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Lebensphasen-orientiertes Arbeiten | Ein Invest in die Zukunftsfähigkeit oder pure Sozialromantik?

23Aug2024
7 min
Lebensphasen-orientiertes Arbeiten

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Um einfacher an neue Mitarbeitende zu kommen, werben Unternehmen in Hochglanzbroschüren häufig mit hoch flexiblen Arbeitszeitmodellen, einer ausgewogenen Work-Life-Balance und überhaupt „Der Mensch im Mittelpunkt der Firmenkultur“. Doch halten diese Begriffe der Realität stand?

Wie flexibel sind Arbeitsmodelle wirklich?

Oder wird in der Rekrutierungsphase wortwörtlich das Blaue vom Himmel versprochen, in der Praxis folgt aber die Schwärze der Nacht: starre Arbeitszeitmodelle, Überstunden bis zum Abwinken, flexibel müssen lediglich die Mitarbeitenden sein, Freiraum haben sie wenig bis keinen. Dabei wird auch kaum Rücksicht auf Veränderungen in ihren Lebensumständen genommen? Frei nach dem Motto: „Wenn du Zeit brauchst, nimm dir doch Urlaub oder Zeitausgleich.“ Kennen Sie das?

Haben Sie schon über tatsächliches lebensphasen-orientiertes Arbeiten nachgedacht oder sogar schon die notwendigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen? Oder leben Sie es sogar schon selbst? Bieten Sie beispielsweise Müttern nach der Karenz halt ein Teilzeitmodell an, das in etwa den Betreuungszeiten des Kindergartens angepasst ist und stellen diese dabei aber mangels Vollzeitarbeit auf das Verantwortungs-Abstellgleis? Oder akzeptieren Sie halt des Fachkräftemangels wegen halbherzig, wenn Menschen neben ihrem Job bei Ihnen noch ein eigenes Business betreiben? Oder bieten Sie den Menschen tatsächlich Arbeitsmodelle und -bedingungen, die sich ihrem Leben flexibel anpassen, um optimale Voraussetzungen zu schaffen, damit sie in einem unterstützenden Umfeld, unabhängig vom Stundenausmaß, ihr volles Potenzial entfalten können?

Ein menschenzentriertes Wertesystem

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten

Wer sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt, wird schnell feststellen, dass Hochglanzpapier allein nicht ausreicht, wenn man es wirklich ernst meint. Es ist nicht einfach umsetzbar, denn lebensphasen-orientiertes Arbeiten darf kein Selbstzweck sein und keine Form von Sozialromantik. Am Ende geht es um Leistung und Erfolg für das jeweilige Unternehmen.

Mein Wertesystem, das hinter diesem Ansatz steht, setzt sich aus Leistung, Menschlichkeit, Fairness, Loyalität, Wertschätzung und Unabhängigkeit zusammen. Wer keine Leistung erbringt, lebt auf Kosten anderer. Wer dabei aber auf die Menschen vergisst, tut dies ebenfalls. Es geht also darum, für jeden Menschen individuelle Lösungen zu finden und diese gegebenenfalls anzupassen, wenn sich die Lebensbedingungen ändern, damit nachhaltig Erfolge aus Leistung resultieren – für Menschen und Unternehmen.

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten ist also kein „Teilzeit-Mami-Thema“. Lebensphasen-orientiertes Arbeiten betrifft alle Mitarbeitenden. Es geht also um Mütter und Väter, um Eltern – egal ob in Teilzeit oder Vollzeit. Es betrifft auch Menschen, die neben ihrem Beruf Angehörige pflegen oder sonstige Care-Verpflichtungen haben. Oder Mitarbeitende, die neben ihrem Job eine Ausbildung machen oder ein eigenes Business betreiben. Hinzu kommen Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Vollzeit arbeiten können.

Möglicherweise brauchen wir für junge Rennpferde andere Rahmenbedingungen als für ältere Semester. Aber genauso geht es um Menschen, die aus persönlichen Gründen nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, weil sie ein zeitbeanspruchendes Hobby haben. Ich hinterfrage nicht das Warum und messe nicht in FTEs (Full Time Equivalents)– solange die geforderte Leistung erbracht wird.

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten in der IT & Security der FACC

In der IT & Security-Crew bieten wir beispielsweise Menschen, die in ihrem alten Job nicht mehr zufrieden waren, neue Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten. Beinahe die Hälfte unserer Crew sind ehemalige (Quer-) Einsteiger oder Umsteigerinnen unterschiedlichen Alters, oftmals auch in Teilzeit.

Wir investieren dabei ebenso in die Zukunft junger Menschen, wie in erfahrene Kolleginnen und Kollegen. So sind rund 16 % unseres Teams unter 25 Jahren, 20 % sind über 50. All das erfordert entsprechende Rahmenbedingungen, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir bieten deshalb verschiedene Karrierepfade und Entwicklungsmöglichkeiten. Teilzeit und Jobsharing sind bei uns vollwertige Arbeitsmodelle mit umfassender Verantwortung. Die Teilzeitquote in meinem Team beträgt über 20 %, wobei die Hälfte davon weibliche und die andere Hälfte männliche Kollegen sind. Unsere Mitarbeitenden können dabei aus über 300 verschiedenen Arbeitszeitmodellen wählen. Flexible Arbeitszeiten, das Wechseln der Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Möglichkeiten schaffen dazu optimale Rahmenbedingungen.

Warum das Ganze? Nur wer es schafft, ein attraktiver Arbeitgebender zu sein und die Bedürfnisse der Menschen ernst nimmt, wird im Kampf um Fachkräfte bestehen und langfristig erfolgreich sein. Um diesen Erfolg zu ermöglichen, ist es essenziell, den Mitarbeitenden die notwendigen Rahmenbedingungen zu bieten, damit sie optimal arbeiten und ihre beste Leistung erbringen können.

Praktische Umsetzung

Ein Beispiel für Vereinbarkeit von IT-Job und eigenem Business ist Michael Zierer, einer unserer IT Engineering Solutions Mitarbeiter: Seine Frau führt ein Gasthaus, er arbeitet Teilzeit bei FACC. Neben seinem Job in unserer IT unterstützt Michael seine Frau – als Wirt, Kellner und Sparring-Partner.

„FACC bietet mir Rahmenbedingungen, die es möglich machen, unser Familienunternehmen und meinen IT-Job optimal zu vereinen. Größere Events, wie z.B. Beerdigungen oder Geburtstagsfeiern, kann ich mit meinem Team-Lead und meinen Kollegen problemlos abstimmen. Und wenn es um dringende IT-Projekte geht, kann ich dank der flexiblen Arbeitsmodelle bei FACC kurzfristig meine Prioritäten setzen und dennoch meine Aufgaben sowohl im Gasthaus als auch in der IT bewältigen.“

Auch in unseren Reihen, der Bürgermeister der Marktgemeinde Ampflwang, Christian Kienast, Lead Expert Data Center Services. In seiner Funktion als Bürgermeister hat er auch Amtszeiten abzudecken. Was spricht dagegen, ihm die notwendige Flexibilität und Homeoffice zu gewähren, wenn er seine Aufgaben bei FACC zu 100 % erledigt? Im schlimmsten Fall würde ich riskieren, einen meiner Lead Experts zu verlieren. Flexibilität ist keine Einbahnstraße, sondern beruht auf Gegenseitigkeit. Hier ermöglicht sie, dass Christian gleichermaßen für FACC und seine Gemeinde da sein kann.

Teilzeit ist bei FACC definitiv nicht (nur) weiblich. Heinrich Linecker, der bereits die wohlverdiente Altersteilzeit genießt, und Jürgen Buchinger, teilen sich momentan im Shared-Leadership-Modell die Funktion und Führungsverantwortung des Senior Managers IT Engineering Solutions. By the way, das ist auch ein toller Weg zur Wissensweitergabe. Spoiler: Wie das funktioniert und welche Herausforderungen die beiden meistern, beleuchte ich in einem gesonderten Artikel gegen Ende des Jahres.

Aber auch Fort- und Weiterbildung kann ein Bedürfnis Mitarbeitender sein, das wir adressieren sollten. Die 19-jährige Jordis Weindorfer, SharePoint/M365 Professional, arbeitet 32 Stunden und legt neben ihrem Job bei FACC gerade die Berufsreifeprüfung ab.

Die Flexibilität und Unterstützung, die wir bei FACC erleben, ermöglichen es uns, unsere beruflichen und persönlichen Ziele erfolgreich in Einklang zu bringen. Das macht FACC zu einem herausragenden Arbeitgeber.“

Und natürlich berücksichtigen unsere Ansätze auch „klassisch wichtige“ Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dabei profitieren nicht nur die Mütter in Teilzeit von flexiblen Arbeitsmodellen, sondern auch die Väter in meinem Team. Sie genießen die Vorteile flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsmodelle, die ihnen ermöglichen, ihre beruflichen Verpflichtungen mit ihren familiären Aufgaben in Einklang zu bringen. Auch ich profitiere als Vater eines achtjährigen Sohnes davon. Meine Frau und ich sind beide in Vollzeit als Führungskräfte tätig. Dank unserer flexiblen Rahmenbedingungen schaffen wir gemeinsam diesen Spagat.

Herausforderungen und Lösungen

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten ist jedoch kein Selbstläufer und bringt auch Herausforderungen mit sich. Heterogene Teams – auch in Bezug auf Arbeitsmodelle gemeint, arbeiten zwar oft lösungsorientierter, aber ja, die Heterogenität erhöht auch die Komplexität. Sie macht das Leben beispielsweise für Führungskräfte nicht einfacher, wenn es um die Sicherstellung des Dienstbetriebs geht. Oder das Aufsetzen eines gemeinsamen Termins, sei es für ein Projekt oder ein Abteilungsmeeting. Koordinationsaufwände steigen. Kommunikation wird erschwert.

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten und die daraus resultierende Flexibilität sind überdies keine Einbahnstraße und kein reines Nehmen für die Mitarbeitenden. Auch ich fordere Engagement und die notwendige Flexibilität von meinem Team, wenn die Situation es erfordert. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass endlose Überstunden erwartet werden, besonders nicht, wenn Betreuungsverpflichtungen oder wichtige private Termine bestehen. Aber wenn der Hut brennt – sei es ein Systemausfall, eine kritische Sicherheitslücke oder ein Projekt, das kurz vor dem Go-Live steht – dann erwarte ich, dass meine Mitarbeitenden ihre Aufgaben selbstständig und verantwortungsbewusst wahrnehmen, ohne dass ich Überstunden anordnen oder sie mikromanagen muss.

In so ein System passen aber auch nicht alle Menschen. Um lebensphasen-orientiertes Arbeiten erfolgreich umzusetzen sind persönliche Reife, echte Individualarbeit und das Engagement der Führungskräfte gefragt, Kochrezepte für das Gelingen kenne ich keine. Apropos erfolgreich – wo sind jetzt Leistung und Erfolg?

Leistung und Erfolg

Neben einer Vielzahl erfolgreich abgeschlossener Projekte, bedeutender Zertifizierungen hier und da, erhaltener Awards, wie dem Austrian-Leading-Companies Award im Bereich Cyber-Security, konnten wir vor allem dem Arbeitskräftemangel trotzen. Viele offene Stellen sind heute mit ehemaligen Einsteigern und Umsteigerinnen besetzt. Diese haben sich mittlerweile zu erfolgreichen Expertinnen und Experten entwickelt und leiten Projekte.

Dank unseres Ansatzes erreichen wir unsere Personalwachstumsziele und halten dabei die Fluktuation auf niedrigem Niveau, trotz des Wettbewerbs um gute Mitarbeitende. Lebensphasen-orientiertes Arbeiten bedeutet, dass wir als Unternehmen und Führungskräfte verstehen, welches Arbeits(zeit)modell und welche Flexibilität unsere Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Lebensphase benötigen und dies ermöglichen – aus welchen Gründen auch immer.

Das ist kein Selbstzweck und keine Sozialromantik. Am Ende geht es um Erfolg für das Unternehmen. Nur ein Unternehmen, das auf die individuellen Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden eingeht, kann wirklich erfolgreich sein und einen signifikanten Beitrag zur Gesellschaft und Wirtschaft leisten.

Lebensphasen-orientiertes Arbeiten | Ein Invest in die Zukunftsfähigkeit oder pure Sozialromantik?