gewissen Umfang sind Gefühlschwankungen für ihre Mitarbeitenden akzeptabel – insbesondere, wenn sie wissen, was die Ursache hierfür ist.

Zum Problem werden Gefühlsausbrüche für das Team erst, wenn das Verhalten ihrer Führungskraft für sie unberechenbar wird. Sie erfahren dieses dann oft als unangemessen und gehen emotional auf Distanz – auch weil sie nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen, um beispielsweise den Wutattacken oder der Kritik zu entgehen.

Deshalb sollten Führungskräfte dafür sorgen, dass ihr Gefühlshaushalt in Balance ist. Es muss ihnen bewusst sein, dass ihr Verhalten am Arbeitsplatz auch dadurch beeinflusst wird, wie zufrieden sie ansonsten mit ihrem Leben sind.

Dem Lebensbalance-Modell von Nossrath Peseschkian zufolge lassen sich in unserem Leben vier Bereiche unterscheiden. Neben dem Bereich „Arbeit/Beruf“ gibt es die Bereiche „Sinn/Kultur“, „Körper/Gesundheit“ und „Familie/Beziehung“.

Lebensbalance-Modell nach Nossrath Peseschkian

Zwischen diesen vier Lebensbereichen besteht eine Wechselbeziehung. Wer zum Beispiel den Bereich „Arbeit/Beruf“ langfristig überbetont, verliert auf Dauer neben seiner Lebensfreude auch seine Leistungskraft. Denn:

  • Wer krank ist, kann weder sein Leben in vollen Zügen genießen noch ist er voller Leistungskraft. Und:
  • Wer einsam ist, ist weder „quietsch-vergnügt“ noch kann er seine volle Energie auf seinen Job verwenden. Und:
  • Wer in einer Sinnkrise steckt, ist weder lebensfroh noch sehr leistungsfähig. Denn hinter allem Tun steht die Frage: Was soll das Ganze?

Für Ausgleich sorgen

In der heutigen Arbeitswelt können die Leistungsträger in den Unternehmen diese Balance in der Regel nicht Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat bewahren. Im Arbeitsleben von Führungskräften gibt es immer wieder Phasen, die sehr stressig sind – zum Beispiel, weil

  • ein wichtiges Projekt bis zu einem bestimmten Termin abgeschlossen sein muss oder
  • das Auftragsvolumen gerade sehr hoch, die Personaldecke aber recht dünn ist oder
  • das Unternehmen gerade einen Strategiewechsel vollzieht.

Speziell in solchen Phasen, in denen sie auf die Unterstützung ihrer Mitarbeitenden besonders angewiesen wären, neigen Führungskräfte dazu, unberechenbar und ungerecht zu werden – weil sie selbst am Limit agieren. Die Folge: Ihre Mitarbeitenden verweigern ihnen die Unterstützung.

Gerade in Stress-Situationen sollten Vorgesetzte deshalb hochsensibel ihr eigenes Verhalten beobachten und darauf achten, dass sie aus Mitarbeitersicht nicht unmotiviert überreagieren. Das können sie nur, wenn sie selbst innerlich eine gewisse Ruhe bewahren und in der Lage sind, ihren Gefühlshaushalt zu steuern – weil sie wissen, was ihnen in Stress-Situationen „gut“ und „weniger gut“ tut.

Ziel: Die eigenen Gefühle managen

Zu Hilfe kommt ihnen dabei das Lebensbalance-Modell von Nossrath Peseschkian. Wenn die vier Lebensbereiche in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, können Führungskräfte, die unter einer hohen beruflichen Belastung stehen, diese zumindest zeitweise durch ein entsprechendes Ausgleichsverhalten in den anderen Bereichen kompensieren.

Eine Führungskraft, die beruflich unter Strom steht, sollte darauf achten, dass ihr nicht auch noch private Probleme Energie rauben. Sonst schlägt das Gefordert-sein schnell in ein Überfordert-sein um.

Wenn sich beruflich immer mehr Stress und Adrenalin aufbaut, sollte man dafür sorgen, dass im privaten Bereich die nötige Entspannung erfolgt – zum Beispiel indem man regelmäßig joggt oder etwas anderes tut, das dem Stressabbau dient.

Ziel ist, eine höhere Sensibilität zu entwickeln und die eigenen Gefühle zu managen. Das ist einerseits wichtig, damit sie selbst nicht „ausbrennen“ und einen Burnout erleiden. Andererseits, damit sie auch in Stresszeiten für ihre Mitarbeitenden emotional ausgeglichen und berechenbar bleiben.

Gast-Autorin

Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D), die weltweit Unternehmen u.a. beim Entwickeln ihrer Führungskräfte und -teams unterstützt.

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