Immer wieder erhebt sich die Frage, wie ein kulturell diverses Team möglichst gut zusammenarbeitet? Wie findet ein Team zusammen und entwickelt seine „Team-Kultur“ und gibt dabei jedem einzelnen Teammitglied genügend Raum, sich authentisch einzubringen?
Die Antworten auf diese Fragen liegen in einem bestimmten Verständnis von Kultur, das hier erläutert werden soll.
„Team-Kultur“ impliziert Kultur: Ein kurzer Exkurs zum Kulturbegriff
Kulturen und Kulturmodelle
Zunächst ein kurzer Exkurs über den Kulturbegriff. Im interkulturellen Bereich hat sich lange ein Begriff von Kultur gehalten, der Kultur mit Nationalkultur gleichsetzt. Auf dieser Basis kamen kulturvergleichende Modelle auf, die im beruflichen Kontext Richtlinien für den Umgang mit kulturellen Unterschieden in verschiedenen Nationalkulturen anbieten (vgl. Geert Hofstede, Fons Trompenaars, Richard Lewis, Erin Meyer u.a.). Dabei werden Nationalkulturen miteinander verglichen, wobei man davon ausgeht, dass diese homogen und statisch seien und anhand von bestimmten Kategorien wie Hierarchie, Individualismus-Kollektivismus, Zeitverständnis, Kommunikationsweisen u.a. leicht erfassbar seien. Das führt dazu, dass aufgrund von empirischen Studien (i.A. Umfragen) Nationalkulturen bestimmte Eigenschaften zugeordnet werden. Diese Nationalkulturen können dann auf der Basis der erstellten Kategorien miteinander verglichen werden.
Kulturen als Nationalkulturen werden hier als homogene und statische, von einander unabhängige Gebilde verstanden, die sich durch eine Begegnung ihrer Mitglieder nicht verändern.
Kulturen im Austausch miteinander
Dies entspricht nach heutiger Auffassung nicht der gelebten Realität, denn Kulturen sind äußerst komplex und es ist immer Kontext abhängig, welche Aspekte der jeweiligen Kultur gerade relevant sind. Das bedeutet, in unterschiedlichen Situationen kommen unterschiedliche Regeln und Vereinbarungen zur Anwendung, die alle Bestandteil einer Kultur sind.
Individuen bringen sich in einem konkreten Kontext auf der Basis ihrer Biografien, Erlebnisse und Expertise ein und gestalten so gemeinsam ihre Zusammenarbeit.
Ein Beispiel: In einem neu zusammengewürfelten internationalen Team hat Peter ausgeprägte internationale Erfahrungen und ist interkulturell sehr geschult; Enrico ist zum ersten Mal in einem internationalen Setting und punktet vor allem mit seiner Expertise. Maria ist bikulturell (Österreich-Brasilien) und bringt dadurch sehr unterschiedliche Blickwinkel ein. Henry hat ebenfalls internationale Erfahrungen, sich aber noch nie mit der interkulturellen Thematik beschäftigt. Susan kommt aus dem gleichen Land wie Henry, aber aus einer ganz anderen Gegend und aus einem anderen sozialen Milieu. Sie hat ausgewiesene interkulturelle Erfahrung aufgrund ihrer Ausbildung und Auslandspraxis.
Aushandeln einer Team-Kultur
Begegnung der Team-Mitglieder schafft kulturellen Austausch
Dieses Team, zu dem noch andere Mitglieder mit ihren jeweiligen kulturellen, biografischen und professionellen Hintergründen stoßen, gestaltet in der Begegnung und im Austausch miteinander bestimmte Umgangsformen und vertrauensbildende Schritte. Team-Entwicklungsmodelle wie das von Bruce Tuckman oder das MBI-Modell (Mapping-Bridging-Integrating) von Martha Maznevski und Joseph DiStefano helfen dabei, den Prozess, den das Team durchläuft, bewusst zu gestalten.
Aushandeln von Kultur
Nach der japanisch-amerikanischen Interkulturalistin Mary Yoko Brannen wird in so einem internationalen Team die Kultur des miteinander Umgehens und Zusammenarbeitens im Austausch miteinander ausgehandelt. Das bedeutet, es findet unter den Team-Mitgliedern nicht nur ein Austausch, sondern auch ein Anpassungsprozess untereinander statt, bei dem einige individuelle kulturelle Praktiken zurückgestellt, andere in den Vordergrund rücken, bis sich das Team auf geeignete Umgangsformen und Zielerreichungsmaßnahmen geeinigt hat.
Bestimmende Faktoren für diesen komplexen Aushandlungsprozess sind:
- Unternehmenskontext und Hintergrund der internationalen Zusammenarbeit
- Anzahl der Mitglieder im Team
- Individuelle Persönlichkeiten der Mitglieder
- Vorbehalte und Vorurteile zwischen den jeweiligen Nationalkulturen
- Art der Zielvorgaben und Komplexität der Aufgabe
- Interkulturelle Kompetenzen und kulturspezifisches Wissen der Mitglieder
- Maß an internationaler Erfahrung der Mitglieder
Kultur und Kontext
Da jede Person immer mehreren Subkulturen angehört und diese ihre soziale und kulturelle Identität bestimmen, agieren diese Personen aus dieser kulturellen Komplexität heraus, die sich nicht in eindimensionalen Kulturmodellen abbilden lässt. In der Zusammenarbeit, die von den oben genannten Faktoren bestimmt ist, kommt es zu einem Wissens- und Erfahrungsaustausch.
Die Weitergabe von implizitem kulturellem Wissen ist dabei wichtiger Bestandteil. Denn häufig geht es in der internationalen Zusammenarbeit um Praktiken oder Vorgangsweisen, die so selbstverständlich sind, dass sie nicht extra erwähnt werden, da davon ausgegangen wird, dass es so überall normal ist. Genau um diese Schnittstellen geht es, die bewusst gemacht werden. Hier kommt die bedeutende Rolle von bikulturellen oder international sehr erfahrenen Personen ins Spiel, deren Wahrnehmung für kulturelle Unterschiede geschärft ist.
Daher entsteht eine Team-Kultur jedes Mal neu, wenn in einem spezifischen Arbeitskontext unterschiedliche Personen mit ihren jeweiligen interschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammenarbeiten – egal welcher Nationalkultur sie angehören.
Zusammenfassung
- Kulturen lassen sich nicht auf Kategorien nationalkultureller Basis reduzieren
- Kultur entsteht in einem bestimmten Kontext im Austausch und Aushandeln
- Die Betroffenen in diesem Aushandlungsprozess passen sich an den jeweiligen Kontext an und verändern situativ ihr Verhalten
- Eine Team-Kultur kann weder vorhergesagt noch vorgeschrieben werden, sondern sie entsteht mit den Beteiligten in der Interaktion
Quellen
Brannen Mary Yoko, Salk Jane E., Partnering across Borders. In: Human Relations. Vol. 53, Nr. 4, 451-487, London 2000
Brannen Mary Yoko, Culture in Context. In: Nakata Cheryl (ed.), Beyond Hofstede. MacMillan Publ. 2009
Brannen Mary Yoko, Cross-Cultural Management & Cultural Identity. In: The SAGE Handbook of Contemporary Cross Cultural Management, ed. by B. Sudlarek, L. Romani et al., Sage Publications 2020
Wie entsteht Teamkultur? | Fokus auf kulturell diverse Teams