Der Start in einem neuen Unternehmen kann prägend sein. Katharina Slanar und Melanie Kidman teilen ihre ganz persönlichen Erfahrungen, die zeigen, wie entscheidend ein gut durchdachtes Onboarding ist, um sich als neuer Mitarbeitender willkommen und geschätzt zu fühlen.
⇒ Mini-Serie: The Circle of (Work) Life
Wenn das Onboarding zum Stolperstein wird
Ich, Kathi, kann mich noch ganz genau an meinen ersten Tag bei der Isovolta Gruppe erinnern. Es war der 2. September 2012. Bereits Tage zuvor habe ich ein Foto von meinem Türschild und Schreibtisch zugeschickt bekommen – ich war sehr aufgeregt. Als der Eintrittstag gekommen war, wurde ich in meinen Raum gesetzt und wartete neugierig auf meine Aufgaben. Und ich wartete und wartete – während mein Computer nicht funktionierte. Die erste Person, mit der ich richtige Berührungspunkte hatte, war ein bemühter Mitarbeiter aus der IT. Er ist bis heute mein bester Freund.
Meine Einschulungsphase war zwar nicht so strukturiert und durchdacht, wie man es heute in unserem Unternehmen lebt, aber das hat meiner Begeisterung für die Arbeit und die Firma keinen Abbruch getan.
Ich, Melanie, hatte leider ähnliche Erfahrungen in meinen vergangenen Onboardings. Bei einem meiner Arbeitgeber musste ich nicht nur tagelang darauf warten, dass meine IT komplett funktionierte, nein, ich wurde sogar zwei Mal vergessen.
Ich habe mich– wie Sie bestimmt auch – gefragt: Wie kann man auf Mitarbeitende vergessen, die man doch aus einem bestimmten Grund rekrutiert hat?
Es ist mir bis heute ein Rätsel. Ich war Teilzeit angestellt und somit nur 3 Tage im Büro. In der dritten Woche wurde ich von meiner Vorgesetzten trotz gemeinsamer Termine vergessen – sie befand sich im Home Office. Ich saß somit allein in Meetings mit Abteilungsleitern.
Wie ging es uns damit?
Wir waren beide in unseren Situationen verloren, fühlten uns alleine gelassen, unwichtig und vergessen. Es war alles andere als ein schöner Start für uns.
Onboarding – muss das sein?
Unsere eigenen Erfahrungen zeigen uns, wie wichtig eine ordentliche Einschulungsphase ist. Nicht nur für Mitarbeitende, sondern letztlich auch für Unternehmen.
Denn sind wir ehrlich: Menschen bleiben in Unternehmen, weil sie sich verbunden fühlen. Entweder wegen ihres Teams, der Führungskraft oder den Werten, die das Unternehmen lebt. Schafft man es nicht, diese Verbundenheit in den ersten Wochen zu schaffen, war all die Zeit und Energie vergebens – für beide Seiten.
Von schlechten Erfahrungen lernt man bekanntlich sehr viel, dennoch wollen wir die Schublade „bad practices“ hiermit schließen und uns auf Potenziale konzentrieren, die ein gutes Onboarding aus HR-Sicht bieten.
First things first – was verstehen wir unter Onboarding?
Seit einigen Jahren hat das Thema „Einschulungsphase“ einen neuen Namen bekommen – Onboarding. Auf Deutsch „An-Bord-nehmen“.
Onboarding ist der Prozess, bei dem neue Mitarbeitende in ein Unternehmen integriert werden. Ziel ist es, ihnen den Einstieg zu erleichtern und sie schnell produktiv zu machen. So viel zur Theorie.
Wie läuft Onboarding in unserem Unternehmen ab?
Bei uns startet der Prozess weit vor dem ersten Tag, da Beziehungsarbeit ab dem ersten Kontakt beginnt und nicht erst mit dem offiziellen Eintritt.
Wir starten mit dem Recruiting Prozess, der bewusst sehr schlank gehalten ist. Es werden maximal zwei Gespräche geführt und bereits beim zweiten Vorstellungstermin ist es möglich, die Abteilung und zukünftigen Teammitglieder kennen zu lernen. Nach einem erfolgreichen zweiten Gespräch erfolgt eine mündliche Zusage. Nachdem die HR-Abteilung alle administrativen Themen erledigt hat und der Vertrag erstellt wurde, wird der Mitarbeitende zur Unterzeichnung persönlich eingeladen.
Hier gibt es neben vielen Fakten und Informationen auch unsere Willkommensmappe, die alles, was wir besprochen haben, noch einmal zusammenfasst und einen guten Leitfaden für die ersten Wochen gibt. Unsere Willkommensmappe beinhaltet beispielsweise die aktuellen Organigramme, wichtige Ansprechpartner aus den verschiedensten Abteilungen, Vorgehensweise bei Krankenstand und vieles mehr.
Damit geben wir uns noch nicht zufrieden, denn wir freuen uns wirklich auf jeden neuen Mitarbeitenden, darum ist bei uns öfter im Jahr Weihnachten und es gibt ein kleines Goodie-Bag. Der Inhalt ist jedoch streng geheim – das Christkind verrät ja auch nicht alles 😊.
Häufig liegen zwischen der Zusage für den Job und dem eigentlichen Start nicht nur Tage, sondern sogar Monate. Mit stetigem Austausch und intensiver Kommunikation wollen wir Unsicherheiten vermeiden und ein frühes Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen, dass wir im Unternehmen leben.
Das heißt: Die Personalabteilung, aber auch die zukünftige Führungskraft melden sich regelmäßig bei dem zukünftigen Mitarbeitenden. Auch laden wir neue Mitarbeitende zu Team- und Firmenevents ein, selbst wenn sie noch nicht offiziell eingetreten sind. Diese Phase nennt sich „Pre-Onboarding“.
Einschulungspläne
Vor dem ersten Arbeitstag wird außerdem ein personalisierter Einschulungsplan erstellt – die ersten Tage sind hier noch sehr strukturiert von der Führungskraft vorgegeben, andere Einschulungstermine können von dem Mitarbeitenden selbstständig ausgemacht und mittels Plan abgearbeitet werden. Bereits zuvor zu wissen, wie die ersten Tage aussehen, reduziert Unsicherheiten und Missverständnisse massiv. Eine Deadline für die Abarbeitung des Einschulungsplans wird individuell erstellt und am Ende dieser Einschulungsphase steht ein Feedbackgespräch mit der Führungskraft.
Ziel der Einschulungspläne ist es:
- Von Tag 1 weg selbstständig Termine auszumachen und zu arbeiten
- Personen schrittweise kennen zu lernen und nicht von 100 Namen am ersten Tag erschlagen zu werden
- Einschulungsphase nicht nur auf zwei Wochen zu beschränken, sondern über die ersten Monate zu leben
- Mitarbeitende mit Arbeit und Wissen fordern, aber nicht überfordern
Allen Einschulungsplänen ist auf jeden Fall gemein, dass am 1. Tag Termine mit der Personalabteilung zu HR-Systemen anstehen, eine Sicherheitsschulung und Werksführungen stattfinden.
Außerdem stellen wir jedem neuen Mitarbeitenden einen „Buddy“ zur Seite. Dieser ist nicht dazu da, den Einschulungsplan zu überwachen, sondern eine kollegiale Brücke zu schlagen. Den Mitarbeitenden beispielsweise in die Kantine mitnehmen, andere Teammitglieder vorzustellen, bei der Integration zu unterstützen, bei kleineren Fragen (z.B. wo findet man Büroartikel, etc.) zur Verfügung zu stehen und zu helfen, sich im Unternehmen zurecht zu finden.
New Joiner Lunch & Welcome Day
Um die Vernetzung im Unternehmen zu stärken, findet ein Mal pro Quartal unser „New Joiner Lunch“ statt. Dieser findet mit allen Teammitgliedern, die in diesem Quartal bei uns begonnen haben, unserer Werksleitung und Mitarbeitenden der HR-Abteilung statt. Der New Joiner Lunch hat sich als eine Plattform etabliert, um offene Fragen zum Unternehmen oder Abläufen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen. Er bietet die Möglichkeit sich auch auf persönlicher Ebene auszutauschen, die Werksleitung privater kennenzulernen und abteilungsübergreifend Kontakte zu knüpfen.
Weiters haben wir zwei Mal im Jahr einen „Welcome Day“. Dieser findet immer abwechselnd an unseren Standorten in Österreich statt und bietet den neuen Mitarbeitenden die Chance, unsere Vorstände besser kennen zu lernen, einen Einblick in die strategische Ausrichtung unseres Unternehmens zu bekommen und standortübergreifend Kontakte zu knüpfen. Sie sehen also: Netzwerken ist für uns als Unternehmen ein wichtiger Aspekt. Wir wissen, wie wichtig es ist, als Team an Projekten und Problemstellungen zu arbeiten. Genau das wollen wir von Beginn an fördern und darum investieren wir viel Zeit und Energie in die Möglichkeit zum Kontaktaufbau.
Feedbackgespräche
Können Sie sich noch an den Beginn des Artikels erinnern? Wir haben von unseren verbesserungswürdigen Onboarding-Erlebnissen gesprochen. In den letzten 12 Jahren hat sich – glücklicherweise – einiges getan. Das liegt auch daran, dass wir nach jedem einzelnen Onboarding Feedback einholen. Wir gehen proaktiv in den Austausch mit unseren Mitarbeitenden und bitten um ehrliche Verbesserungsvorschläge.
Selbst wenn wir mit unserem Prozess sehr zufrieden sind, gibt es stets Raum für Entwicklung – das ist fest in unserer Unternehmenskultur verankert.
Extra für diesen Artikel haben wir bei einer Kollegin, die Anfang Oktober startete, um Feedback gebeten:
„Ich war von den regelmäßigen Anrufen vor dem Eintritt sehr angetan. Ist auch in meinem Umfeld sehr gut angekommen. Es vermittelte ein Gefühl von „wir freuen uns auf dich“. Ich fand es sehr angenehm, dass wir die Übergabe meiner Willkommensmappe bei einem gesonderten Termin vor dem Eintritt erledigten. So hatte ich Zeit und Ruhe mich „nur“ auf die Inhalte der Mappe zu fokussieren. Ich wünschte, ich hätte an diesem Tag eine Tasche für den Transport der großartigen Sachen 😉 bekommen. Ist nicht wichtig, wäre aber angenehm gewesen.
Was ich hier erwähnen muss: Die Willkommensmappe ist sehr übersichtlich aufgebaut. Ich finde den Aufbau des Dienstvertrages sehr gut und übersichtlich. Sehr geschickt, dass alle weiteren Punkte in der Willkommensmappe zu finden sind. Bei einer anderen Firma hatte ich einen Vertragsentwurf bekommen, der alles andere bereits inkludiert hatte. 16 Seiten und 2 Zusatzverträge. Das stresste mich und baute Druck auf.
Die Werksführung war gleich am 1. Tag für mich zwar beeindruckend, aber auch sehr anstrengend. Wenn man, wie ich, Quereinsteiger ist und nicht gleich am 1. Tag die fachlichen Begriffe und Abkürzungen versteht, ist man einfach nur überfordert.
Ich hätte mir gewünscht, dass ich auch bei externen Meetings gleich als neue Kollegin vorgestellt worden wäre. Hätte mir etwas Druck rausgenommen.
Sonst fühle ich mich sehr wertgeschätzt und gut aufgehoben und liebe es auch, dass ich bereits selbständig arbeiten darf, auch wenn ich noch in der Einarbeitungsphase bin.
Was es für mich sehr angenehm macht ist, dass ich von Kathi zu 100% das Gefühl bekomme, dass ich jederzeit zu ihr kann, wenn ich mich einer Aufgabe noch nicht gewachsen fühle.“
Der Full Circle Moment
Wir lieben in sich geschlossene Geschichten, die uns mit einem guten Gefühl zurücklassen. Unsere Geschichte begann mit zwei bad practice Beispielen im Onboarding und endet mit dem Feedback von Kathis erster Mitarbeiterin im Marketing 2024, die das obige Feedback verfasst hatte. Hätten sich diese negativen Erfahrungen nicht so bei uns eingebrannt, hätten wir in unseren Onboardings vielleicht weniger Sorgfalt und Empathie walten lassen. Dann hätten wir die Wichtigkeit eines guten Onboardings eventuell unterschätzt.
So können wir uns in die Gefühlswelt unserer neuen Teammitglieder gut hineinversetzen und empathisch reagieren. Die Steine, über die wir stolpern mussten, führten dazu, dass wir vielen anderen den Weg ebnen konnten.
In diesem Sinne: denken Sie daran, dass jeder neue Mitarbeitende eine einzigartige Reise beginnt. Ein herzliches Willkommen und eine sorgfältige Einarbeitung können den Unterschied machen. Viel Spaß bei der Auseinandersetzung mit Ihren Onboarding Prozessen!
The Circle of (Work) Life | Teil 1: Onboarding